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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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auch mit allem Sinn ohne Gemüth keine Geisterwelt. Wer nur Sinn hat, sieht keinen Menschen, sondern bloß Menschliches: dem Zauberstabe des Gemüths allein thut sich alles auf. Es setzt Menschen und ergreift sie; es schaut an wie das Auge ohne sich seiner mathematischen Operazion bewußt zu seyn.



Hast du je den ganzen Umfang eines Andern mit allen seinen Unebenheiten berühren können, ohne ihm Schmerzen zu machen? Jhr braucht beyde keinen weitern Beweis zu führen, daß ihr gebildete Menschen seyd.



Es ist eine Dichtung der Geschichtschreiber der Natur, daß ihre plastischen Kräfte lange in vergeblichen Anstrengungen gearbeitet, und nachdem sie sich in Formen erschöpft hatten, die kein dauerndes Leben haben konnten, noch viele andre erzeugt worden wären, die zwar lebten, aber untergehn mußten, weil es ihnen an der Kraft fehlte sich fortzupflanzen. Die sich selbst bildende Kraft der Menschheit steht noch auf dieser Stufe. Wenige leben, und die meisten unter diesen haben nur ein vergängliches Daseyn. Wenn sie ihr Jch in einem glücklichen Moment gefunden haben, so fehlt es ihnen doch an der Kraft es aus sich selbst wieder zu erzeugen. Der Tod ist ihr gewöhnlicher Zustand, und wenn sie einmal leben, glauben sie in eine andre Welt entzückt zu seyn.



auch mit allem Sinn ohne Gemuͤth keine Geisterwelt. Wer nur Sinn hat, sieht keinen Menschen, sondern bloß Menschliches: dem Zauberstabe des Gemuͤths allein thut sich alles auf. Es setzt Menschen und ergreift sie; es schaut an wie das Auge ohne sich seiner mathematischen Operazion bewußt zu seyn.



Hast du je den ganzen Umfang eines Andern mit allen seinen Unebenheiten beruͤhren koͤnnen, ohne ihm Schmerzen zu machen? Jhr braucht beyde keinen weitern Beweis zu fuͤhren, daß ihr gebildete Menschen seyd.



Es ist eine Dichtung der Geschichtschreiber der Natur, daß ihre plastischen Kraͤfte lange in vergeblichen Anstrengungen gearbeitet, und nachdem sie sich in Formen erschoͤpft hatten, die kein dauerndes Leben haben konnten, noch viele andre erzeugt worden waͤren, die zwar lebten, aber untergehn mußten, weil es ihnen an der Kraft fehlte sich fortzupflanzen. Die sich selbst bildende Kraft der Menschheit steht noch auf dieser Stufe. Wenige leben, und die meisten unter diesen haben nur ein vergaͤngliches Daseyn. Wenn sie ihr Jch in einem gluͤcklichen Moment gefunden haben, so fehlt es ihnen doch an der Kraft es aus sich selbst wieder zu erzeugen. Der Tod ist ihr gewoͤhnlicher Zustand, und wenn sie einmal leben, glauben sie in eine andre Welt entzuͤckt zu seyn.



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[103/0292] auch mit allem Sinn ohne Gemuͤth keine Geisterwelt. Wer nur Sinn hat, sieht keinen Menschen, sondern bloß Menschliches: dem Zauberstabe des Gemuͤths allein thut sich alles auf. Es setzt Menschen und ergreift sie; es schaut an wie das Auge ohne sich seiner mathematischen Operazion bewußt zu seyn. Hast du je den ganzen Umfang eines Andern mit allen seinen Unebenheiten beruͤhren koͤnnen, ohne ihm Schmerzen zu machen? Jhr braucht beyde keinen weitern Beweis zu fuͤhren, daß ihr gebildete Menschen seyd. Es ist eine Dichtung der Geschichtschreiber der Natur, daß ihre plastischen Kraͤfte lange in vergeblichen Anstrengungen gearbeitet, und nachdem sie sich in Formen erschoͤpft hatten, die kein dauerndes Leben haben konnten, noch viele andre erzeugt worden waͤren, die zwar lebten, aber untergehn mußten, weil es ihnen an der Kraft fehlte sich fortzupflanzen. Die sich selbst bildende Kraft der Menschheit steht noch auf dieser Stufe. Wenige leben, und die meisten unter diesen haben nur ein vergaͤngliches Daseyn. Wenn sie ihr Jch in einem gluͤcklichen Moment gefunden haben, so fehlt es ihnen doch an der Kraft es aus sich selbst wieder zu erzeugen. Der Tod ist ihr gewoͤhnlicher Zustand, und wenn sie einmal leben, glauben sie in eine andre Welt entzuͤckt zu seyn.

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/292>, abgerufen am 25.11.2024.