Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Wie in der Vision des Propheten würde auf einmal das unendliche Feld zerstückter Menschenglieder lebendig werden. Es giebt Menschen, die kein Jnteresse an sich selbst nehmen. Einige, weil sie überhaupt keines, auch nicht an andern, fähig sind. Andere, weil sie ihres gleichmäßigen Fortschreitens sicher sind, und weil ihre selbstbildende Kraft keiner reflektirenden Theilnahme mehr bedarf, weil hier Freyheit in allen ihren höchsten und schönsten Aeußerungen gleichsam Natur geworden ist. So berührt sich auch hier in der Erscheinung das Niedrigste und das Erhabenste. Unter den Menschen, die mit der Zeit fortgehn, giebt es manche, welche, wie die fortlaufenden Kommentare, bey den schwierigen Stellen nicht still stehn wollen. Gott ist nach Leibnitz wirklich, weil nichts seine Möglichkeit verhindert. Jn dieser Rücksicht ist Leibnitzens Philosophie recht gottähnlich. Dafür ist das Zeitalter noch nicht reif, sagen sie immer. Soll es deswegen unterbleiben? -- Was noch nicht seyn kann, muß wenigstens immer im Werden bleiben. Wenn Welt der Jnbegriff desjenigen ist, was sich dynamisch afficirt, so wird es der gebildete Wie in der Vision des Propheten wuͤrde auf einmal das unendliche Feld zerstuͤckter Menschenglieder lebendig werden. Es giebt Menschen, die kein Jnteresse an sich selbst nehmen. Einige, weil sie uͤberhaupt keines, auch nicht an andern, faͤhig sind. Andere, weil sie ihres gleichmaͤßigen Fortschreitens sicher sind, und weil ihre selbstbildende Kraft keiner reflektirenden Theilnahme mehr bedarf, weil hier Freyheit in allen ihren hoͤchsten und schoͤnsten Aeußerungen gleichsam Natur geworden ist. So beruͤhrt sich auch hier in der Erscheinung das Niedrigste und das Erhabenste. Unter den Menschen, die mit der Zeit fortgehn, giebt es manche, welche, wie die fortlaufenden Kommentare, bey den schwierigen Stellen nicht still stehn wollen. Gott ist nach Leibnitz wirklich, weil nichts seine Moͤglichkeit verhindert. Jn dieser Ruͤcksicht ist Leibnitzens Philosophie recht gottaͤhnlich. Dafuͤr ist das Zeitalter noch nicht reif, sagen sie immer. Soll es deswegen unterbleiben? — Was noch nicht seyn kann, muß wenigstens immer im Werden bleiben. Wenn Welt der Jnbegriff desjenigen ist, was sich dynamisch afficirt, so wird es der gebildete <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0283" n="94"/> Wie in der Vision des Propheten wuͤrde auf einmal das unendliche Feld zerstuͤckter Menschenglieder lebendig werden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Es giebt Menschen, die kein Jnteresse an sich selbst nehmen. Einige, weil sie uͤberhaupt keines, auch nicht an andern, faͤhig sind. Andere, weil sie ihres gleichmaͤßigen Fortschreitens sicher sind, und weil ihre selbstbildende Kraft keiner reflektirenden Theilnahme mehr bedarf, weil hier Freyheit in allen ihren hoͤchsten und schoͤnsten Aeußerungen gleichsam Natur geworden ist. So beruͤhrt sich auch hier in der Erscheinung das Niedrigste und das Erhabenste.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Unter den Menschen, die mit der Zeit fortgehn, giebt es manche, welche, wie die fortlaufenden Kommentare, bey den schwierigen Stellen nicht still stehn wollen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Gott ist nach Leibnitz wirklich, weil nichts seine Moͤglichkeit verhindert. Jn dieser Ruͤcksicht ist Leibnitzens Philosophie recht gottaͤhnlich.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Dafuͤr ist das Zeitalter noch nicht reif, sagen sie immer. Soll es deswegen unterbleiben? — Was noch nicht seyn kann, muß wenigstens immer im Werden bleiben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Wenn Welt der Jnbegriff desjenigen ist, was sich dynamisch afficirt, so wird es der gebildete<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0283]
Wie in der Vision des Propheten wuͤrde auf einmal das unendliche Feld zerstuͤckter Menschenglieder lebendig werden.
Es giebt Menschen, die kein Jnteresse an sich selbst nehmen. Einige, weil sie uͤberhaupt keines, auch nicht an andern, faͤhig sind. Andere, weil sie ihres gleichmaͤßigen Fortschreitens sicher sind, und weil ihre selbstbildende Kraft keiner reflektirenden Theilnahme mehr bedarf, weil hier Freyheit in allen ihren hoͤchsten und schoͤnsten Aeußerungen gleichsam Natur geworden ist. So beruͤhrt sich auch hier in der Erscheinung das Niedrigste und das Erhabenste.
Unter den Menschen, die mit der Zeit fortgehn, giebt es manche, welche, wie die fortlaufenden Kommentare, bey den schwierigen Stellen nicht still stehn wollen.
Gott ist nach Leibnitz wirklich, weil nichts seine Moͤglichkeit verhindert. Jn dieser Ruͤcksicht ist Leibnitzens Philosophie recht gottaͤhnlich.
Dafuͤr ist das Zeitalter noch nicht reif, sagen sie immer. Soll es deswegen unterbleiben? — Was noch nicht seyn kann, muß wenigstens immer im Werden bleiben.
Wenn Welt der Jnbegriff desjenigen ist, was sich dynamisch afficirt, so wird es der gebildete
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