Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.stimmen, zu einem Werke frey sich zu vereinigen scheinen. Wenn wir von der Außenwelt sprechen, wenn wir wirkliche Gegenstände schildern, so verfahren wir wie das Genie. Ohne Genialität existirten wir alle überhaupt nicht. Genie ist zu allem nöthig. Was man aber gewöhnlich Genie nennt, ist Genie des Genie's. Der Geist führt einen ewigen Selbstbeweis. Der transcendentale Gesichtspunkt für dieses Leben erwartet uns. Dort wird es uns erst recht bedeutend werden. Das Leben eines wahrhaft kanonischen Menschen muß durchgehends symbolisch seyn. Wäre unter dieser Voraussetzung nicht jeder Tod ein Versöhnungstod? Mehr oder weniger versteht sich; und ließen sich nicht mehre höchst merkwürdige Folgerungen daraus ziehen? Nur dann zeige ich, daß ich einen Schriftsteller verstanden habe, wenn ich in seinem Geiste handeln kann; wenn ich ihn, ohne seine Jndividualität zu schmälern, übersetzen und mannichfach verändern kann. Wir sind dem Aufwachen nah, wenn wir träumen daß wir träumen. Ächt geselliger Witz ist ohne Knall. Es giebt eine Art desselben, die nur magisches Farbenspiel in höhern Sphären ist. stimmen, zu einem Werke frey sich zu vereinigen scheinen. Wenn wir von der Außenwelt sprechen, wenn wir wirkliche Gegenstaͤnde schildern, so verfahren wir wie das Genie. Ohne Genialitaͤt existirten wir alle uͤberhaupt nicht. Genie ist zu allem noͤthig. Was man aber gewoͤhnlich Genie nennt, ist Genie des Genie's. Der Geist fuͤhrt einen ewigen Selbstbeweis. Der transcendentale Gesichtspunkt fuͤr dieses Leben erwartet uns. Dort wird es uns erst recht bedeutend werden. Das Leben eines wahrhaft kanonischen Menschen muß durchgehends symbolisch seyn. Waͤre unter dieser Voraussetzung nicht jeder Tod ein Versoͤhnungstod? Mehr oder weniger versteht sich; und ließen sich nicht mehre hoͤchst merkwuͤrdige Folgerungen daraus ziehen? Nur dann zeige ich, daß ich einen Schriftsteller verstanden habe, wenn ich in seinem Geiste handeln kann; wenn ich ihn, ohne seine Jndividualitaͤt zu schmaͤlern, uͤbersetzen und mannichfach veraͤndern kann. Wir sind dem Aufwachen nah, wenn wir traͤumen daß wir traͤumen. Ächt geselliger Witz ist ohne Knall. Es giebt eine Art desselben, die nur magisches Farbenspiel in hoͤhern Sphaͤren ist. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0267" n="78"/> stimmen, zu einem Werke frey sich zu vereinigen scheinen. Wenn wir von der Außenwelt sprechen, wenn wir wirkliche Gegenstaͤnde schildern, so verfahren wir wie das Genie. Ohne Genialitaͤt existirten wir alle uͤberhaupt nicht. Genie ist zu allem noͤthig. Was man aber gewoͤhnlich Genie nennt, ist Genie des Genie's.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Der Geist fuͤhrt einen ewigen Selbstbeweis.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Der transcendentale Gesichtspunkt fuͤr dieses Leben erwartet uns. Dort wird es uns erst recht bedeutend werden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Das Leben eines wahrhaft kanonischen Menschen muß durchgehends symbolisch seyn. Waͤre unter dieser Voraussetzung nicht jeder Tod ein Versoͤhnungstod? Mehr oder weniger versteht sich; und ließen sich nicht mehre hoͤchst merkwuͤrdige Folgerungen daraus ziehen?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Nur dann zeige ich, daß ich einen Schriftsteller verstanden habe, wenn ich in seinem Geiste handeln kann; wenn ich ihn, ohne seine Jndividualitaͤt zu schmaͤlern, uͤbersetzen und mannichfach veraͤndern kann.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Wir sind dem Aufwachen nah, wenn wir traͤumen daß wir traͤumen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ächt geselliger Witz ist ohne Knall. Es giebt eine Art desselben, die nur magisches Farbenspiel in hoͤhern Sphaͤren ist.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0267]
stimmen, zu einem Werke frey sich zu vereinigen scheinen. Wenn wir von der Außenwelt sprechen, wenn wir wirkliche Gegenstaͤnde schildern, so verfahren wir wie das Genie. Ohne Genialitaͤt existirten wir alle uͤberhaupt nicht. Genie ist zu allem noͤthig. Was man aber gewoͤhnlich Genie nennt, ist Genie des Genie's.
Der Geist fuͤhrt einen ewigen Selbstbeweis.
Der transcendentale Gesichtspunkt fuͤr dieses Leben erwartet uns. Dort wird es uns erst recht bedeutend werden.
Das Leben eines wahrhaft kanonischen Menschen muß durchgehends symbolisch seyn. Waͤre unter dieser Voraussetzung nicht jeder Tod ein Versoͤhnungstod? Mehr oder weniger versteht sich; und ließen sich nicht mehre hoͤchst merkwuͤrdige Folgerungen daraus ziehen?
Nur dann zeige ich, daß ich einen Schriftsteller verstanden habe, wenn ich in seinem Geiste handeln kann; wenn ich ihn, ohne seine Jndividualitaͤt zu schmaͤlern, uͤbersetzen und mannichfach veraͤndern kann.
Wir sind dem Aufwachen nah, wenn wir traͤumen daß wir traͤumen.
Ächt geselliger Witz ist ohne Knall. Es giebt eine Art desselben, die nur magisches Farbenspiel in hoͤhern Sphaͤren ist.
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/267>, abgerufen am 29.06.2024. |