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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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indessen kommen mit buchstäblicher Genauigkeit wieder. Es ist als sey der Geist des Mummius, der seine Kennerschaft an den Korinthischen Kunstschätzen so gewaltig übte, jetzt von den Todten auferstanden.



Wenn man sich nicht durch Künstlernamen und gelehrte Anspielungen blenden läßt, so findet man bey alten und neuen Dichtern den Sinn für bildende Kunst seltner als man erwarten sollte. Pindar kann vor allen der plastische unter den Dichtern heißen, und der zarte Styl der alten Vasengemählde erinnert an seine Dorische Weichheit und süße Pracht. Propertius, der in acht Zeilen eben so viel Künstler charakterisiren konnte, ist eine Ausnahme unter den Römern. Dante zeigt durch seine Behandlung des Sichtbaren große Mahleranlagen, doch hat er mehr Bestimmtheit der Zeichnung als Perspektive. Es fehlte ihm an Gegenständen, diesen Sinn zu üben: denn die neuere Kunst war damals in ihrer Kindheit, die alte lag noch im Grabe. Aber was brauchte der von Mahlern zu lernen, von dem Michel Angelo lernen konnte? Jm Ariost trifft man auf starke Spuren, daß er im blühendsten Zeitalter der Mahlerey lebte, sein Geschmack daran hat ihn bey Schilderung der Schönheit manchmal über die Gränzen der Poesie fortgerissen. Bey Goethen ist dieß nie der Fall. Er macht die bildenden Künste manchmal zum Gegenstande seiner Dichtungen, außerdem ist ihre Erwähnung darin niemals angebracht, oder herbey gezogen. Die Fülle des ruhigen Besitzers drängt sich nicht an den Tag,

indessen kommen mit buchstaͤblicher Genauigkeit wieder. Es ist als sey der Geist des Mummius, der seine Kennerschaft an den Korinthischen Kunstschaͤtzen so gewaltig uͤbte, jetzt von den Todten auferstanden.



Wenn man sich nicht durch Kuͤnstlernamen und gelehrte Anspielungen blenden laͤßt, so findet man bey alten und neuen Dichtern den Sinn fuͤr bildende Kunst seltner als man erwarten sollte. Pindar kann vor allen der plastische unter den Dichtern heißen, und der zarte Styl der alten Vasengemaͤhlde erinnert an seine Dorische Weichheit und suͤße Pracht. Propertius, der in acht Zeilen eben so viel Kuͤnstler charakterisiren konnte, ist eine Ausnahme unter den Roͤmern. Dante zeigt durch seine Behandlung des Sichtbaren große Mahleranlagen, doch hat er mehr Bestimmtheit der Zeichnung als Perspektive. Es fehlte ihm an Gegenstaͤnden, diesen Sinn zu uͤben: denn die neuere Kunst war damals in ihrer Kindheit, die alte lag noch im Grabe. Aber was brauchte der von Mahlern zu lernen, von dem Michel Angelo lernen konnte? Jm Ariost trifft man auf starke Spuren, daß er im bluͤhendsten Zeitalter der Mahlerey lebte, sein Geschmack daran hat ihn bey Schilderung der Schoͤnheit manchmal uͤber die Graͤnzen der Poesie fortgerissen. Bey Goethen ist dieß nie der Fall. Er macht die bildenden Kuͤnste manchmal zum Gegenstande seiner Dichtungen, außerdem ist ihre Erwaͤhnung darin niemals angebracht, oder herbey gezogen. Die Fuͤlle des ruhigen Besitzers draͤngt sich nicht an den Tag,

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[50/0239] indessen kommen mit buchstaͤblicher Genauigkeit wieder. Es ist als sey der Geist des Mummius, der seine Kennerschaft an den Korinthischen Kunstschaͤtzen so gewaltig uͤbte, jetzt von den Todten auferstanden. Wenn man sich nicht durch Kuͤnstlernamen und gelehrte Anspielungen blenden laͤßt, so findet man bey alten und neuen Dichtern den Sinn fuͤr bildende Kunst seltner als man erwarten sollte. Pindar kann vor allen der plastische unter den Dichtern heißen, und der zarte Styl der alten Vasengemaͤhlde erinnert an seine Dorische Weichheit und suͤße Pracht. Propertius, der in acht Zeilen eben so viel Kuͤnstler charakterisiren konnte, ist eine Ausnahme unter den Roͤmern. Dante zeigt durch seine Behandlung des Sichtbaren große Mahleranlagen, doch hat er mehr Bestimmtheit der Zeichnung als Perspektive. Es fehlte ihm an Gegenstaͤnden, diesen Sinn zu uͤben: denn die neuere Kunst war damals in ihrer Kindheit, die alte lag noch im Grabe. Aber was brauchte der von Mahlern zu lernen, von dem Michel Angelo lernen konnte? Jm Ariost trifft man auf starke Spuren, daß er im bluͤhendsten Zeitalter der Mahlerey lebte, sein Geschmack daran hat ihn bey Schilderung der Schoͤnheit manchmal uͤber die Graͤnzen der Poesie fortgerissen. Bey Goethen ist dieß nie der Fall. Er macht die bildenden Kuͤnste manchmal zum Gegenstande seiner Dichtungen, außerdem ist ihre Erwaͤhnung darin niemals angebracht, oder herbey gezogen. Die Fuͤlle des ruhigen Besitzers draͤngt sich nicht an den Tag,

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/239>, abgerufen am 24.11.2024.