Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Wenn Bürgern ein neues Buch von der Art vorkam, die einen weder kalt noch warm macht, so pflegte er zu sagen: es verdiene in der Bibliothek der schönen Wissenschaften gepriesen zu werden. Sollte die Poesie nicht unter andern auch deswegen die höchste und würdigste aller Künste seyn, weil nur in ihr Dramen möglich sind? Wenn man einmal aus Psychologie Romane schreibt oder Romane liest, so ist es sehr inkonsequent, und klein, auch die langsamste und ausführlichste Zergliederung unnatürlicher Lüste, gräßlicher Marter, empörender Jnfamie, ekelhafter sinnlicher oder geistiger Jmpotenz scheuen zu wollen. Vielleicht würde eine ganz neue Epoche der Wissenschaften und Künste beginnen, wenn die Symphilosophie und Sympoesie so allgemein und so innig würde, daß es nichts seltnes mehr wäre, wenn mehre sich gegenseitig ergänzende Naturen gemeinschaftliche Werke bildeten. Oft kann man sich des Gedankens nicht erwehren, zwey Geister möchten eigentlich zusammengehören, wie getrennte Hälften, und nur verbunden alles seyn, was sie könnten. Gäbe es eine Kunst, Jndividuen zu verschmelzen, oder könnte die wünschende Kritik etwas mehr als wünschen, wozu sie überall so viel Veranlassung findet, so möchte ich Jean Paul und Peter Leberecht kombinirt sehen. Grade alles, was jenem fehlt, hat dieser. Jean Wenn Buͤrgern ein neues Buch von der Art vorkam, die einen weder kalt noch warm macht, so pflegte er zu sagen: es verdiene in der Bibliothek der schoͤnen Wissenschaften gepriesen zu werden. Sollte die Poesie nicht unter andern auch deswegen die hoͤchste und wuͤrdigste aller Kuͤnste seyn, weil nur in ihr Dramen moͤglich sind? Wenn man einmal aus Psychologie Romane schreibt oder Romane liest, so ist es sehr inkonsequent, und klein, auch die langsamste und ausfuͤhrlichste Zergliederung unnatuͤrlicher Luͤste, graͤßlicher Marter, empoͤrender Jnfamie, ekelhafter sinnlicher oder geistiger Jmpotenz scheuen zu wollen. Vielleicht wuͤrde eine ganz neue Epoche der Wissenschaften und Kuͤnste beginnen, wenn die Symphilosophie und Sympoesie so allgemein und so innig wuͤrde, daß es nichts seltnes mehr waͤre, wenn mehre sich gegenseitig ergaͤnzende Naturen gemeinschaftliche Werke bildeten. Oft kann man sich des Gedankens nicht erwehren, zwey Geister moͤchten eigentlich zusammengehoͤren, wie getrennte Haͤlften, und nur verbunden alles seyn, was sie koͤnnten. Gaͤbe es eine Kunst, Jndividuen zu verschmelzen, oder koͤnnte die wuͤnschende Kritik etwas mehr als wuͤnschen, wozu sie uͤberall so viel Veranlassung findet, so moͤchte ich Jean Paul und Peter Leberecht kombinirt sehen. Grade alles, was jenem fehlt, hat dieser. Jean <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0222" n="33"/> <p>Wenn Buͤrgern ein neues Buch von der Art vorkam, die einen weder kalt noch warm macht, so pflegte er zu sagen: es verdiene in der Bibliothek der schoͤnen Wissenschaften gepriesen zu werden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Sollte die Poesie nicht unter andern auch deswegen die hoͤchste und wuͤrdigste aller Kuͤnste seyn, weil nur in ihr Dramen moͤglich sind?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Wenn man einmal aus Psychologie Romane schreibt oder Romane liest, so ist es sehr inkonsequent, und klein, auch die langsamste und ausfuͤhrlichste Zergliederung unnatuͤrlicher Luͤste, graͤßlicher Marter, empoͤrender Jnfamie, ekelhafter sinnlicher oder geistiger Jmpotenz scheuen zu wollen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Vielleicht wuͤrde eine ganz neue Epoche der Wissenschaften und Kuͤnste beginnen, wenn die Symphilosophie und Sympoesie so allgemein und so innig wuͤrde, daß es nichts seltnes mehr waͤre, wenn mehre sich gegenseitig ergaͤnzende Naturen gemeinschaftliche Werke bildeten. Oft kann man sich des Gedankens nicht erwehren, zwey Geister moͤchten eigentlich zusammengehoͤren, wie getrennte Haͤlften, und nur verbunden alles seyn, was sie koͤnnten. Gaͤbe es eine Kunst, Jndividuen zu verschmelzen, oder koͤnnte die wuͤnschende Kritik etwas mehr als wuͤnschen, wozu sie uͤberall so viel Veranlassung findet, so moͤchte ich Jean Paul und Peter Leberecht kombinirt sehen. Grade alles, was jenem fehlt, hat dieser. Jean<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [33/0222]
Wenn Buͤrgern ein neues Buch von der Art vorkam, die einen weder kalt noch warm macht, so pflegte er zu sagen: es verdiene in der Bibliothek der schoͤnen Wissenschaften gepriesen zu werden.
Sollte die Poesie nicht unter andern auch deswegen die hoͤchste und wuͤrdigste aller Kuͤnste seyn, weil nur in ihr Dramen moͤglich sind?
Wenn man einmal aus Psychologie Romane schreibt oder Romane liest, so ist es sehr inkonsequent, und klein, auch die langsamste und ausfuͤhrlichste Zergliederung unnatuͤrlicher Luͤste, graͤßlicher Marter, empoͤrender Jnfamie, ekelhafter sinnlicher oder geistiger Jmpotenz scheuen zu wollen.
Vielleicht wuͤrde eine ganz neue Epoche der Wissenschaften und Kuͤnste beginnen, wenn die Symphilosophie und Sympoesie so allgemein und so innig wuͤrde, daß es nichts seltnes mehr waͤre, wenn mehre sich gegenseitig ergaͤnzende Naturen gemeinschaftliche Werke bildeten. Oft kann man sich des Gedankens nicht erwehren, zwey Geister moͤchten eigentlich zusammengehoͤren, wie getrennte Haͤlften, und nur verbunden alles seyn, was sie koͤnnten. Gaͤbe es eine Kunst, Jndividuen zu verschmelzen, oder koͤnnte die wuͤnschende Kritik etwas mehr als wuͤnschen, wozu sie uͤberall so viel Veranlassung findet, so moͤchte ich Jean Paul und Peter Leberecht kombinirt sehen. Grade alles, was jenem fehlt, hat dieser. Jean
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/222>, abgerufen am 28.07.2024. |