Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.man ihren Verkündigungen über ihn den Schwäbischen Dialekt aufrückt. Dieß sind ungefähr die Schalkheiten, die sich unter dem ehrsamen Titel Volksmährchen (Böcke unter den Schafen) eingedrängt haben. Kann ihnen die unbesonnene Leichtigkeit, womit sie in die Welt gesprungen sind, keine Verzeihung auswirken; scheinen sie vielmehr wegen des jugendlichen Talents, das noch viel dergleichen befürchten läßt, doppelt bedenklich, so wird man sie wenigstens über der kindlichen Unbefangenheit, womit die übrigen Stücke behandelt sind, vergessen. Man erkennt in allen dieselbe Hand, aber gewiß nicht an der Einförmigkeit der Manier. Der Dichter bestrebt sich vielmehr überall den Ton des Gegenstandes zu halten, und er trifft ihn gewöhnlich mit der Sicherheit einer unabsichtlichen Richtung. Deswegen konnte er aus der Geschichte von den Heymons Kindern, in zwanzig altfränkischen Bildern, nichts anders machen wollen als einen poetischen Holzschnitt. Die genaue Beobachtung der Perspektive muß man einem solchen schon erlassen; aber in den eckichten und groben Umrissen dieser kolossalen Figuren dürfte leicht mehr Natur und Karakter seyn, als in der Kritik eines Kunstrichters, der sie unnatürlich und karakterlos nennt, ihre Erdichtung der Unwissenheit und dem Aberwitz zuschreibt, und das Ganze vornehm in die Jahrmarktsbuden zurückweist. Man sollte sich doch hüten, in einem prosaischen Zeitalter ehrliche alte Volkssagen so schnöde anzulassen, denen es, wie unförmlich sie auch sonst seyn man ihren Verkuͤndigungen uͤber ihn den Schwaͤbischen Dialekt aufruͤckt. Dieß sind ungefaͤhr die Schalkheiten, die sich unter dem ehrsamen Titel Volksmaͤhrchen (Boͤcke unter den Schafen) eingedraͤngt haben. Kann ihnen die unbesonnene Leichtigkeit, womit sie in die Welt gesprungen sind, keine Verzeihung auswirken; scheinen sie vielmehr wegen des jugendlichen Talents, das noch viel dergleichen befuͤrchten laͤßt, doppelt bedenklich, so wird man sie wenigstens uͤber der kindlichen Unbefangenheit, womit die uͤbrigen Stuͤcke behandelt sind, vergessen. Man erkennt in allen dieselbe Hand, aber gewiß nicht an der Einfoͤrmigkeit der Manier. Der Dichter bestrebt sich vielmehr uͤberall den Ton des Gegenstandes zu halten, und er trifft ihn gewoͤhnlich mit der Sicherheit einer unabsichtlichen Richtung. Deswegen konnte er aus der Geschichte von den Heymons Kindern, in zwanzig altfraͤnkischen Bildern, nichts anders machen wollen als einen poetischen Holzschnitt. Die genaue Beobachtung der Perspektive muß man einem solchen schon erlassen; aber in den eckichten und groben Umrissen dieser kolossalen Figuren duͤrfte leicht mehr Natur und Karakter seyn, als in der Kritik eines Kunstrichters, der sie unnatuͤrlich und karakterlos nennt, ihre Erdichtung der Unwissenheit und dem Aberwitz zuschreibt, und das Ganze vornehm in die Jahrmarktsbuden zuruͤckweist. Man sollte sich doch huͤten, in einem prosaischen Zeitalter ehrliche alte Volkssagen so schnoͤde anzulassen, denen es, wie unfoͤrmlich sie auch sonst seyn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0181" n="170"/> man ihren Verkuͤndigungen uͤber ihn den Schwaͤbischen Dialekt aufruͤckt.</p><lb/> <p>Dieß sind ungefaͤhr die Schalkheiten, die sich unter dem ehrsamen Titel Volksmaͤhrchen (Boͤcke unter den Schafen) eingedraͤngt haben. Kann ihnen die unbesonnene Leichtigkeit, womit sie in die Welt gesprungen sind, keine Verzeihung auswirken; scheinen sie vielmehr wegen des jugendlichen Talents, das noch viel dergleichen befuͤrchten laͤßt, doppelt bedenklich, so wird man sie wenigstens uͤber der kindlichen Unbefangenheit, womit die uͤbrigen Stuͤcke behandelt sind, vergessen. Man erkennt in allen dieselbe Hand, aber gewiß nicht an der Einfoͤrmigkeit der Manier. Der Dichter bestrebt sich vielmehr uͤberall den Ton des Gegenstandes zu halten, und er trifft ihn gewoͤhnlich mit der Sicherheit einer unabsichtlichen Richtung. Deswegen konnte er aus der <hi rendition="#g">Geschichte von den Heymons Kindern, in zwanzig altfraͤnkischen Bildern</hi>, nichts anders machen wollen als einen poetischen Holzschnitt. Die genaue Beobachtung der Perspektive muß man einem solchen schon erlassen; aber in den eckichten und groben Umrissen dieser kolossalen Figuren duͤrfte leicht mehr Natur und Karakter seyn, als in der Kritik eines Kunstrichters, der sie unnatuͤrlich und karakterlos nennt, ihre Erdichtung der Unwissenheit und dem Aberwitz zuschreibt, und das Ganze vornehm in die Jahrmarktsbuden zuruͤckweist. Man sollte sich doch huͤten, in einem prosaischen Zeitalter ehrliche alte Volkssagen so schnoͤde anzulassen, denen es, wie unfoͤrmlich sie auch sonst seyn<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [170/0181]
man ihren Verkuͤndigungen uͤber ihn den Schwaͤbischen Dialekt aufruͤckt.
Dieß sind ungefaͤhr die Schalkheiten, die sich unter dem ehrsamen Titel Volksmaͤhrchen (Boͤcke unter den Schafen) eingedraͤngt haben. Kann ihnen die unbesonnene Leichtigkeit, womit sie in die Welt gesprungen sind, keine Verzeihung auswirken; scheinen sie vielmehr wegen des jugendlichen Talents, das noch viel dergleichen befuͤrchten laͤßt, doppelt bedenklich, so wird man sie wenigstens uͤber der kindlichen Unbefangenheit, womit die uͤbrigen Stuͤcke behandelt sind, vergessen. Man erkennt in allen dieselbe Hand, aber gewiß nicht an der Einfoͤrmigkeit der Manier. Der Dichter bestrebt sich vielmehr uͤberall den Ton des Gegenstandes zu halten, und er trifft ihn gewoͤhnlich mit der Sicherheit einer unabsichtlichen Richtung. Deswegen konnte er aus der Geschichte von den Heymons Kindern, in zwanzig altfraͤnkischen Bildern, nichts anders machen wollen als einen poetischen Holzschnitt. Die genaue Beobachtung der Perspektive muß man einem solchen schon erlassen; aber in den eckichten und groben Umrissen dieser kolossalen Figuren duͤrfte leicht mehr Natur und Karakter seyn, als in der Kritik eines Kunstrichters, der sie unnatuͤrlich und karakterlos nennt, ihre Erdichtung der Unwissenheit und dem Aberwitz zuschreibt, und das Ganze vornehm in die Jahrmarktsbuden zuruͤckweist. Man sollte sich doch huͤten, in einem prosaischen Zeitalter ehrliche alte Volkssagen so schnoͤde anzulassen, denen es, wie unfoͤrmlich sie auch sonst seyn
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