Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.
Leberecht, sind von dieser Art: doch scheinen sie bis jetzt nicht mit der Aufmerksamkeit bewillkommt worden zu seyn, auf die eine so gefällige Erscheinung wohl rechnen dürfte, wenn es nicht gar wenige gäbe, welche in der Dichtung nur die Dichtung suchen. Ob dieß letzte daher rührt, daß die Urheber derselben ihre Unabhängigkeit so selten zu behaupten wissen, oder ob der Mangel an reinem Sinn dafür genöthigt hat, zu fremden Hülfsmitteln seine Zuflucht zu nehmen, um Eingang zu finden, will ich hier nicht untersuchen. Allein gewiß ist es, daß vieles, was für Poesie gegeben und genommen wird, durch etwas ganz anders sein Glück macht. Wie man guten Seelen immer die Gewalt der Liebe ans Herz legt, haben wir eben gesehen; andre und mitunter berühmte Männer sind in dem Falle, daß die Lüsternheit bey ihnen ein nothwendiges Jngrediens zu einem Gedicht ist, ohne welches sie sich gar nicht getrauen es schmackhaft zu machen. Gegentheils können andre die Tugend niemals los werden, und ergießen ihr Bächlein, da gute Lehre und Warnung innen fleußt, hinter dem Dichterlande vorbey, um die Äcker der Pädagogik und Aszetik zu wässern. Die Unschuld einer Muse, welche weder ein bloß leidenschaftliches Jnteresse zu erregen sucht, noch dem gröberen Sinne schmeichelt, noch moralischen Zwecken fröhnt, kann daher leicht als Unbedeutendheit misverstanden werden. Und in der That ist es auch eine nähere Beziehung auf die Wirklichkeit, was unter diesen Volksmährchen vorzüglich den gestiefelten Kater mehr in Umlauf gebracht,
Leberecht, sind von dieser Art: doch scheinen sie bis jetzt nicht mit der Aufmerksamkeit bewillkommt worden zu seyn, auf die eine so gefaͤllige Erscheinung wohl rechnen duͤrfte, wenn es nicht gar wenige gaͤbe, welche in der Dichtung nur die Dichtung suchen. Ob dieß letzte daher ruͤhrt, daß die Urheber derselben ihre Unabhaͤngigkeit so selten zu behaupten wissen, oder ob der Mangel an reinem Sinn dafuͤr genoͤthigt hat, zu fremden Huͤlfsmitteln seine Zuflucht zu nehmen, um Eingang zu finden, will ich hier nicht untersuchen. Allein gewiß ist es, daß vieles, was fuͤr Poesie gegeben und genommen wird, durch etwas ganz anders sein Gluͤck macht. Wie man guten Seelen immer die Gewalt der Liebe ans Herz legt, haben wir eben gesehen; andre und mitunter beruͤhmte Maͤnner sind in dem Falle, daß die Luͤsternheit bey ihnen ein nothwendiges Jngrediens zu einem Gedicht ist, ohne welches sie sich gar nicht getrauen es schmackhaft zu machen. Gegentheils koͤnnen andre die Tugend niemals los werden, und ergießen ihr Baͤchlein, da gute Lehre und Warnung innen fleußt, hinter dem Dichterlande vorbey, um die Äcker der Paͤdagogik und Aszetik zu waͤssern. Die Unschuld einer Muse, welche weder ein bloß leidenschaftliches Jnteresse zu erregen sucht, noch dem groͤberen Sinne schmeichelt, noch moralischen Zwecken froͤhnt, kann daher leicht als Unbedeutendheit misverstanden werden. Und in der That ist es auch eine naͤhere Beziehung auf die Wirklichkeit, was unter diesen Volksmaͤhrchen vorzuͤglich den gestiefelten Kater mehr in Umlauf gebracht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0179" n="168"/> Leberecht</hi>, sind von dieser Art: doch scheinen sie bis jetzt nicht mit der Aufmerksamkeit bewillkommt worden zu seyn, auf die eine so gefaͤllige Erscheinung wohl rechnen duͤrfte, wenn es nicht gar wenige gaͤbe, welche in der Dichtung nur die Dichtung suchen. Ob dieß letzte daher ruͤhrt, daß die Urheber derselben ihre Unabhaͤngigkeit so selten zu behaupten wissen, oder ob der Mangel an reinem Sinn dafuͤr genoͤthigt hat, zu fremden Huͤlfsmitteln seine Zuflucht zu nehmen, um Eingang zu finden, will ich hier nicht untersuchen. Allein gewiß ist es, daß vieles, was fuͤr Poesie gegeben und genommen wird, durch etwas ganz anders sein Gluͤck macht. Wie man guten Seelen immer die Gewalt der Liebe ans Herz legt, haben wir eben gesehen; andre und mitunter beruͤhmte Maͤnner sind in dem Falle, daß die Luͤsternheit bey ihnen ein nothwendiges Jngrediens zu einem Gedicht ist, ohne welches sie sich gar nicht getrauen es schmackhaft zu machen. Gegentheils koͤnnen andre die Tugend niemals los werden, und ergießen ihr Baͤchlein, da gute Lehre und Warnung innen fleußt, hinter dem Dichterlande vorbey, um die Äcker der Paͤdagogik und Aszetik zu waͤssern. Die Unschuld einer Muse, welche weder ein bloß leidenschaftliches Jnteresse zu erregen sucht, noch dem groͤberen Sinne schmeichelt, noch moralischen Zwecken froͤhnt, kann daher leicht als Unbedeutendheit misverstanden werden. Und in der That ist es auch eine naͤhere Beziehung auf die Wirklichkeit, was unter diesen Volksmaͤhrchen vorzuͤglich den <hi rendition="#g">gestiefelten Kater</hi> mehr in Umlauf gebracht,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [168/0179]
Leberecht, sind von dieser Art: doch scheinen sie bis jetzt nicht mit der Aufmerksamkeit bewillkommt worden zu seyn, auf die eine so gefaͤllige Erscheinung wohl rechnen duͤrfte, wenn es nicht gar wenige gaͤbe, welche in der Dichtung nur die Dichtung suchen. Ob dieß letzte daher ruͤhrt, daß die Urheber derselben ihre Unabhaͤngigkeit so selten zu behaupten wissen, oder ob der Mangel an reinem Sinn dafuͤr genoͤthigt hat, zu fremden Huͤlfsmitteln seine Zuflucht zu nehmen, um Eingang zu finden, will ich hier nicht untersuchen. Allein gewiß ist es, daß vieles, was fuͤr Poesie gegeben und genommen wird, durch etwas ganz anders sein Gluͤck macht. Wie man guten Seelen immer die Gewalt der Liebe ans Herz legt, haben wir eben gesehen; andre und mitunter beruͤhmte Maͤnner sind in dem Falle, daß die Luͤsternheit bey ihnen ein nothwendiges Jngrediens zu einem Gedicht ist, ohne welches sie sich gar nicht getrauen es schmackhaft zu machen. Gegentheils koͤnnen andre die Tugend niemals los werden, und ergießen ihr Baͤchlein, da gute Lehre und Warnung innen fleußt, hinter dem Dichterlande vorbey, um die Äcker der Paͤdagogik und Aszetik zu waͤssern. Die Unschuld einer Muse, welche weder ein bloß leidenschaftliches Jnteresse zu erregen sucht, noch dem groͤberen Sinne schmeichelt, noch moralischen Zwecken froͤhnt, kann daher leicht als Unbedeutendheit misverstanden werden. Und in der That ist es auch eine naͤhere Beziehung auf die Wirklichkeit, was unter diesen Volksmaͤhrchen vorzuͤglich den gestiefelten Kater mehr in Umlauf gebracht,
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/179>, abgerufen am 16.02.2025. |