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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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um solch ein Gesichtchen war, daß eben jedermann zusagte, weil nichts darin zu lesen war, als was jedermann versteht. Seine Schriftstellerey ist recht sichtlich die unerzogne "Tochter der Natur," und es wäre sehr zu wünschen, daß das Dargestellte bey ihm (unter andern der dramatische Versuch jenes Namens) eben so viel Natur an sich haben möchte.

Kann denn aber wohl etwas unnatürlicher, und zugleich unsittlicher seyn, als seine Kinderliebschaften? Er nimmt ohne weiteres an, daß das erste, was sich im Menschen regt, das Jnteresse des einen Geschlechtes für das andre ist. Wenn ein so frühes Verhältniß Statt findet, so lehrt die Erfahrung wenigstens, daß es sich zuerst als Abneigung offenbart. Man wird unter Kindern häufig Absonderungen der Knaben und Mädchen wahrnehmen. Oder hätten besondre Gewohnheiten und Antriebe dergleichen Bündnisse gestiftet, so trennt eine nachmalige verschiedne Bildung sie eben so oft wieder, als sie glücklich oder unglücklich für beyde Theile Bestand behalten. Lafontaine impft der gesunden Natur durch seine Voraussetzung eine Reizbarkeit ein, die ihr fremd ist. Wäre es erst dahin gekommen, daß Kinder bey einer körperlichen Berührung so heftig empfänden wie Lissow und Käthe im Flaming, da er ihr die Hand zum Schreiben lernen führt, so würde ihre Jugend dem Verwelken näher wie dem Reifen seyn, und Eltern und Aufseher billig die Schuld davon tragen. Wenn die Unschuld wie die zarte Blume einer "Schneeflocke ist, die ein Hauch verzehrt," (Flaming) so muß sie bey

um solch ein Gesichtchen war, daß eben jedermann zusagte, weil nichts darin zu lesen war, als was jedermann versteht. Seine Schriftstellerey ist recht sichtlich die unerzogne „Tochter der Natur,“ und es waͤre sehr zu wuͤnschen, daß das Dargestellte bey ihm (unter andern der dramatische Versuch jenes Namens) eben so viel Natur an sich haben moͤchte.

Kann denn aber wohl etwas unnatuͤrlicher, und zugleich unsittlicher seyn, als seine Kinderliebschaften? Er nimmt ohne weiteres an, daß das erste, was sich im Menschen regt, das Jnteresse des einen Geschlechtes fuͤr das andre ist. Wenn ein so fruͤhes Verhaͤltniß Statt findet, so lehrt die Erfahrung wenigstens, daß es sich zuerst als Abneigung offenbart. Man wird unter Kindern haͤufig Absonderungen der Knaben und Maͤdchen wahrnehmen. Oder haͤtten besondre Gewohnheiten und Antriebe dergleichen Buͤndnisse gestiftet, so trennt eine nachmalige verschiedne Bildung sie eben so oft wieder, als sie gluͤcklich oder ungluͤcklich fuͤr beyde Theile Bestand behalten. Lafontaine impft der gesunden Natur durch seine Voraussetzung eine Reizbarkeit ein, die ihr fremd ist. Waͤre es erst dahin gekommen, daß Kinder bey einer koͤrperlichen Beruͤhrung so heftig empfaͤnden wie Lissow und Kaͤthe im Flaming, da er ihr die Hand zum Schreiben lernen fuͤhrt, so wuͤrde ihre Jugend dem Verwelken naͤher wie dem Reifen seyn, und Eltern und Aufseher billig die Schuld davon tragen. Wenn die Unschuld wie die zarte Blume einer „Schneeflocke ist, die ein Hauch verzehrt,“ (Flaming) so muß sie bey

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[155/0166] um solch ein Gesichtchen war, daß eben jedermann zusagte, weil nichts darin zu lesen war, als was jedermann versteht. Seine Schriftstellerey ist recht sichtlich die unerzogne „Tochter der Natur,“ und es waͤre sehr zu wuͤnschen, daß das Dargestellte bey ihm (unter andern der dramatische Versuch jenes Namens) eben so viel Natur an sich haben moͤchte. Kann denn aber wohl etwas unnatuͤrlicher, und zugleich unsittlicher seyn, als seine Kinderliebschaften? Er nimmt ohne weiteres an, daß das erste, was sich im Menschen regt, das Jnteresse des einen Geschlechtes fuͤr das andre ist. Wenn ein so fruͤhes Verhaͤltniß Statt findet, so lehrt die Erfahrung wenigstens, daß es sich zuerst als Abneigung offenbart. Man wird unter Kindern haͤufig Absonderungen der Knaben und Maͤdchen wahrnehmen. Oder haͤtten besondre Gewohnheiten und Antriebe dergleichen Buͤndnisse gestiftet, so trennt eine nachmalige verschiedne Bildung sie eben so oft wieder, als sie gluͤcklich oder ungluͤcklich fuͤr beyde Theile Bestand behalten. Lafontaine impft der gesunden Natur durch seine Voraussetzung eine Reizbarkeit ein, die ihr fremd ist. Waͤre es erst dahin gekommen, daß Kinder bey einer koͤrperlichen Beruͤhrung so heftig empfaͤnden wie Lissow und Kaͤthe im Flaming, da er ihr die Hand zum Schreiben lernen fuͤhrt, so wuͤrde ihre Jugend dem Verwelken naͤher wie dem Reifen seyn, und Eltern und Aufseher billig die Schuld davon tragen. Wenn die Unschuld wie die zarte Blume einer „Schneeflocke ist, die ein Hauch verzehrt,“ (Flaming) so muß sie bey

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/166>, abgerufen am 23.11.2024.