Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

flechten. Sie spart die Blumen nicht und liebt auch hier den geschwätzigen Überfluß, wie die weiche Empfindung selbst, deren schöner Ausdruck sie seyn will. Alles was dazu mitwirken kann, mag es sich noch so sorglos im Lustwandeln zu verirren scheinen, geht doch grade zum Ziel und kann in ihr nicht eigentlich Episode genannt werden.

Auf diesem Wege hatte sich auch die klagende und tröstende Elegie des Antimachos über den Tod seiner geliebten Lyde zu einem Werke von weitem Umfang entfaltet: und nach einigen Bruchstücken zu urtheilen enthielt auch die größte Elegie des Mimnermos auf seine geliebte Nanno viel alte Sage.

Auf eine ähnliche Weise führt Hermesianax in dem merkwürdigsten aller elegischen Bruchstücke seiner Freundin Leontion, nach welcher eine Sammlung seiner Elegien in drey Büchern benannt ward, das Beyspiel der größten Dichter und Denker in der einfachsten Ordnung an, indem er das Schönste und Eigenthümlichste von dem, was die Poesie oder die Geschichte über die berühmtesten Leidenschaften erzählte und darbot, mit leichter Hand hervorhebt, und bedeutsam und zierlich ausbildet; mit einer Fülle von Geist und Dichtung, die gedrängt ist, und doch leicht, zart und flüchtig.

So anziehend das kostbare Stück dem Liebhaber der Poesie und des Schönen durch seine unbeschreibliche Anmuth, und dem Freund der alten Geschichte durch die Menge interessanter Anspielungen und Andeutungen ist, so merkwürdig ist es denen, welche die

flechten. Sie spart die Blumen nicht und liebt auch hier den geschwaͤtzigen Überfluß, wie die weiche Empfindung selbst, deren schoͤner Ausdruck sie seyn will. Alles was dazu mitwirken kann, mag es sich noch so sorglos im Lustwandeln zu verirren scheinen, geht doch grade zum Ziel und kann in ihr nicht eigentlich Episode genannt werden.

Auf diesem Wege hatte sich auch die klagende und troͤstende Elegie des Antimachos uͤber den Tod seiner geliebten Lyde zu einem Werke von weitem Umfang entfaltet: und nach einigen Bruchstuͤcken zu urtheilen enthielt auch die groͤßte Elegie des Mimnermos auf seine geliebte Nanno viel alte Sage.

Auf eine aͤhnliche Weise fuͤhrt Hermesianax in dem merkwuͤrdigsten aller elegischen Bruchstuͤcke seiner Freundin Leontion, nach welcher eine Sammlung seiner Elegien in drey Buͤchern benannt ward, das Beyspiel der groͤßten Dichter und Denker in der einfachsten Ordnung an, indem er das Schoͤnste und Eigenthuͤmlichste von dem, was die Poesie oder die Geschichte uͤber die beruͤhmtesten Leidenschaften erzaͤhlte und darbot, mit leichter Hand hervorhebt, und bedeutsam und zierlich ausbildet; mit einer Fuͤlle von Geist und Dichtung, die gedraͤngt ist, und doch leicht, zart und fluͤchtig.

So anziehend das kostbare Stuͤck dem Liebhaber der Poesie und des Schoͤnen durch seine unbeschreibliche Anmuth, und dem Freund der alten Geschichte durch die Menge interessanter Anspielungen und Andeutungen ist, so merkwuͤrdig ist es denen, welche die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0127" n="116"/>
flechten. Sie spart die Blumen nicht und liebt auch hier den geschwa&#x0364;tzigen Überfluß, wie die weiche Empfindung selbst, deren scho&#x0364;ner Ausdruck sie seyn will. Alles was dazu mitwirken kann, mag es sich noch so sorglos im Lustwandeln zu verirren scheinen, geht doch grade zum Ziel und kann in ihr nicht eigentlich Episode genannt werden.</p><lb/>
            <p>Auf diesem Wege hatte sich auch die klagende und tro&#x0364;stende Elegie des Antimachos u&#x0364;ber den Tod seiner geliebten Lyde zu einem Werke von weitem Umfang entfaltet: und nach einigen Bruchstu&#x0364;cken zu urtheilen enthielt auch die gro&#x0364;ßte Elegie des Mimnermos auf seine geliebte Nanno viel alte Sage.</p><lb/>
            <p>Auf eine a&#x0364;hnliche Weise fu&#x0364;hrt Hermesianax in dem merkwu&#x0364;rdigsten aller elegischen Bruchstu&#x0364;cke seiner Freundin Leontion, nach welcher eine Sammlung seiner Elegien in drey Bu&#x0364;chern benannt ward, das Beyspiel der gro&#x0364;ßten Dichter und Denker in der einfachsten Ordnung an, indem er das Scho&#x0364;nste und Eigenthu&#x0364;mlichste von dem, was die Poesie oder die Geschichte u&#x0364;ber die beru&#x0364;hmtesten Leidenschaften erza&#x0364;hlte und darbot, mit leichter Hand hervorhebt, und bedeutsam und zierlich ausbildet; mit einer Fu&#x0364;lle von Geist und Dichtung, die gedra&#x0364;ngt ist, und doch leicht, zart und flu&#x0364;chtig.</p><lb/>
            <p>So anziehend das kostbare Stu&#x0364;ck dem Liebhaber der Poesie und des Scho&#x0364;nen durch seine unbeschreibliche Anmuth, und dem Freund der alten Geschichte durch die Menge interessanter Anspielungen und Andeutungen ist, so merkwu&#x0364;rdig ist es denen, welche die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0127] flechten. Sie spart die Blumen nicht und liebt auch hier den geschwaͤtzigen Überfluß, wie die weiche Empfindung selbst, deren schoͤner Ausdruck sie seyn will. Alles was dazu mitwirken kann, mag es sich noch so sorglos im Lustwandeln zu verirren scheinen, geht doch grade zum Ziel und kann in ihr nicht eigentlich Episode genannt werden. Auf diesem Wege hatte sich auch die klagende und troͤstende Elegie des Antimachos uͤber den Tod seiner geliebten Lyde zu einem Werke von weitem Umfang entfaltet: und nach einigen Bruchstuͤcken zu urtheilen enthielt auch die groͤßte Elegie des Mimnermos auf seine geliebte Nanno viel alte Sage. Auf eine aͤhnliche Weise fuͤhrt Hermesianax in dem merkwuͤrdigsten aller elegischen Bruchstuͤcke seiner Freundin Leontion, nach welcher eine Sammlung seiner Elegien in drey Buͤchern benannt ward, das Beyspiel der groͤßten Dichter und Denker in der einfachsten Ordnung an, indem er das Schoͤnste und Eigenthuͤmlichste von dem, was die Poesie oder die Geschichte uͤber die beruͤhmtesten Leidenschaften erzaͤhlte und darbot, mit leichter Hand hervorhebt, und bedeutsam und zierlich ausbildet; mit einer Fuͤlle von Geist und Dichtung, die gedraͤngt ist, und doch leicht, zart und fluͤchtig. So anziehend das kostbare Stuͤck dem Liebhaber der Poesie und des Schoͤnen durch seine unbeschreibliche Anmuth, und dem Freund der alten Geschichte durch die Menge interessanter Anspielungen und Andeutungen ist, so merkwuͤrdig ist es denen, welche die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/127
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/127>, abgerufen am 24.11.2024.