Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schirmer, David: Erstes Poetische Rosen-Gepüsche. Halle, 1650.

Bild:
<< vorherige Seite

seyn sollen/ die Rosenblätter unserer Jugend
so gar verwelcken zu lassen. Man sehe nur die
unvernünftige Vogel an/ ob sie allezeit trau-
rig und voller Grillen seyn mögen? Man se-
he sie nur an/ wie sie/ als der Liebe gleichgear-
tete Kinder/ in jhren grünen Sommerläuben
üm die rauschenden Quellen die allerbesten
Poeten geben/ in dem sie jhr brünstigs Leiden
einander zuruffen/ bald jhrer Bulschaft er-
freuliche gegenwart belachen/ bald aber drauf
das schmertzliche abseyn beseufzen und bekla-
gen. Ein Roß/ das allezeit in den Wagen zur
schweren Arbeit getrieben wird/ tauret nicht
so lange/ als wenn es bißweilen zum Reiten
und anderer Kurtzweil gebrauchet wird. Ein
Lautenist spielet nicht stets traurige Padua-
nen und Mascaraden/ sondern er gebrauchet
[si]ch auch der tantzenden Couranten und Sa-
rabanden. Die Sonn und der Mond sind
nicht allezeit/ bey verursachter Finsterniß/ un-
ter den Wolcken verborgen/ sondern sie lassen
jhre liebliche Angesichte bißweilen sehen/ daß
man sich drüber erfreuen/ und in jhren schö-
nen Golde belustigen könne. Warum solte
sich ein warmer und hitziger Muth die Kälte
der Unfreundligkeit dämpfen und unterdrü-
cken lassen? Warüm solte er sich solcher an-
mutigen und ohne allen Nachtheil lieblichen
Ergetzung entschlagen? Warüm solte das

noch

ſeyn ſollen/ die Roſenblaͤtter unſerer Jugend
ſo gar verwelcken zu laſſen. Man ſehe nur die
unvernuͤnftige Vogel an/ ob ſie allezeit trau-
rig und voller Grillen ſeyn moͤgen? Man ſe-
he ſie nur an/ wie ſie/ als der Liebe gleichgear-
tete Kinder/ in jhren gruͤnen Sommerlaͤuben
uͤm die rauſchenden Quellen die allerbeſten
Poeten geben/ in dem ſie jhr bruͤnſtigs Leiden
einander zuruffen/ bald jhrer Bulſchaft er-
freuliche gegenwart belachen/ bald aber drauf
das ſchmertzliche abſeyn beſeufzen und bekla-
gen. Ein Roß/ das allezeit in den Wagen zur
ſchweren Arbeit getrieben wird/ tauret nicht
ſo lange/ als wenn es bißweilen zum Reiten
und anderer Kurtzweil gebrauchet wird. Ein
Lauteniſt ſpielet nicht ſtets traurige Padua-
nen und Maſcaraden/ ſondern er gebrauchet
[ſi]ch auch der tantzenden Couranten und Sa-
rabanden. Die Sonn und der Mond ſind
nicht allezeit/ bey verurſachter Finſterniß/ un-
ter den Wolcken verborgen/ ſondern ſie laſſen
jhre liebliche Angeſichte bißweilen ſehen/ daß
man ſich druͤber erfreuen/ und in jhren ſchoͤ-
nen Golde beluſtigen koͤnne. Warum ſolte
ſich ein warmer und hitziger Muth die Kaͤlte
der Unfreundligkeit daͤmpfen und unterdruͤ-
cken laſſen? Waruͤm ſolte er ſich ſolcher an-
mutigen und ohne allen Nachtheil lieblichen
Ergetzung entſchlagen? Waruͤm ſolte das

noch
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <p><pb facs="#f0019"/>
&#x017F;eyn &#x017F;ollen/ die Ro&#x017F;enbla&#x0364;tter un&#x017F;erer Jugend<lb/>
&#x017F;o gar verwelcken zu la&#x017F;&#x017F;en. Man &#x017F;ehe nur die<lb/>
unvernu&#x0364;nftige Vogel an/ ob &#x017F;ie allezeit trau-<lb/>
rig und voller Grillen &#x017F;eyn mo&#x0364;gen? Man &#x017F;e-<lb/>
he &#x017F;ie nur an/ wie &#x017F;ie/ als der Liebe gleichgear-<lb/>
tete Kinder/ in jhren gru&#x0364;nen Sommerla&#x0364;uben<lb/>
u&#x0364;m die rau&#x017F;chenden Quellen die allerbe&#x017F;ten<lb/>
Poeten geben/ in dem &#x017F;ie jhr bru&#x0364;n&#x017F;tigs Leiden<lb/>
einander zuruffen/ bald jhrer Bul&#x017F;chaft er-<lb/>
freuliche gegenwart belachen/ bald aber drauf<lb/>
das &#x017F;chmertzliche ab&#x017F;eyn be&#x017F;eufzen und bekla-<lb/>
gen. Ein Roß/ das allezeit in den Wagen zur<lb/>
&#x017F;chweren Arbeit getrieben wird/ tauret nicht<lb/>
&#x017F;o lange/ als wenn es bißweilen zum Reiten<lb/>
und anderer Kurtzweil gebrauchet wird. Ein<lb/>
Lauteni&#x017F;t &#x017F;pielet nicht &#x017F;tets traurige Padua-<lb/>
nen und Ma&#x017F;caraden/ &#x017F;ondern er gebrauchet<lb/><supplied>&#x017F;i</supplied>ch auch der tantzenden Couranten und Sa-<lb/>
rabanden. Die Sonn und der Mond &#x017F;ind<lb/>
nicht allezeit/ bey verur&#x017F;achter Fin&#x017F;terniß/ un-<lb/>
ter den Wolcken verborgen/ &#x017F;ondern &#x017F;ie la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
jhre liebliche Ange&#x017F;ichte bißweilen &#x017F;ehen/ daß<lb/>
man &#x017F;ich dru&#x0364;ber erfreuen/ und in jhren &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
nen Golde belu&#x017F;tigen ko&#x0364;nne. Warum &#x017F;olte<lb/>
&#x017F;ich ein warmer und hitziger Muth die Ka&#x0364;lte<lb/>
der <hi rendition="#aq">U</hi>nfreundligkeit da&#x0364;mpfen und unterdru&#x0364;-<lb/>
cken la&#x017F;&#x017F;en? Waru&#x0364;m &#x017F;olte er &#x017F;ich &#x017F;olcher an-<lb/>
mutigen und ohne allen Nachtheil lieblichen<lb/>
Ergetzung ent&#x017F;chlagen? Waru&#x0364;m &#x017F;olte das<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">noch</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0019] ſeyn ſollen/ die Roſenblaͤtter unſerer Jugend ſo gar verwelcken zu laſſen. Man ſehe nur die unvernuͤnftige Vogel an/ ob ſie allezeit trau- rig und voller Grillen ſeyn moͤgen? Man ſe- he ſie nur an/ wie ſie/ als der Liebe gleichgear- tete Kinder/ in jhren gruͤnen Sommerlaͤuben uͤm die rauſchenden Quellen die allerbeſten Poeten geben/ in dem ſie jhr bruͤnſtigs Leiden einander zuruffen/ bald jhrer Bulſchaft er- freuliche gegenwart belachen/ bald aber drauf das ſchmertzliche abſeyn beſeufzen und bekla- gen. Ein Roß/ das allezeit in den Wagen zur ſchweren Arbeit getrieben wird/ tauret nicht ſo lange/ als wenn es bißweilen zum Reiten und anderer Kurtzweil gebrauchet wird. Ein Lauteniſt ſpielet nicht ſtets traurige Padua- nen und Maſcaraden/ ſondern er gebrauchet ſich auch der tantzenden Couranten und Sa- rabanden. Die Sonn und der Mond ſind nicht allezeit/ bey verurſachter Finſterniß/ un- ter den Wolcken verborgen/ ſondern ſie laſſen jhre liebliche Angeſichte bißweilen ſehen/ daß man ſich druͤber erfreuen/ und in jhren ſchoͤ- nen Golde beluſtigen koͤnne. Warum ſolte ſich ein warmer und hitziger Muth die Kaͤlte der Unfreundligkeit daͤmpfen und unterdruͤ- cken laſſen? Waruͤm ſolte er ſich ſolcher an- mutigen und ohne allen Nachtheil lieblichen Ergetzung entſchlagen? Waruͤm ſolte das noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schirmer_rosengepuesche_1650
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schirmer_rosengepuesche_1650/19
Zitationshilfe: Schirmer, David: Erstes Poetische Rosen-Gepüsche. Halle, 1650, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schirmer_rosengepuesche_1650/19>, abgerufen am 11.12.2024.