Schiller, Friedrich: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? (Antrittsvorlesung in Jena, 26. 5. 1789 ). Jena, 1789.bracht haben. Aus der Geschichte erst werden Sie bracht haben. Aus der Geſchichte erſt werden Sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0034" n="32"/> bracht haben. Aus der Geſchichte erſt werden Sie<lb/> lernen, einen Werth auf die Guͤter legen, denen Ge-<lb/> wohnheit und unangefochtener Beſitz ſo gern unſre<lb/> Dankbarkeit rauben: koſtbare theure Guͤter, an denen<lb/> das Blut der Beſten und Edelſten klebt, die durch<lb/> die ſchwere Arbeit ſo vieler Generationen haben errun-<lb/> gen werden muͤſſen! Und welcher unter Ihnen, bey<lb/> dem ſich ein heller Geiſt mit einem empfindenden Her-<lb/> zen gattet, koͤnnte dieſer hohen Verpflichtung ein-<lb/> gedenk ſeyn, ohne daß ſich ein ſtiller Wunſch in ihm<lb/> regte, an das kommende Geſchlecht die Schuld zu<lb/> entrichten, die er dem vergangenen nicht mehr abtra-<lb/> gen kann? Ein edles Verlangen muß in uns entgluͤ-<lb/> hen, zu dem reichen Vermaͤchtniß von Wahrheit, Sitt-<lb/> lichkeit und Freyheit, das wir von der Vorwelt uͤberka-<lb/> men und reich vermehrt an die Folgewelt wieder ab-<lb/> geben muͤſſen, auch aus unſern Mitteln einen Bey-<lb/> trag zu legen, und an dieſer unvergaͤnglichen Kette,<lb/> die durch alle Menſchengeſchlechter ſich windet, unſer flie-<lb/> hendes Daſeyn zu befeſtigen. Wie verſchieden auch<lb/> die Beſtimmung ſey, die in der buͤrgerlichen Geſell-<lb/> ſchaft Sie erwartet — etwas dazu ſteuern koͤnnen Sie<lb/> alle! Jedem Verdienſt iſt eine Bahn zur Unſterblichkeit<lb/> aufgethan, zu der wahren Unſterblichkeit meyne ich,<lb/> wo die That lebt und weiter eilt, <choice><sic>wennn</sic><corr>wenn</corr></choice> auch der Nah-<lb/> me ihres Urhebers hinter ihr zuruͤckbleiben ſollte.</p> </div><lb/> </body> <back> </back> </text> </TEI> [32/0034]
bracht haben. Aus der Geſchichte erſt werden Sie
lernen, einen Werth auf die Guͤter legen, denen Ge-
wohnheit und unangefochtener Beſitz ſo gern unſre
Dankbarkeit rauben: koſtbare theure Guͤter, an denen
das Blut der Beſten und Edelſten klebt, die durch
die ſchwere Arbeit ſo vieler Generationen haben errun-
gen werden muͤſſen! Und welcher unter Ihnen, bey
dem ſich ein heller Geiſt mit einem empfindenden Her-
zen gattet, koͤnnte dieſer hohen Verpflichtung ein-
gedenk ſeyn, ohne daß ſich ein ſtiller Wunſch in ihm
regte, an das kommende Geſchlecht die Schuld zu
entrichten, die er dem vergangenen nicht mehr abtra-
gen kann? Ein edles Verlangen muß in uns entgluͤ-
hen, zu dem reichen Vermaͤchtniß von Wahrheit, Sitt-
lichkeit und Freyheit, das wir von der Vorwelt uͤberka-
men und reich vermehrt an die Folgewelt wieder ab-
geben muͤſſen, auch aus unſern Mitteln einen Bey-
trag zu legen, und an dieſer unvergaͤnglichen Kette,
die durch alle Menſchengeſchlechter ſich windet, unſer flie-
hendes Daſeyn zu befeſtigen. Wie verſchieden auch
die Beſtimmung ſey, die in der buͤrgerlichen Geſell-
ſchaft Sie erwartet — etwas dazu ſteuern koͤnnen Sie
alle! Jedem Verdienſt iſt eine Bahn zur Unſterblichkeit
aufgethan, zu der wahren Unſterblichkeit meyne ich,
wo die That lebt und weiter eilt, wenn auch der Nah-
me ihres Urhebers hinter ihr zuruͤckbleiben ſollte.
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? (Antrittsvorlesung in Jena, 26. 5. 1789 ). Jena, 1789, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_universalgeschichte_1789/34>, abgerufen am 16.02.2025. |