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Schiller, Friedrich: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? (Antrittsvorlesung in Jena, 26. 5. 1789 ). Jena, 1789.

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ker, zum gebildeten Weltmann hinaufstieg? -- Die
allgemeine Weltgeschichte giebt Antwort auf diese
Frage.

So unermeßlich ungleich zeigt sich uns das nemli-
che Volk auf dem nemlichen Landstriche, wenn wir es
in verschiedenen Zeiträumen anschauen! Nicht weniger
auffallend ist der Unterschied, den uns das gleichzeitige
Geschlecht, aber in verschiedenen Ländern, darbie-
tet. Welche Mannigfaltigkeit in Gebräuchen, Ver-
fassungen und Sitten! Welcher rasche Wechsel von Fin-
sterniß und Licht, von Anarchie und Ordnung, von
Glückseligkeit und Elend, wenn wir den Menschen
auch nur in dem kleinen Welttheil Europa aufsuchen!
Frey an der Themse, und für diese Freyheit sein eige-
ner Schuldner; hier unbezwingbar zwischen seinen Al-
pen, dort zwischen seinen Kunstflüssen und Sümpfen
unüberwunden. An der Weichsel kraftlos und elend
durch seine Zwietracht; jenseits der Pyrenäen durch
seine Ruhe kraftlos und elend. Wohlhabend und ge-
segnet in Amsterdam ohne Aernte; dürftig und unglück-
lich an des Ebro unbenutztem Paradiese. Hier zwey
entlegene Völker durch ein Weltmeer getrennt, und zu
Nachbarn gemacht durch Bedürfniß, Kunstfleiß und
politische Bande; dort die Anwohner Eines Stroms
durch eine andere Liturgie unermeßlich geschieden! Was
führte Spaniens Macht über den atlantischen Ocean in
das Herz von Amerika, und nicht einmal über den
Tajo und Guadiana hinüber? Was erhielt in Italien
und Teutschland so viele Thronen, und ließ in Frankreich

alle,

ker, zum gebildeten Weltmann hinaufſtieg? — Die
allgemeine Weltgeſchichte giebt Antwort auf dieſe
Frage.

So unermeßlich ungleich zeigt ſich uns das nemli-
che Volk auf dem nemlichen Landſtriche, wenn wir es
in verſchiedenen Zeitraͤumen anſchauen! Nicht weniger
auffallend iſt der Unterſchied, den uns das gleichzeitige
Geſchlecht, aber in verſchiedenen Laͤndern, darbie-
tet. Welche Mannigfaltigkeit in Gebraͤuchen, Ver-
faſſungen und Sitten! Welcher raſche Wechſel von Fin-
ſterniß und Licht, von Anarchie und Ordnung, von
Gluͤckſeligkeit und Elend, wenn wir den Menſchen
auch nur in dem kleinen Welttheil Europa aufſuchen!
Frey an der Themſe, und fuͤr dieſe Freyheit ſein eige-
ner Schuldner; hier unbezwingbar zwiſchen ſeinen Al-
pen, dort zwiſchen ſeinen Kunſtfluͤſſen und Suͤmpfen
unuͤberwunden. An der Weichſel kraftlos und elend
durch ſeine Zwietracht; jenſeits der Pyrenaͤen durch
ſeine Ruhe kraftlos und elend. Wohlhabend und ge-
ſegnet in Amſterdam ohne Aernte; duͤrftig und ungluͤck-
lich an des Ebro unbenutztem Paradieſe. Hier zwey
entlegene Voͤlker durch ein Weltmeer getrennt, und zu
Nachbarn gemacht durch Beduͤrfniß, Kunſtfleiß und
politiſche Bande; dort die Anwohner Eines Stroms
durch eine andere Liturgie unermeßlich geſchieden! Was
fuͤhrte Spaniens Macht uͤber den atlantiſchen Ocean in
das Herz von Amerika, und nicht einmal uͤber den
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[18/0020] ker, zum gebildeten Weltmann hinaufſtieg? — Die allgemeine Weltgeſchichte giebt Antwort auf dieſe Frage. So unermeßlich ungleich zeigt ſich uns das nemli- che Volk auf dem nemlichen Landſtriche, wenn wir es in verſchiedenen Zeitraͤumen anſchauen! Nicht weniger auffallend iſt der Unterſchied, den uns das gleichzeitige Geſchlecht, aber in verſchiedenen Laͤndern, darbie- tet. Welche Mannigfaltigkeit in Gebraͤuchen, Ver- faſſungen und Sitten! Welcher raſche Wechſel von Fin- ſterniß und Licht, von Anarchie und Ordnung, von Gluͤckſeligkeit und Elend, wenn wir den Menſchen auch nur in dem kleinen Welttheil Europa aufſuchen! Frey an der Themſe, und fuͤr dieſe Freyheit ſein eige- ner Schuldner; hier unbezwingbar zwiſchen ſeinen Al- pen, dort zwiſchen ſeinen Kunſtfluͤſſen und Suͤmpfen unuͤberwunden. An der Weichſel kraftlos und elend durch ſeine Zwietracht; jenſeits der Pyrenaͤen durch ſeine Ruhe kraftlos und elend. Wohlhabend und ge- ſegnet in Amſterdam ohne Aernte; duͤrftig und ungluͤck- lich an des Ebro unbenutztem Paradieſe. Hier zwey entlegene Voͤlker durch ein Weltmeer getrennt, und zu Nachbarn gemacht durch Beduͤrfniß, Kunſtfleiß und politiſche Bande; dort die Anwohner Eines Stroms durch eine andere Liturgie unermeßlich geſchieden! Was fuͤhrte Spaniens Macht uͤber den atlantiſchen Ocean in das Herz von Amerika, und nicht einmal uͤber den Tajo und Guadiana hinuͤber? Was erhielt in Italien und Teutſchland ſo viele Thronen, und ließ in Frankreich alle,

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? (Antrittsvorlesung in Jena, 26. 5. 1789 ). Jena, 1789, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_universalgeschichte_1789/20>, abgerufen am 24.11.2024.