Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804. Fischer Zu zielen auf des eignen Kindes Haupt, Solches ward keinem Vater noch geboten! Und die Natur soll nicht in wildem Grimm Sich drob empören -- O mich solls nicht wundern, Wenn sich die Felsen bücken in den See, Wenn jene Zacken, jene Eisesthürme, Die nie aufthauten seit dem Schöpfungstag, Von ihren hohen Kulmen niederschmelzen, Wenn die Berge brechen, wenn die alten Klüfte Einstürzen, eine zweite Sündfluth alle Wohnstätten der Lebendigen verschlingt! (man hört läuten) Knabe Hört ihr, sie läuten droben auf dem Berg, Gewiß hat man ein Schiff in Roth gesehn, Und zieht die Glocke, daß gebetet werde. (steigt auf eine Anhöhe) Fischer Wehe dem Fahrzeug, das jezt unterwegs, In dieser furchtbarn Wiege wird gewiegt! Fiſcher Zu zielen auf des eignen Kindes Haupt, Solches ward keinem Vater noch geboten! Und die Natur ſoll nicht in wildem Grimm Sich drob empoͤren — O mich ſolls nicht wundern, Wenn ſich die Felſen buͤcken in den See, Wenn jene Zacken, jene Eiſesthuͤrme, Die nie aufthauten ſeit dem Schoͤpfungstag, Von ihren hohen Kulmen niederſchmelzen, Wenn die Berge brechen, wenn die alten Kluͤfte Einſtuͤrzen, eine zweite Suͤndfluth alle Wohnſtaͤtten der Lebendigen verſchlingt! (man hört läuten) Knabe Hoͤrt ihr, ſie laͤuten droben auf dem Berg, Gewiß hat man ein Schiff in Roth geſehn, Und zieht die Glocke, daß gebetet werde. (ſteigt auf eine Anhöhe) Fiſcher Wehe dem Fahrzeug, das jezt unterwegs, In dieſer furchtbarn Wiege wird gewiegt! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0169" n="155"/> <sp who="#FIS"> <speaker> <hi rendition="#g">Fiſcher</hi> </speaker><lb/> <p>Zu zielen auf des eignen Kindes Haupt,<lb/> Solches ward keinem Vater noch geboten!<lb/> Und die Natur ſoll nicht in wildem Grimm<lb/> Sich drob empoͤren — O mich ſolls nicht wundern,<lb/> Wenn ſich die Felſen buͤcken in den See,<lb/> Wenn jene Zacken, jene Eiſesthuͤrme,<lb/> Die nie aufthauten ſeit dem Schoͤpfungstag,<lb/> Von ihren hohen Kulmen niederſchmelzen,<lb/> Wenn die Berge brechen, wenn die alten Kluͤfte<lb/> Einſtuͤrzen, eine zweite Suͤndfluth alle<lb/> Wohnſtaͤtten der Lebendigen verſchlingt!</p><lb/> <stage>(man hört läuten)</stage><lb/> </sp> <sp who="#KNA"> <speaker> <hi rendition="#g">Knabe</hi> </speaker><lb/> <p>Hoͤrt ihr, ſie laͤuten droben auf dem Berg,<lb/> Gewiß hat man ein Schiff in Roth geſehn,<lb/> Und zieht die Glocke, daß gebetet werde.</p><lb/> <stage>(ſteigt auf eine Anhöhe)</stage><lb/> </sp> <sp who="#FIS"> <speaker> <hi rendition="#g">Fiſcher</hi> </speaker><lb/> <p>Wehe dem Fahrzeug, das jezt unterwegs,<lb/> In dieſer furchtbarn Wiege wird gewiegt!<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [155/0169]
Fiſcher
Zu zielen auf des eignen Kindes Haupt,
Solches ward keinem Vater noch geboten!
Und die Natur ſoll nicht in wildem Grimm
Sich drob empoͤren — O mich ſolls nicht wundern,
Wenn ſich die Felſen buͤcken in den See,
Wenn jene Zacken, jene Eiſesthuͤrme,
Die nie aufthauten ſeit dem Schoͤpfungstag,
Von ihren hohen Kulmen niederſchmelzen,
Wenn die Berge brechen, wenn die alten Kluͤfte
Einſtuͤrzen, eine zweite Suͤndfluth alle
Wohnſtaͤtten der Lebendigen verſchlingt!
(man hört läuten)
Knabe
Hoͤrt ihr, ſie laͤuten droben auf dem Berg,
Gewiß hat man ein Schiff in Roth geſehn,
Und zieht die Glocke, daß gebetet werde.
(ſteigt auf eine Anhöhe)
Fiſcher
Wehe dem Fahrzeug, das jezt unterwegs,
In dieſer furchtbarn Wiege wird gewiegt!
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_tell_1804/169>, abgerufen am 16.02.2025. |