Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804.Der Sklave Oesterreichs, der sich dem Fremdling Verkauft, dem Unterdrücker seines Volks? Rudenz Von euch, mein Fräulein, hör' ich diesen Vorwurf? Wen such' ich denn, als Euch auf jener Seite? Bertha Mich denkt ihr auf der Seite des Verraths Zu finden? Eher wollt' ich meine Hand Dem Geßler selbst, dem Unterdrücker schenken, Als dem Naturvergeßnen Sohn der Schweiz, Der sich zu seinem Werkzeug machen kann! Rudenz O Gott, was muß ich hören! Bertha Wie? Was liegt Dem guten Menschen näher als die Seinen? Giebts schönre Pflichten für ein edles Herz, Als ein Vertheidiger der Unschuld seyn, Das Recht des Unterdrückten zu beschirmen? -- Die Seele blutet mir um euer Volk, Ich leide mit ihm, denn ich muß es lieben, Der Sklave Oeſterreichs, der ſich dem Fremdling Verkauft, dem Unterdruͤcker ſeines Volks? Rudenz Von euch, mein Fraͤulein, hoͤr’ ich dieſen Vorwurf? Wen ſuch’ ich denn, als Euch auf jener Seite? Bertha Mich denkt ihr auf der Seite des Verraths Zu finden? Eher wollt’ ich meine Hand Dem Geßler ſelbſt, dem Unterdruͤcker ſchenken, Als dem Naturvergeßnen Sohn der Schweiz, Der ſich zu ſeinem Werkzeug machen kann! Rudenz O Gott, was muß ich hoͤren! Bertha Wie? Was liegt Dem guten Menſchen naͤher als die Seinen? Giebts ſchoͤnre Pflichten fuͤr ein edles Herz, Als ein Vertheidiger der Unſchuld ſeyn, Das Recht des Unterdruͤckten zu beſchirmen? — Die Seele blutet mir um euer Volk, Ich leide mit ihm, denn ich muß es lieben, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#BER"> <pb facs="#f0128" n="114"/> <p>Der Sklave Oeſterreichs, der ſich dem Fremdling<lb/> Verkauft, dem Unterdruͤcker ſeines Volks?</p><lb/> </sp> <sp who="#RUD"> <speaker> <hi rendition="#g">Rudenz</hi> </speaker><lb/> <p>Von euch, mein Fraͤulein, hoͤr’ ich dieſen Vorwurf?<lb/> Wen ſuch’ ich denn, als Euch auf jener Seite?</p><lb/> </sp> <sp who="#BER"> <speaker> <hi rendition="#g">Bertha</hi> </speaker><lb/> <p>Mich denkt ihr auf der Seite des Verraths<lb/> Zu finden? Eher wollt’ ich meine Hand<lb/> Dem Geßler ſelbſt, dem Unterdruͤcker ſchenken,<lb/> Als dem Naturvergeßnen Sohn der Schweiz,<lb/> Der ſich zu ſeinem Werkzeug machen kann!</p><lb/> </sp> <sp who="#RUD"> <speaker> <hi rendition="#g">Rudenz</hi> </speaker><lb/> <p>O Gott, was muß ich hoͤren!</p><lb/> </sp> <sp who="#BER"> <speaker> <hi rendition="#g">Bertha</hi> </speaker><lb/> <p>Wie? Was liegt<lb/> Dem guten Menſchen naͤher als die Seinen?<lb/> Giebts ſchoͤnre Pflichten fuͤr ein edles Herz,<lb/> Als ein Vertheidiger der Unſchuld ſeyn,<lb/> Das Recht des Unterdruͤckten zu beſchirmen?<lb/> — Die Seele blutet mir um euer Volk,<lb/> Ich leide <hi rendition="#g">mit</hi> ihm, denn ich muß es lieben,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0128]
Der Sklave Oeſterreichs, der ſich dem Fremdling
Verkauft, dem Unterdruͤcker ſeines Volks?
Rudenz
Von euch, mein Fraͤulein, hoͤr’ ich dieſen Vorwurf?
Wen ſuch’ ich denn, als Euch auf jener Seite?
Bertha
Mich denkt ihr auf der Seite des Verraths
Zu finden? Eher wollt’ ich meine Hand
Dem Geßler ſelbſt, dem Unterdruͤcker ſchenken,
Als dem Naturvergeßnen Sohn der Schweiz,
Der ſich zu ſeinem Werkzeug machen kann!
Rudenz
O Gott, was muß ich hoͤren!
Bertha
Wie? Was liegt
Dem guten Menſchen naͤher als die Seinen?
Giebts ſchoͤnre Pflichten fuͤr ein edles Herz,
Als ein Vertheidiger der Unſchuld ſeyn,
Das Recht des Unterdruͤckten zu beſchirmen?
— Die Seele blutet mir um euer Volk,
Ich leide mit ihm, denn ich muß es lieben,
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell. Tübingen, 1804, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_tell_1804/128>, abgerufen am 25.07.2024. |