Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801. Mortimer. Wär er, wie ich, ein Zeuge eurer Leiden, Der Sanftmuth Zeuge und der edlen Fassung, Womit ihr das Unwürdige erduldet. Denn geht ihr nicht aus allen Leidensproben, Als eine Königin hervor? Raubt euch Des Kerkers Schmach von eurem Schönheitsglanze? Euch mangelt alles, was das Leben schmückt, Und doch umfließt euch ewig Licht und Leben. Nie setz' ich meinen Fuß auf diese Schwelle, Daß nicht mein Herz zerrissen wird von Qualen, Nicht von der Lust entzückt, euch anzuschauen! -- Doch furchtbar naht sich die Entscheidung, wachsend Mit jeder Stunde dringet die Gefahr, Ich darf nicht länger säumen -- Euch nicht länger Das Schreckliche verbergen -- Maria. Ist mein Urtheil Gefällt? Entdeckt mir's frei. Ich kann es hören. Mortimer. Es ist gefällt. Die zwey und vierzig Richter haben Ihr Schuldig ausgesprochen über euch. Das Haus Der Lords und der Gemeinen, die Stadt London Bestehen heftig dringend auf des Urtheils Vollstreckung, nur die Königin säumt noch, Mortimer. Waͤr er, wie ich, ein Zeuge eurer Leiden, Der Sanftmuth Zeuge und der edlen Faſſung, Womit ihr das Unwuͤrdige erduldet. Denn geht ihr nicht aus allen Leidensproben, Als eine Koͤnigin hervor? Raubt euch Des Kerkers Schmach von eurem Schoͤnheitsglanze? Euch mangelt alles, was das Leben ſchmuͤckt, Und doch umfließt euch ewig Licht und Leben. Nie ſetz' ich meinen Fuß auf dieſe Schwelle, Daß nicht mein Herz zerriſſen wird von Qualen, Nicht von der Luſt entzuͤckt, euch anzuſchauen! — Doch furchtbar naht ſich die Entſcheidung, wachſend Mit jeder Stunde dringet die Gefahr, Ich darf nicht laͤnger ſaͤumen — Euch nicht laͤnger Das Schreckliche verbergen — Maria. Iſt mein Urtheil Gefaͤllt? Entdeckt mir's frei. Ich kann es hoͤren. Mortimer. Es iſt gefaͤllt. Die zwey und vierzig Richter haben Ihr Schuldig ausgeſprochen uͤber euch. Das Haus Der Lords und der Gemeinen, die Stadt London Beſtehen heftig dringend auf des Urtheils Vollſtreckung, nur die Koͤnigin ſaͤumt noch, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0041" n="35"/> <sp who="#MOR"> <speaker><hi rendition="#g">Mortimer</hi>.</speaker><lb/> <p>Waͤr er, wie ich, ein Zeuge eurer Leiden,<lb/> Der Sanftmuth Zeuge und der edlen Faſſung,<lb/> Womit ihr das Unwuͤrdige erduldet.<lb/> Denn geht ihr nicht aus allen Leidensproben,<lb/> Als eine Koͤnigin hervor? Raubt euch<lb/> Des Kerkers Schmach von eurem Schoͤnheitsglanze?<lb/> Euch mangelt alles, was das Leben ſchmuͤckt,<lb/> Und doch umfließt euch ewig Licht und Leben.<lb/> Nie ſetz' ich meinen Fuß auf dieſe Schwelle,<lb/> Daß nicht mein Herz zerriſſen wird von Qualen,<lb/> Nicht von der Luſt entzuͤckt, euch anzuſchauen! —<lb/> Doch furchtbar naht ſich die Entſcheidung, wachſend<lb/> Mit jeder Stunde dringet die Gefahr,<lb/> Ich darf nicht laͤnger ſaͤumen — Euch nicht laͤnger<lb/> Das Schreckliche verbergen —</p><lb/> </sp> <sp who="#MARSTUA"> <speaker><hi rendition="#g">Maria</hi>.</speaker><lb/> <p>Iſt mein Urtheil<lb/> Gefaͤllt? Entdeckt mir's frei. Ich kann es hoͤren.</p><lb/> </sp> <sp who="#MOR"> <speaker><hi rendition="#g">Mortimer</hi>.</speaker><lb/> <p>Es iſt gefaͤllt. Die zwey und vierzig Richter haben<lb/> Ihr <hi rendition="#g">Schuldig</hi> ausgeſprochen uͤber euch. Das Haus<lb/> Der Lords und der Gemeinen, die Stadt London<lb/> Beſtehen heftig dringend auf des Urtheils<lb/> Vollſtreckung, nur die Koͤnigin ſaͤumt noch,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0041]
Mortimer.
Waͤr er, wie ich, ein Zeuge eurer Leiden,
Der Sanftmuth Zeuge und der edlen Faſſung,
Womit ihr das Unwuͤrdige erduldet.
Denn geht ihr nicht aus allen Leidensproben,
Als eine Koͤnigin hervor? Raubt euch
Des Kerkers Schmach von eurem Schoͤnheitsglanze?
Euch mangelt alles, was das Leben ſchmuͤckt,
Und doch umfließt euch ewig Licht und Leben.
Nie ſetz' ich meinen Fuß auf dieſe Schwelle,
Daß nicht mein Herz zerriſſen wird von Qualen,
Nicht von der Luſt entzuͤckt, euch anzuſchauen! —
Doch furchtbar naht ſich die Entſcheidung, wachſend
Mit jeder Stunde dringet die Gefahr,
Ich darf nicht laͤnger ſaͤumen — Euch nicht laͤnger
Das Schreckliche verbergen —
Maria.
Iſt mein Urtheil
Gefaͤllt? Entdeckt mir's frei. Ich kann es hoͤren.
Mortimer.
Es iſt gefaͤllt. Die zwey und vierzig Richter haben
Ihr Schuldig ausgeſprochen uͤber euch. Das Haus
Der Lords und der Gemeinen, die Stadt London
Beſtehen heftig dringend auf des Urtheils
Vollſtreckung, nur die Koͤnigin ſaͤumt noch,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/41 |
Zitationshilfe: | Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/41>, abgerufen am 25.07.2024. |