Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
Das eitle Herz ward zu dem Mann gezogen,
Der treulos mich verlassen und betrogen!

Melvil.
Bereuest du die Schuld, und hat dein Herz
Vom eiteln Abgott sich zu Gott gewendet?

Maria.
Es war der schwerste Kampf, den ich bestand,
Zerrissen ist das letzte ird'sche Band.

Melvil.
Welch andrer Schuld verklagt dich dein Gewissen?
Maria.
Ach, eine frühe Blutschuld, längst gebeichtet,
Sie kehrt zurück mit neuer Schreckenskraft,
Im Augenblick der letzten Rechenschaft,
Und wältzt sich schwarz mir vor des Himmels Pforten.
Den König, meinen Gatten, ließ ich morden,
Und dem Verführer schenkt' ich Herz und Hand!
Streng büßt' ichs ab mit allen Kirchenstrafen,
Doch in der Seele will der Wurm nicht schlafen.

Melvil.
Verklagt das Herz dich keiner andern Sünde,
Die du noch nicht gebeichtet und gebüßt?

Maria.
Jetzt weißt du alles, was mein Herz belastet.
Das eitle Herz ward zu dem Mann gezogen,
Der treulos mich verlaſſen und betrogen!

Melvil.
Bereueſt du die Schuld, und hat dein Herz
Vom eiteln Abgott ſich zu Gott gewendet?

Maria.
Es war der ſchwerſte Kampf, den ich beſtand,
Zerriſſen iſt das letzte ird'ſche Band.

Melvil.
Welch andrer Schuld verklagt dich dein Gewiſſen?
Maria.
Ach, eine fruͤhe Blutſchuld, laͤngſt gebeichtet,
Sie kehrt zuruͤck mit neuer Schreckenskraft,
Im Augenblick der letzten Rechenſchaft,
Und waͤltzt ſich ſchwarz mir vor des Himmels Pforten.
Den Koͤnig, meinen Gatten, ließ ich morden,
Und dem Verfuͤhrer ſchenkt' ich Herz und Hand!
Streng buͤßt' ichs ab mit allen Kirchenſtrafen,
Doch in der Seele will der Wurm nicht ſchlafen.

Melvil.
Verklagt das Herz dich keiner andern Suͤnde,
Die du noch nicht gebeichtet und gebuͤßt?

Maria.
Jetzt weißt du alles, was mein Herz belaſtet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#MARSTUA">
            <p><pb facs="#f0222" n="216"/>
Das eitle Herz ward zu dem Mann gezogen,<lb/>
Der treulos mich verla&#x017F;&#x017F;en und betrogen!</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MEL">
            <speaker><hi rendition="#g">Melvil</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Bereue&#x017F;t du die Schuld, und hat dein Herz<lb/>
Vom eiteln Abgott &#x017F;ich zu Gott gewendet?</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MARSTUA">
            <speaker><hi rendition="#g">Maria</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Es war der &#x017F;chwer&#x017F;te Kampf, den ich be&#x017F;tand,<lb/>
Zerri&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t das letzte ird'&#x017F;che Band.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MEL">
            <speaker><hi rendition="#g">Melvil</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Welch andrer Schuld verklagt dich dein Gewi&#x017F;&#x017F;en?</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MARSTUA">
            <speaker><hi rendition="#g">Maria</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Ach, eine fru&#x0364;he Blut&#x017F;chuld, la&#x0364;ng&#x017F;t gebeichtet,<lb/>
Sie kehrt zuru&#x0364;ck mit neuer Schreckenskraft,<lb/>
Im Augenblick der letzten Rechen&#x017F;chaft,<lb/>
Und wa&#x0364;ltzt &#x017F;ich &#x017F;chwarz mir vor des Himmels Pforten.<lb/>
Den Ko&#x0364;nig, meinen Gatten, ließ ich morden,<lb/>
Und dem Verfu&#x0364;hrer &#x017F;chenkt' ich Herz und Hand!<lb/>
Streng bu&#x0364;ßt' ichs ab mit allen Kirchen&#x017F;trafen,<lb/>
Doch in der Seele will der Wurm nicht &#x017F;chlafen.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MEL">
            <speaker><hi rendition="#g">Melvil</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Verklagt das Herz dich keiner andern Su&#x0364;nde,<lb/>
Die du noch nicht gebeichtet und gebu&#x0364;ßt?</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#MARSTUA">
            <speaker><hi rendition="#g">Maria</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Jetzt weißt du alles, was mein Herz bela&#x017F;tet.</p><lb/>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0222] Das eitle Herz ward zu dem Mann gezogen, Der treulos mich verlaſſen und betrogen! Melvil. Bereueſt du die Schuld, und hat dein Herz Vom eiteln Abgott ſich zu Gott gewendet? Maria. Es war der ſchwerſte Kampf, den ich beſtand, Zerriſſen iſt das letzte ird'ſche Band. Melvil. Welch andrer Schuld verklagt dich dein Gewiſſen? Maria. Ach, eine fruͤhe Blutſchuld, laͤngſt gebeichtet, Sie kehrt zuruͤck mit neuer Schreckenskraft, Im Augenblick der letzten Rechenſchaft, Und waͤltzt ſich ſchwarz mir vor des Himmels Pforten. Den Koͤnig, meinen Gatten, ließ ich morden, Und dem Verfuͤhrer ſchenkt' ich Herz und Hand! Streng buͤßt' ichs ab mit allen Kirchenſtrafen, Doch in der Seele will der Wurm nicht ſchlafen. Melvil. Verklagt das Herz dich keiner andern Suͤnde, Die du noch nicht gebeichtet und gebuͤßt? Maria. Jetzt weißt du alles, was mein Herz belaſtet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/222
Zitationshilfe: Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/222>, abgerufen am 26.11.2024.