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Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.

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Maria (mit steigendem Affekt).
Denkt an den Wechsel alles Menschlichen!
Es leben Götter, die den Hochmuth rächen!
Verehret, fürchtet sie, die schrecklichen,
Die mich zu euren Füßen niederstürzen --
Um dieser fremden Zeugen willen, ehrt
In mir euch selbst, entweihet, schändet nicht
Das Blut der Tudor, das in meinen Adern
Wie in den euren fließt -- O Gott im Himmel!
Steht nicht da, schroff und unzugänglich, wie
Die Felsenklippe, die der Strandende
Vergeblich ringend zu erfassen strebt.
Mein Alles hängt, mein Leben, mein Geschick,
An meiner Worte, meiner Thränen Kraft,
Lößt mir das Herz, daß ich das eure rühre!
Wenn ihr mich anschaut mit dem Eisesblick,
Schließt sich das Herz mir schaudernd zu, der Strom
Der Thränen stockt, und kaltes Grausen fesselt
Die Flehensworte mir im Busen an.

Elisabeth (kalt und streng).
Was habt ihr mir zu sagen, Lady Stuart?
Ihr habt mich sprechen wollen. Ich vergesse
Die Königin, die schwer beleidigte,
Die fromme Pflicht der Schwester zu erfüllen,
Und meines Anblicks Trost gewähr ich euch.
Maria (mit ſteigendem Affekt).
Denkt an den Wechſel alles Menſchlichen!
Es leben Goͤtter, die den Hochmuth raͤchen!
Verehret, fuͤrchtet ſie, die ſchrecklichen,
Die mich zu euren Fuͤßen niederſtuͤrzen —
Um dieſer fremden Zeugen willen, ehrt
In mir euch ſelbſt, entweihet, ſchaͤndet nicht
Das Blut der Tudor, das in meinen Adern
Wie in den euren fließt — O Gott im Himmel!
Steht nicht da, ſchroff und unzugaͤnglich, wie
Die Felſenklippe, die der Strandende
Vergeblich ringend zu erfaſſen ſtrebt.
Mein Alles haͤngt, mein Leben, mein Geſchick,
An meiner Worte, meiner Thraͤnen Kraft,
Loͤßt mir das Herz, daß ich das eure ruͤhre!
Wenn ihr mich anſchaut mit dem Eiſesblick,
Schließt ſich das Herz mir ſchaudernd zu, der Strom
Der Thraͤnen ſtockt, und kaltes Grauſen feſſelt
Die Flehensworte mir im Buſen an.

Eliſabeth (kalt und ſtreng).
Was habt ihr mir zu ſagen, Lady Stuart?
Ihr habt mich ſprechen wollen. Ich vergeſſe
Die Koͤnigin, die ſchwer beleidigte,
Die fromme Pflicht der Schweſter zu erfuͤllen,
Und meines Anblicks Troſt gewaͤhr ich euch.
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[128/0134] Maria (mit ſteigendem Affekt). Denkt an den Wechſel alles Menſchlichen! Es leben Goͤtter, die den Hochmuth raͤchen! Verehret, fuͤrchtet ſie, die ſchrecklichen, Die mich zu euren Fuͤßen niederſtuͤrzen — Um dieſer fremden Zeugen willen, ehrt In mir euch ſelbſt, entweihet, ſchaͤndet nicht Das Blut der Tudor, das in meinen Adern Wie in den euren fließt — O Gott im Himmel! Steht nicht da, ſchroff und unzugaͤnglich, wie Die Felſenklippe, die der Strandende Vergeblich ringend zu erfaſſen ſtrebt. Mein Alles haͤngt, mein Leben, mein Geſchick, An meiner Worte, meiner Thraͤnen Kraft, Loͤßt mir das Herz, daß ich das eure ruͤhre! Wenn ihr mich anſchaut mit dem Eiſesblick, Schließt ſich das Herz mir ſchaudernd zu, der Strom Der Thraͤnen ſtockt, und kaltes Grauſen feſſelt Die Flehensworte mir im Buſen an. Eliſabeth (kalt und ſtreng). Was habt ihr mir zu ſagen, Lady Stuart? Ihr habt mich ſprechen wollen. Ich vergeſſe Die Koͤnigin, die ſchwer beleidigte, Die fromme Pflicht der Schweſter zu erfuͤllen, Und meines Anblicks Troſt gewaͤhr ich euch.

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Zitationshilfe: Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/134>, abgerufen am 22.11.2024.