Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.Die Räuber, Amalia mit verweinten Augen.# D. a. Moor. Amalia! Botte des Himmels! Kommst du, meine Seele zu lösen? Amalia mit sanfterem Ton. Jhr habt einen herr- lichen Sohn verloren. D. a. Moor. Ermordet willst du sagen. Mit diesem Zeugnis belastet tret ich vor den Rich- terstuhl Gottes. Amalia. Nicht also, jammervoller Greis! der himmlische Vater rükt' ihn zu sich. Wir wären zu glücklich gewesen auf dieser Welt. -- Droben, droben über den Sonnen -- Wir sehn ihn wieder. D. a. Moor. Wiedersehen, wiedersehen! Oh es wird mir durch die Seele schneiden ein Schwerd -- Wenn ich ein Heiliger ih# unter den Heiligen fin- de -- mitten im Himmel werden durch mich schauern Schaner der Hölle! Jm Anscha#en des Unendlichen mich zermalmen die Erinnerung: Jch hab meinen Sohn ermordet! Amalia. Oh, er wird euch die Schmerz-Erin- nerung aus der Seele lächeln, seyd doch heiter, lieber Vater! ich bins so ganz. Hat er nicht schon den himmlischen Hörern den Namen Amalia vor- gesungen auf der seraphischen Harfe, und die himm- lischen Hörer lispelten leise ihn nach? Sein lezter Seufzer war ja, Amalia! wird nicht sein erster Jubel, Amalia! seyn? D. a. Moor. Himmlischer Trost quillt von dei- nen
Die Raͤuber, Amalia mit verweinten Augen.# D. a. Moor. Amalia! Botte des Himmels! Kommſt du, meine Seele zu loͤſen? Amalia mit ſanfterem Ton. Jhr habt einen herr- lichen Sohn verloren. D. a. Moor. Ermordet willſt du ſagen. Mit dieſem Zeugnis belaſtet tret ich vor den Rich- terſtuhl Gottes. Amalia. Nicht alſo, jammervoller Greis! der himmliſche Vater ruͤkt' ihn zu ſich. Wir waͤren zu gluͤcklich geweſen auf dieſer Welt. — Droben, droben uͤber den Sonnen — Wir ſehn ihn wieder. D. a. Moor. Wiederſehen, wiederſehen! Oh es wird mir durch die Seele ſchneiden ein Schwerd — Wenn ich ein Heiliger ih# unter den Heiligen fin- de — mitten im Himmel werden durch mich ſchauern Schaner der Hoͤlle! Jm Anſcha#en des Unendlichen mich zermalmen die Erinnerung: Jch hab meinen Sohn ermordet! Amalia. Oh, er wird euch die Schmerz-Erin- nerung aus der Seele laͤcheln, ſeyd doch heiter, lieber Vater! ich bins ſo ganz. Hat er nicht ſchon den himmliſchen Hoͤrern den Namen Amalia vor- geſungen auf der ſeraphiſchen Harfe, und die himm- liſchen Hoͤrer lispelten leiſe ihn nach? Sein lezter Seufzer war ja, Amalia! wird nicht ſein erſter Jubel, Amalia! ſeyn? D. a. Moor. Himmliſcher Troſt quillt von dei- nen
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Die Raͤuber,
Amalia mit verweinten Augen.#
D. a. Moor. Amalia! Botte des Himmels!
Kommſt du, meine Seele zu loͤſen?
Amalia mit ſanfterem Ton. Jhr habt einen herr-
lichen Sohn verloren.
D. a. Moor. Ermordet willſt du ſagen.
Mit dieſem Zeugnis belaſtet tret ich vor den Rich-
terſtuhl Gottes.
Amalia. Nicht alſo, jammervoller Greis! der
himmliſche Vater ruͤkt' ihn zu ſich. Wir waͤren
zu gluͤcklich geweſen auf dieſer Welt. — Droben,
droben uͤber den Sonnen — Wir ſehn ihn wieder.
D. a. Moor. Wiederſehen, wiederſehen! Oh
es wird mir durch die Seele ſchneiden ein Schwerd —
Wenn ich ein Heiliger ih# unter den Heiligen fin-
de — mitten im Himmel werden durch mich
ſchauern Schaner der Hoͤlle! Jm Anſcha#en des
Unendlichen mich zermalmen die Erinnerung: Jch
hab meinen Sohn ermordet!
Amalia. Oh, er wird euch die Schmerz-Erin-
nerung aus der Seele laͤcheln, ſeyd doch heiter,
lieber Vater! ich bins ſo ganz. Hat er nicht ſchon
den himmliſchen Hoͤrern den Namen Amalia vor-
geſungen auf der ſeraphiſchen Harfe, und die himm-
liſchen Hoͤrer lispelten leiſe ihn nach? Sein lezter
Seufzer war ja, Amalia! wird nicht ſein erſter
Jubel, Amalia! ſeyn?
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/94>, abgerufen am 27.07.2024. |