Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.ein Schauspiel. -- Hier, hier auf Herz und Stirne zeigend. So ganz,so anders. Die träge Farbe reicht nicht den himm- lischen Geist nachzuspiegeln, der in seinem feuri- gen Auge herrschte. Weg damit! dis ist so menschlich! Jch war eine Stümperinn. D. a. Moor. Dieser huldreiche erwärmende Blick -- wär er vor meinem Bette gestanden, ich hätte gelebt mitten im Tode! Nie, nie wär ich ge- storben! Amalia. Nie, nie wärt ihr gestorben! Es wär ein Sprung gewesen, wie man von einem Gedan- ken auf einen andern und schönern hüpft -- dieser Blik hätt euch übers Grab hinübergeleuchtet. Die- ser Blick hätt' euch über die Sterne getragen! D. a. Moor. Es ist schwer, es ist traurig! Jch sterbe, und mein Sohn Karl ist nicht hier -- ich werde zu Grabe getragen, und er weint nicht an meinem Grabe -- wie süs ists, einge- wiegt zu werden in den Schlaf des Todes von den Gebet eines Sohns -- das ist Wiegengesang. Amalia schwärmend. Ja süß, himmlisch süß ists, eingewiegt zu werden in den Schlaf des Todes von dem Gesang des Geliebten -- vielleicht träumt man auch im Grabe noch fort -- ein langer, ewiger unendlicher Traum, von Karln bis man die Glocke der Auferstehung läutet -- aufspringend, entzückt. und von izt an in seinen Armen auf ewig, Pause. Sie geht ans Klavier, und spielt. Willst
ein Schauſpiel. — Hier, hier auf Herz und Stirne zeigend. So ganz,ſo anders. Die traͤge Farbe reicht nicht den himm- liſchen Geiſt nachzuſpiegeln, der in ſeinem feuri- gen Auge herrſchte. Weg damit! dis iſt ſo menſchlich! Jch war eine Stuͤmperinn. D. a. Moor. Dieſer huldreiche erwaͤrmende Blick — waͤr er vor meinem Bette geſtanden, ich haͤtte gelebt mitten im Tode! Nie, nie waͤr ich ge- ſtorben! Amalia. Nie, nie waͤrt ihr geſtorben! Es waͤr ein Sprung geweſen, wie man von einem Gedan- ken auf einen andern und ſchoͤnern huͤpft — dieſer Blik haͤtt euch uͤbers Grab hinuͤbergeleuchtet. Die- ſer Blick haͤtt' euch uͤber die Sterne getragen! D. a. Moor. Es iſt ſchwer, es iſt traurig! Jch ſterbe, und mein Sohn Karl iſt nicht hier — ich werde zu Grabe getragen, und er weint nicht an meinem Grabe — wie ſuͤs iſts, einge- wiegt zu werden in den Schlaf des Todes von den Gebet eines Sohns — das iſt Wiegengeſang. Amalia ſchwaͤrmend. Ja ſuͤß, himmliſch ſuͤß iſts, eingewiegt zu werden in den Schlaf des Todes von dem Geſang des Geliebten — vielleicht traͤumt man auch im Grabe noch fort — ein langer, ewiger unendlicher Traum, von Karln bis man die Glocke der Auferſtehung laͤutet — aufſpringend, entzuͤckt. und von izt an in ſeinen Armen auf ewig, Pauſe. Sie geht ans Klavier, und ſpielt. Willſt
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ein Schauſpiel.
— Hier, hier auf Herz und Stirne zeigend. So ganz,
ſo anders. Die traͤge Farbe reicht nicht den himm-
liſchen Geiſt nachzuſpiegeln, der in ſeinem feuri-
gen Auge herrſchte. Weg damit! dis iſt ſo
menſchlich! Jch war eine Stuͤmperinn.
D. a. Moor. Dieſer huldreiche erwaͤrmende
Blick — waͤr er vor meinem Bette geſtanden, ich
haͤtte gelebt mitten im Tode! Nie, nie waͤr ich ge-
ſtorben!
Amalia. Nie, nie waͤrt ihr geſtorben! Es waͤr
ein Sprung geweſen, wie man von einem Gedan-
ken auf einen andern und ſchoͤnern huͤpft — dieſer
Blik haͤtt euch uͤbers Grab hinuͤbergeleuchtet. Die-
ſer Blick haͤtt' euch uͤber die Sterne getragen!
D. a. Moor. Es iſt ſchwer, es iſt traurig!
Jch ſterbe, und mein Sohn Karl iſt nicht hier
— ich werde zu Grabe getragen, und er weint
nicht an meinem Grabe — wie ſuͤs iſts, einge-
wiegt zu werden in den Schlaf des Todes von
den Gebet eines Sohns — das iſt Wiegengeſang.
Amalia ſchwaͤrmend. Ja ſuͤß, himmliſch ſuͤß iſts,
eingewiegt zu werden in den Schlaf des Todes
von dem Geſang des Geliebten — vielleicht traͤumt
man auch im Grabe noch fort — ein langer,
ewiger unendlicher Traum, von Karln bis man
die Glocke der Auferſtehung laͤutet — aufſpringend,
entzuͤckt. und von izt an in ſeinen Armen auf ewig,
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