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Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.

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Die Räuber,
den Tod aus allen Quellen saufen! vertrauen, un-
überwindliche Zuversicht, und kein Erbarmen!
Roller. So höre doch, Moor, was ich dir sage!
Moor. Es ist unglaublich, es ist ein Traum
eine Täuschung -- So eine rührende Bitte, so ei-
ne lebendige Schilderung des Elends und der zer-
fliessenden Reue -- die wilde Bestie wär in Mit-
leid zerschmolzen! Steine hätten Tränen vergossen,
und doch -- man würde es für ein boshaftes
Pasquill aufs Menschengeschlecht halten, wenn ichs
aussagen wollte -- und doch, doch -- oh daß ich
durch die ganze Natur das Horn des Aufruhrs
blasen könnte, Luft, Erde und Meer wider das
Hyanen-Gezücht ins Treffen zu führen!
Grimm. Höre doch, höre! vor Rasen hörst du
ja nicht.
Moor. Weg, weg von mir! Jst dein Name
nicht Mensch? Hat dich das Weib nicht geboren?
-- Aus meinen Augen du mit dem Menschenge-
sicht! -- Jch hab ihn so unaussprechlich geliebt!
so liebte kein Sohn, ich hätte tausend Leben für
ihn -- schäumend auf die Erde stampfend. ha! -- wer
mir izt ein Schwerd in die Hand gäb, dieser Ot-
terbrut eine brennende Wunde zu versezen! wer
mir sagte: wo ich das Herz ihres Lebens erzielen,
zermalmen, zernichten -- Er sey mein Freund,
mein Engel, mein Gott -- ich will ihn anbeten!
Rol-
Die Raͤuber,
den Tod aus allen Quellen ſaufen! vertrauen, un-
uͤberwindliche Zuverſicht, und kein Erbarmen!
Roller. So hoͤre doch, Moor, was ich dir ſage!
Moor. Es iſt unglaublich, es iſt ein Traum
eine Taͤuſchung — So eine ruͤhrende Bitte, ſo ei-
ne lebendige Schilderung des Elends und der zer-
flieſſenden Reue — die wilde Beſtie waͤr in Mit-
leid zerſchmolzen! Steine haͤtten Traͤnen vergoſſen,
und doch — man wuͤrde es fuͤr ein boshaftes
Pasquill aufs Menſchengeſchlecht halten, wenn ichs
ausſagen wollte — und doch, doch — oh daß ich
durch die ganze Natur das Horn des Aufruhrs
blaſen koͤnnte, Luft, Erde und Meer wider das
Hyanen-Gezuͤcht ins Treffen zu fuͤhren!
Grimm. Hoͤre doch, hoͤre! vor Raſen hoͤrſt du
ja nicht.
Moor. Weg, weg von mir! Jſt dein Name
nicht Menſch? Hat dich das Weib nicht geboren?
— Aus meinen Augen du mit dem Menſchenge-
ſicht! — Jch hab ihn ſo unausſprechlich geliebt!
ſo liebte kein Sohn, ich haͤtte tauſend Leben fuͤr
ihn — ſchaͤumend auf die Erde ſtampfend. ha! — wer
mir izt ein Schwerd in die Hand gaͤb, dieſer Ot-
terbrut eine brennende Wunde zu verſezen! wer
mir ſagte: wo ich das Herz ihres Lebens erzielen,
zermalmen, zernichten — Er ſey mein Freund,
mein Engel, mein Gott — ich will ihn anbeten!
Rol-
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[40/0062] Die Raͤuber, den Tod aus allen Quellen ſaufen! vertrauen, un- uͤberwindliche Zuverſicht, und kein Erbarmen! Roller. So hoͤre doch, Moor, was ich dir ſage! Moor. Es iſt unglaublich, es iſt ein Traum eine Taͤuſchung — So eine ruͤhrende Bitte, ſo ei- ne lebendige Schilderung des Elends und der zer- flieſſenden Reue — die wilde Beſtie waͤr in Mit- leid zerſchmolzen! Steine haͤtten Traͤnen vergoſſen, und doch — man wuͤrde es fuͤr ein boshaftes Pasquill aufs Menſchengeſchlecht halten, wenn ichs ausſagen wollte — und doch, doch — oh daß ich durch die ganze Natur das Horn des Aufruhrs blaſen koͤnnte, Luft, Erde und Meer wider das Hyanen-Gezuͤcht ins Treffen zu fuͤhren! Grimm. Hoͤre doch, hoͤre! vor Raſen hoͤrſt du ja nicht. Moor. Weg, weg von mir! Jſt dein Name nicht Menſch? Hat dich das Weib nicht geboren? — Aus meinen Augen du mit dem Menſchenge- ſicht! — Jch hab ihn ſo unausſprechlich geliebt! ſo liebte kein Sohn, ich haͤtte tauſend Leben fuͤr ihn — ſchaͤumend auf die Erde ſtampfend. ha! — wer mir izt ein Schwerd in die Hand gaͤb, dieſer Ot- terbrut eine brennende Wunde zu verſezen! wer mir ſagte: wo ich das Herz ihres Lebens erzielen, zermalmen, zernichten — Er ſey mein Freund, mein Engel, mein Gott — ich will ihn anbeten! Rol-

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/62>, abgerufen am 26.11.2024.