Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.Vorrede. blendende Flekenhaut nicht übergehen, damitman nicht den Tyger beym Tyger vermisse. Auch ist ein Mensch, der ganz Bosheit ist, schlechterdings kein Gegenstand der Kunst, und äussert eine zurükstossende Kraft, statt daß er die Aufmerksamkeit der Leser fesseln sollte. Man würde umblättern, wenn er redet. Eine edle Seele erträgt so wenig anhaltende mora- lische Dissonanzen, als das Ohr das Gekrizel eines Messers auf Glas. Aber eben darum will ich selbst mißra- beste-
Vorrede. blendende Flekenhaut nicht uͤbergehen, damitman nicht den Tyger beym Tyger vermiſſe. Auch iſt ein Menſch, der ganz Bosheit iſt, ſchlechterdings kein Gegenſtand der Kunſt, und aͤuſſert eine zuruͤkſtoſſende Kraft, ſtatt daß er die Aufmerkſamkeit der Leſer feſſeln ſollte. Man wuͤrde umblaͤttern, wenn er redet. Eine edle Seele ertraͤgt ſo wenig anhaltende mora- liſche Diſſonanzen, als das Ohr das Gekrizel eines Meſſers auf Glas. Aber eben darum will ich ſelbſt mißra- beſte-
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Vorrede.
blendende Flekenhaut nicht uͤbergehen, damit
man nicht den Tyger beym Tyger vermiſſe.
Auch iſt ein Menſch, der ganz Bosheit iſt,
ſchlechterdings kein Gegenſtand der Kunſt, und
aͤuſſert eine zuruͤkſtoſſende Kraft, ſtatt daß er
die Aufmerkſamkeit der Leſer feſſeln ſollte.
Man wuͤrde umblaͤttern, wenn er redet. Eine
edle Seele ertraͤgt ſo wenig anhaltende mora-
liſche Diſſonanzen, als das Ohr das Gekrizel
eines Meſſers auf Glas.
Aber eben darum will ich ſelbſt mißra-
then haben, dieſes mein Schauſpiel auf der
Buͤhne zu wagen. Es gehoͤrt beiderſeits,
beim Dichter und ſeinem Leſer, ſchon ein ge-
wiſſer Gehalt von Geiſteskraft dazu; bei je-
nem, daß er das Laſter nicht ziere, bei die-
ſem, daß er ſich nicht von einer ſchoͤnen Seite
beſte-
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