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Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.

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Vorrede.
der Religion und der wahren Moral keine
gemeine Rache verschafft habe, wenn ich diese
muthwillige Schriftverächter in der Person
meiner schändlichsten Räuber dem Abscheu der
Welt überliefere.

Aber noch mehr. Diese unmoralische
Karaktere, von denen vorhin gesprochen wurde,
mußten von gewissen Seiten glänzen, ja oft
von Seiten des Geistes gewinnen, was sie von
Seiten des Herzens verlieren. Hierinn habe
ich nur die Natur gleichsam wörtlich abge-
schrieben. Jedem, auch dem Lasterhaftesten ist
gewissermassen der Stempel des göttlichen
Ebenbilds aufgedrükt, und vielleicht hat der
grosse Bösewicht keinen so weiten Weg zum
grossen Rechtschaffenen, als der kleine; denn
die Moralität hält gleichen Gang mit den
Kräften, und je weiter die Fähigkeit, desto

weiter

Vorrede.
der Religion und der wahren Moral keine
gemeine Rache verſchafft habe, wenn ich dieſe
muthwillige Schriftveraͤchter in der Perſon
meiner ſchaͤndlichſten Raͤuber dem Abſcheu der
Welt uͤberliefere.

Aber noch mehr. Dieſe unmoraliſche
Karaktere, von denen vorhin geſprochen wurde,
mußten von gewiſſen Seiten glaͤnzen, ja oft
von Seiten des Geiſtes gewinnen, was ſie von
Seiten des Herzens verlieren. Hierinn habe
ich nur die Natur gleichſam woͤrtlich abge-
ſchrieben. Jedem, auch dem Laſterhafteſten iſt
gewiſſermaſſen der Stempel des goͤttlichen
Ebenbilds aufgedruͤkt, und vielleicht hat der
groſſe Boͤſewicht keinen ſo weiten Weg zum
groſſen Rechtſchaffenen, als der kleine; denn
die Moralitaͤt haͤlt gleichen Gang mit den
Kraͤften, und je weiter die Faͤhigkeit, deſto

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[0017] Vorrede. der Religion und der wahren Moral keine gemeine Rache verſchafft habe, wenn ich dieſe muthwillige Schriftveraͤchter in der Perſon meiner ſchaͤndlichſten Raͤuber dem Abſcheu der Welt uͤberliefere. Aber noch mehr. Dieſe unmoraliſche Karaktere, von denen vorhin geſprochen wurde, mußten von gewiſſen Seiten glaͤnzen, ja oft von Seiten des Geiſtes gewinnen, was ſie von Seiten des Herzens verlieren. Hierinn habe ich nur die Natur gleichſam woͤrtlich abge- ſchrieben. Jedem, auch dem Laſterhafteſten iſt gewiſſermaſſen der Stempel des goͤttlichen Ebenbilds aufgedruͤkt, und vielleicht hat der groſſe Boͤſewicht keinen ſo weiten Weg zum groſſen Rechtſchaffenen, als der kleine; denn die Moralitaͤt haͤlt gleichen Gang mit den Kraͤften, und je weiter die Faͤhigkeit, deſto weiter

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/17>, abgerufen am 24.11.2024.