Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.Die Räuber, -- wie so köstlich wehet die Luft von meinen Hey-math-Gebürgen! wie strömt balsamische Wonne aus euch dem armen Flüchtling entgegen! -- Ely- sium! dichterische Welt! Halt ein Moor! dein Fus wandelt in einem heiligen Tempel. Er kommt näher. Sieh da auch die Schwalbenne- ster im Schloßhof -- auch das Gartenthürchen! -- und diese Eke am Zaun, wo du so oft den Fanger belauschtest und nektest -- und dort unten das Wiesenthal, wo du der Held Alexander deine Macedonier ins Treffen bey Arbela führtest, und neben dran der grasigte Hügel, von welchem du den persischen Satrapen niederwarfst -- und dei- ne siegende Fahne flatterte hoch! Er lächelt. Die goldne Mayenjahre der Knabenzeit leben wieder auf in der Seele des Elenden -- da warst du so glücklich, warst so ganz, so wolkenlos heiter -- und nun -- da liegen die Trümmer deiner Ent- würfe! Hier solltest du wandeln dereinst, ein gro- ser, stattlicher, gepriesener Mann -- hier dein Knabenleben in Amalias blühenden Kindern zum zweytenmal leben -- hier! hier der Abgott deines Volks -- aber der böse Feind schmollte darzu! Er fährt auf. Warum bin ich hierhergekommen? daß mirs gienge wie dem Gefangenen, den der klirren- de Eisenring aus Träumen der Freyheit aufjagt -- nein ich gehe in mein Elend zurück! -- der Ge- fangene hatte das Licht vergessen, aber der Traum der
Die Raͤuber, — wie ſo koͤſtlich wehet die Luft von meinen Hey-math-Gebuͤrgen! wie ſtroͤmt balſamiſche Wonne aus euch dem armen Fluͤchtling entgegen! — Ely- ſium! dichteriſche Welt! Halt ein Moor! dein Fus wandelt in einem heiligen Tempel. Er kommt naͤher. Sieh da auch die Schwalbenne- ſter im Schloßhof — auch das Gartenthuͤrchen! — und dieſe Eke am Zaun, wo du ſo oft den Fanger belauſchteſt und nekteſt — und dort unten das Wieſenthal, wo du der Held Alexander deine Macedonier ins Treffen bey Arbela fuͤhrteſt, und neben dran der graſigte Huͤgel, von welchem du den perſiſchen Satrapen niederwarfſt — und dei- ne ſiegende Fahne flatterte hoch! Er laͤchelt. Die goldne Mayenjahre der Knabenzeit leben wieder auf in der Seele des Elenden — da warſt du ſo gluͤcklich, warſt ſo ganz, ſo wolkenlos heiter — und nun — da liegen die Truͤmmer deiner Ent- wuͤrfe! Hier ſollteſt du wandeln dereinſt, ein gro- ſer, ſtattlicher, geprieſener Mann — hier dein Knabenleben in Amalias bluͤhenden Kindern zum zweytenmal leben — hier! hier der Abgott deines Volks — aber der boͤſe Feind ſchmollte darzu! Er faͤhrt auf. Warum bin ich hierhergekommen? daß mirs gienge wie dem Gefangenen, den der klirren- de Eiſenring aus Traͤumen der Freyheit aufjagt — nein ich gehe in mein Elend zuruͤck! — der Ge- fangene hatte das Licht vergeſſen, aber der Traum der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#MOOR"> <p><pb facs="#f0156" n="134"/><fw place="top" type="header">Die Raͤuber,</fw><lb/> — wie ſo koͤſtlich wehet die Luft von meinen Hey-<lb/> math-Gebuͤrgen! wie ſtroͤmt balſamiſche Wonne<lb/> aus euch dem armen Fluͤchtling entgegen! — Ely-<lb/> ſium! dichteriſche Welt! Halt ein Moor! dein Fus<lb/> wandelt in einem heiligen Tempel.</p><lb/> <p><stage>Er kommt naͤher.</stage> Sieh da auch die Schwalbenne-<lb/> ſter im Schloßhof — auch das Gartenthuͤrchen!<lb/> — und dieſe Eke am Zaun, wo du ſo oft den<lb/> Fanger belauſchteſt und nekteſt — und dort unten<lb/> das Wieſenthal, wo du der Held Alexander deine<lb/> Macedonier ins Treffen bey Arbela fuͤhrteſt, und<lb/> neben dran der graſigte Huͤgel, von welchem du<lb/> den perſiſchen Satrapen niederwarfſt — und dei-<lb/> ne ſiegende Fahne flatterte hoch! <stage>Er laͤchelt.</stage> Die<lb/> goldne Mayenjahre der Knabenzeit leben wieder<lb/> auf in der Seele des Elenden — da warſt du ſo<lb/> gluͤcklich, warſt ſo ganz, ſo wolkenlos heiter —<lb/> und nun — da liegen die Truͤmmer deiner Ent-<lb/> wuͤrfe! Hier ſollteſt du wandeln dereinſt, ein gro-<lb/> ſer, ſtattlicher, geprieſener Mann — hier dein<lb/> Knabenleben in Amalias bluͤhenden Kindern zum<lb/> zweytenmal leben — hier! hier der Abgott deines<lb/> Volks — aber der boͤſe Feind ſchmollte darzu! <stage>Er<lb/> faͤhrt auf.</stage> Warum bin ich hierhergekommen? daß<lb/> mirs gienge wie dem Gefangenen, den der klirren-<lb/> de Eiſenring aus Traͤumen der Freyheit aufjagt —<lb/> nein ich gehe in mein Elend zuruͤck! — der Ge-<lb/> fangene hatte das Licht vergeſſen, aber der Traum<lb/> <fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [134/0156]
Die Raͤuber,
— wie ſo koͤſtlich wehet die Luft von meinen Hey-
math-Gebuͤrgen! wie ſtroͤmt balſamiſche Wonne
aus euch dem armen Fluͤchtling entgegen! — Ely-
ſium! dichteriſche Welt! Halt ein Moor! dein Fus
wandelt in einem heiligen Tempel.
Er kommt naͤher. Sieh da auch die Schwalbenne-
ſter im Schloßhof — auch das Gartenthuͤrchen!
— und dieſe Eke am Zaun, wo du ſo oft den
Fanger belauſchteſt und nekteſt — und dort unten
das Wieſenthal, wo du der Held Alexander deine
Macedonier ins Treffen bey Arbela fuͤhrteſt, und
neben dran der graſigte Huͤgel, von welchem du
den perſiſchen Satrapen niederwarfſt — und dei-
ne ſiegende Fahne flatterte hoch! Er laͤchelt. Die
goldne Mayenjahre der Knabenzeit leben wieder
auf in der Seele des Elenden — da warſt du ſo
gluͤcklich, warſt ſo ganz, ſo wolkenlos heiter —
und nun — da liegen die Truͤmmer deiner Ent-
wuͤrfe! Hier ſollteſt du wandeln dereinſt, ein gro-
ſer, ſtattlicher, geprieſener Mann — hier dein
Knabenleben in Amalias bluͤhenden Kindern zum
zweytenmal leben — hier! hier der Abgott deines
Volks — aber der boͤſe Feind ſchmollte darzu! Er
faͤhrt auf. Warum bin ich hierhergekommen? daß
mirs gienge wie dem Gefangenen, den der klirren-
de Eiſenring aus Traͤumen der Freyheit aufjagt —
nein ich gehe in mein Elend zuruͤck! — der Ge-
fangene hatte das Licht vergeſſen, aber der Traum
der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |