Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.ein Schauspiel. Moor. Seht doch, wie schön das Getraide steht! -- Die Bäume brechen fast unter ihrem See- gen. -- Der Weinstock voll Hoffnung. Grimm. Es giebt ein fruchtbares Jahr. Moor. Meinst du? -- Und so würde doch Ein Schweiß in der Welt bezahlt. Einer? -- -- Aber es kann ja über Nacht ein Hagel fallen und alles zu Grund schlagen. Schwarz. Das ist leicht möglich. Es kann alles zu Grund gehen, wenig Stunden vorm Schneiden. Moor. Das sag ich ja. Es wird alles zu Grund gehn. Warum soll dem Menschen das ge- lingen was er von der Ameise hat, wenn ihm das fehlschlägt, was ihn den Göttern gleich macht? -- oder ist hier die Mark seiner Bestimmung? Schwarz. Jch kenne sie nicht. Moor. Du hast gut gesagt, und noch besser gethan wenn du sie nie zu kennen verlangtest! -- Bruder -- ich habe die Menschen gesehen, ihre Bienensorgen, und ihre Riesenprojekte -- ihre Göt- terplane und ihre Mausegeschäffte, das wunderselt- same Wettrennen nach Glückseligkeit; -- dieser dem Schwung seines Rosses anvertraut -- ein an- derer der Nase seines Esels -- ein dritter seinen ei- genen Beinen; dieses bunte Lotto des Lebens, wor- ein so mancher seine Unschuld, und -- seinen Him- mel sezt, einen Treffer zu haschen, und -- Nullen sind der Auszug -- am Ende war kein Treffer dar- H 4
ein Schauſpiel. Moor. Seht doch, wie ſchoͤn das Getraide ſteht! — Die Baͤume brechen faſt unter ihrem See- gen. — Der Weinſtock voll Hoffnung. Grimm. Es giebt ein fruchtbares Jahr. Moor. Meinſt du? — Und ſo wuͤrde doch Ein Schweiß in der Welt bezahlt. Einer? — — Aber es kann ja uͤber Nacht ein Hagel fallen und alles zu Grund ſchlagen. Schwarz. Das iſt leicht moͤglich. Es kann alles zu Grund gehen, wenig Stunden vorm Schneiden. Moor. Das ſag ich ja. Es wird alles zu Grund gehn. Warum ſoll dem Menſchen das ge- lingen was er von der Ameiſe hat, wenn ihm das fehlſchlaͤgt, was ihn den Goͤttern gleich macht? — oder iſt hier die Mark ſeiner Beſtimmung? Schwarz. Jch kenne ſie nicht. Moor. Du haſt gut geſagt, und noch beſſer gethan wenn du ſie nie zu kennen verlangteſt! — Bruder — ich habe die Menſchen geſehen, ihre Bienenſorgen, und ihre Rieſenprojekte — ihre Goͤt- terplane und ihre Mauſegeſchaͤffte, das wunderſelt- ſame Wettrennen nach Gluͤckſeligkeit; — dieſer dem Schwung ſeines Roſſes anvertraut — ein an- derer der Naſe ſeines Eſels — ein dritter ſeinen ei- genen Beinen; dieſes bunte Lotto des Lebens, wor- ein ſo mancher ſeine Unſchuld, und — ſeinen Him- mel ſezt, einen Treffer zu haſchen, und — Nullen ſind der Auszug — am Ende war kein Treffer dar- H 4
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ein Schauſpiel.
Moor. Seht doch, wie ſchoͤn das Getraide
ſteht! — Die Baͤume brechen faſt unter ihrem See-
gen. — Der Weinſtock voll Hoffnung.
Grimm. Es giebt ein fruchtbares Jahr.
Moor. Meinſt du? — Und ſo wuͤrde doch
Ein Schweiß in der Welt bezahlt. Einer? —
— Aber es kann ja uͤber Nacht ein Hagel fallen
und alles zu Grund ſchlagen.
Schwarz. Das iſt leicht moͤglich. Es kann alles
zu Grund gehen, wenig Stunden vorm Schneiden.
Moor. Das ſag ich ja. Es wird alles zu
Grund gehn. Warum ſoll dem Menſchen das ge-
lingen was er von der Ameiſe hat, wenn ihm das
fehlſchlaͤgt, was ihn den Goͤttern gleich macht? —
oder iſt hier die Mark ſeiner Beſtimmung?
Schwarz. Jch kenne ſie nicht.
Moor. Du haſt gut geſagt, und noch beſſer
gethan wenn du ſie nie zu kennen verlangteſt! —
Bruder — ich habe die Menſchen geſehen, ihre
Bienenſorgen, und ihre Rieſenprojekte — ihre Goͤt-
terplane und ihre Mauſegeſchaͤffte, das wunderſelt-
ſame Wettrennen nach Gluͤckſeligkeit; — dieſer
dem Schwung ſeines Roſſes anvertraut — ein an-
derer der Naſe ſeines Eſels — ein dritter ſeinen ei-
genen Beinen; dieſes bunte Lotto des Lebens, wor-
ein ſo mancher ſeine Unſchuld, und — ſeinen Him-
mel ſezt, einen Treffer zu haſchen, und — Nullen
ſind der Auszug — am Ende war kein Treffer
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_raeuber_1781/141>, abgerufen am 27.07.2024. |