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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Fast alle seine Deutschen Erbländer hatten sich unterdessen in einer allgemeinen furchtbaren Konföderation mit den Böhmen vereinigt, deren Troz jezt alle Schranken durchbrach. Am 17. August 1619 erklärten sie den Kaiser, auf einer Reichsversammlung, als den Feind der Böhmischen Religion und Freyheit, der durch seine verderbliche Rathschläge den verstorbenen König gegen sie aufgewiegelt, zu ihrer Unterdrückung Truppen geliehen, Ausländern das Königreich zum Raube gegeben, und es zulezt gar, mit Verspottung ihrer Volksmajestät, in einem heimlichen Vertrag an die Spanier verschrieben, aller Ansprüche auf ihre Krone verlustig, und schritten ohne Aufschub zu einer neuen Wahl, die angemaßte Wahlfreyheit sogleich durch die Ausübung zu bekräftigen. Da Protestanten diesen Ausspruch thaten, so konnte die Wahl nicht wohl auf einen katholischen Prinzen fallen, obgleich zum Scheine, vielleicht um zwey Feinde weniger zu haben, für Bayern und Savoyen einige Stimmen gehört wurden. Aber der bittere Religionshaß, welcher die Evangelischen und Reformirten unter einander selbst entzweyte, machte eine Zeit lang auch die Wahl eines protestantischen Königs schwer, bis endlich die Feinheit und Thätigkeit der Kalvinisten über die überlegene Anzahl der Lutheraner den Sieg davon trug.

Unter allen Prinzen, welche zu dieser Würde in Vorschlag kamen, hatte sich Churfürst Friedrich V. von der Pfalz die gegründetsten Ansprüche auf das Vertrauen und die Dankbarkeit der Böhmen erworben, und unter allen war keiner, bey welchem das Privatinteresse einzelner Stände und die Zuneigung des Volks durch so viele Staatsvortheile gerechtfertigt zu werden schienen. Friedrich V. war von einem freyen und aufgeweckten Geist, vieler Herzensgüte, einer königlichen Freygebigkeit. Er war das Haupt der Reformirten in Deutschland, der Anführer der Union, deren Kräfte ihm zu Gebothe

Fast alle seine Deutschen Erbländer hatten sich unterdessen in einer allgemeinen furchtbaren Konföderation mit den Böhmen vereinigt, deren Troz jezt alle Schranken durchbrach. Am 17. August 1619 erklärten sie den Kaiser, auf einer Reichsversammlung, als den Feind der Böhmischen Religion und Freyheit, der durch seine verderbliche Rathschläge den verstorbenen König gegen sie aufgewiegelt, zu ihrer Unterdrückung Truppen geliehen, Ausländern das Königreich zum Raube gegeben, und es zulezt gar, mit Verspottung ihrer Volksmajestät, in einem heimlichen Vertrag an die Spanier verschrieben, aller Ansprüche auf ihre Krone verlustig, und schritten ohne Aufschub zu einer neuen Wahl, die angemaßte Wahlfreyheit sogleich durch die Ausübung zu bekräftigen. Da Protestanten diesen Ausspruch thaten, so konnte die Wahl nicht wohl auf einen katholischen Prinzen fallen, obgleich zum Scheine, vielleicht um zwey Feinde weniger zu haben, für Bayern und Savoyen einige Stimmen gehört wurden. Aber der bittere Religionshaß, welcher die Evangelischen und Reformirten unter einander selbst entzweyte, machte eine Zeit lang auch die Wahl eines protestantischen Königs schwer, bis endlich die Feinheit und Thätigkeit der Kalvinisten über die überlegene Anzahl der Lutheraner den Sieg davon trug.

Unter allen Prinzen, welche zu dieser Würde in Vorschlag kamen, hatte sich Churfürst Friedrich V. von der Pfalz die gegründetsten Ansprüche auf das Vertrauen und die Dankbarkeit der Böhmen erworben, und unter allen war keiner, bey welchem das Privatinteresse einzelner Stände und die Zuneigung des Volks durch so viele Staatsvortheile gerechtfertigt zu werden schienen. Friedrich V. war von einem freyen und aufgeweckten Geist, vieler Herzensgüte, einer königlichen Freygebigkeit. Er war das Haupt der Reformirten in Deutschland, der Anführer der Union, deren Kräfte ihm zu Gebothe

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[91/0099] Fast alle seine Deutschen Erbländer hatten sich unterdessen in einer allgemeinen furchtbaren Konföderation mit den Böhmen vereinigt, deren Troz jezt alle Schranken durchbrach. Am 17. August 1619 erklärten sie den Kaiser, auf einer Reichsversammlung, als den Feind der Böhmischen Religion und Freyheit, der durch seine verderbliche Rathschläge den verstorbenen König gegen sie aufgewiegelt, zu ihrer Unterdrückung Truppen geliehen, Ausländern das Königreich zum Raube gegeben, und es zulezt gar, mit Verspottung ihrer Volksmajestät, in einem heimlichen Vertrag an die Spanier verschrieben, aller Ansprüche auf ihre Krone verlustig, und schritten ohne Aufschub zu einer neuen Wahl, die angemaßte Wahlfreyheit sogleich durch die Ausübung zu bekräftigen. Da Protestanten diesen Ausspruch thaten, so konnte die Wahl nicht wohl auf einen katholischen Prinzen fallen, obgleich zum Scheine, vielleicht um zwey Feinde weniger zu haben, für Bayern und Savoyen einige Stimmen gehört wurden. Aber der bittere Religionshaß, welcher die Evangelischen und Reformirten unter einander selbst entzweyte, machte eine Zeit lang auch die Wahl eines protestantischen Königs schwer, bis endlich die Feinheit und Thätigkeit der Kalvinisten über die überlegene Anzahl der Lutheraner den Sieg davon trug. Unter allen Prinzen, welche zu dieser Würde in Vorschlag kamen, hatte sich Churfürst Friedrich V. von der Pfalz die gegründetsten Ansprüche auf das Vertrauen und die Dankbarkeit der Böhmen erworben, und unter allen war keiner, bey welchem das Privatinteresse einzelner Stände und die Zuneigung des Volks durch so viele Staatsvortheile gerechtfertigt zu werden schienen. Friedrich V. war von einem freyen und aufgeweckten Geist, vieler Herzensgüte, einer königlichen Freygebigkeit. Er war das Haupt der Reformirten in Deutschland, der Anführer der Union, deren Kräfte ihm zu Gebothe

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/99>, abgerufen am 22.11.2024.