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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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zählen. Das Beyspiel Rudolphs solle dem Matthias eine Warnung seyn. Er möge sich hüten, daß er das Irdische nicht verliere, um Eroberungen für den Himmel zu machen." Da die Mährischen Stände, anstatt ihr Mittleramt zum Vortheil des Kaisers zu erfüllen, endlich selbst zur Parthey ihrer Oesterreichischen Glaubensbrüder übertraten, da die Union in Deutschland sich aufs nachdrücklichste für diese ins Mittel schlug, und die Furcht vor Repressalien des Kaisers den Matthias in die Enge trieb, so ließ er sich endlich die gewünschte Erklärung zum Vortheil der Evangelischen entreißen.

Dieses Betragen der Oesterreichischen Landstände gegen ihren Erzherzog nahmen sich nun die protestantischen Reichsstände in Deutschland zum Muster gegen ihren Kaiser, und sie versprachen sich denselben glücklichen Erfolg. Auf seinem ersten Reichstage zu Regensburg (1613), wo die dringendsten Angelegenheiten auf Entscheidung warteten, wo ein Krieg gegen die Türken und gegen den Fürsten Bethlen Gabor von Siebenbürgen, der sich unterdessen mit Türkischem Beystand zum Herrn dieses Landes aufgeworfen hatte und sogar Ungarn bedrohte, einen allgemeinen Geldbeytrag nothwendig machte, überraschten sie ihn mit einer ganz neuen Forderung. Die katholischen Stimmen waren noch immer die zahlreichern im Fürstenrath, und weil alles nach der Stimmenmehrheit entschieden wurde, so pflegten die evangelischen, auch wenn sie noch so sehr unter sich einig waren, gewöhnlich in keine Betrachtung zu kommen. Dieses Vortheils der Stimmenmehrheit sollten sich nun die Katholischen begeben, und keiner einzelnen Religionsparthey sollte es künftig erlaubt seyn, die Stimmen der andern durch ihre unwandelbare Mehrheit nach sich zu ziehen. Und in Wahrheit, wenn die evangelische Religion auf dem Reichstage repräsentirt werden sollte, so schien es sich von selbst zu verstehen, daß ihr durch die Verfassung des Reichstags selbst nicht

zählen. Das Beyspiel Rudolphs solle dem Matthias eine Warnung seyn. Er möge sich hüten, daß er das Irdische nicht verliere, um Eroberungen für den Himmel zu machen.“ Da die Mährischen Stände, anstatt ihr Mittleramt zum Vortheil des Kaisers zu erfüllen, endlich selbst zur Parthey ihrer Oesterreichischen Glaubensbrüder übertraten, da die Union in Deutschland sich aufs nachdrücklichste für diese ins Mittel schlug, und die Furcht vor Repressalien des Kaisers den Matthias in die Enge trieb, so ließ er sich endlich die gewünschte Erklärung zum Vortheil der Evangelischen entreißen.

Dieses Betragen der Oesterreichischen Landstände gegen ihren Erzherzog nahmen sich nun die protestantischen Reichsstände in Deutschland zum Muster gegen ihren Kaiser, und sie versprachen sich denselben glücklichen Erfolg. Auf seinem ersten Reichstage zu Regensburg (1613), wo die dringendsten Angelegenheiten auf Entscheidung warteten, wo ein Krieg gegen die Türken und gegen den Fürsten Bethlen Gabor von Siebenbürgen, der sich unterdessen mit Türkischem Beystand zum Herrn dieses Landes aufgeworfen hatte und sogar Ungarn bedrohte, einen allgemeinen Geldbeytrag nothwendig machte, überraschten sie ihn mit einer ganz neuen Forderung. Die katholischen Stimmen waren noch immer die zahlreichern im Fürstenrath, und weil alles nach der Stimmenmehrheit entschieden wurde, so pflegten die evangelischen, auch wenn sie noch so sehr unter sich einig waren, gewöhnlich in keine Betrachtung zu kommen. Dieses Vortheils der Stimmenmehrheit sollten sich nun die Katholischen begeben, und keiner einzelnen Religionsparthey sollte es künftig erlaubt seyn, die Stimmen der andern durch ihre unwandelbare Mehrheit nach sich zu ziehen. Und in Wahrheit, wenn die evangelische Religion auf dem Reichstage repräsentirt werden sollte, so schien es sich von selbst zu verstehen, daß ihr durch die Verfassung des Reichstags selbst nicht

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[68/0076] zählen. Das Beyspiel Rudolphs solle dem Matthias eine Warnung seyn. Er möge sich hüten, daß er das Irdische nicht verliere, um Eroberungen für den Himmel zu machen.“ Da die Mährischen Stände, anstatt ihr Mittleramt zum Vortheil des Kaisers zu erfüllen, endlich selbst zur Parthey ihrer Oesterreichischen Glaubensbrüder übertraten, da die Union in Deutschland sich aufs nachdrücklichste für diese ins Mittel schlug, und die Furcht vor Repressalien des Kaisers den Matthias in die Enge trieb, so ließ er sich endlich die gewünschte Erklärung zum Vortheil der Evangelischen entreißen. Dieses Betragen der Oesterreichischen Landstände gegen ihren Erzherzog nahmen sich nun die protestantischen Reichsstände in Deutschland zum Muster gegen ihren Kaiser, und sie versprachen sich denselben glücklichen Erfolg. Auf seinem ersten Reichstage zu Regensburg (1613), wo die dringendsten Angelegenheiten auf Entscheidung warteten, wo ein Krieg gegen die Türken und gegen den Fürsten Bethlen Gabor von Siebenbürgen, der sich unterdessen mit Türkischem Beystand zum Herrn dieses Landes aufgeworfen hatte und sogar Ungarn bedrohte, einen allgemeinen Geldbeytrag nothwendig machte, überraschten sie ihn mit einer ganz neuen Forderung. Die katholischen Stimmen waren noch immer die zahlreichern im Fürstenrath, und weil alles nach der Stimmenmehrheit entschieden wurde, so pflegten die evangelischen, auch wenn sie noch so sehr unter sich einig waren, gewöhnlich in keine Betrachtung zu kommen. Dieses Vortheils der Stimmenmehrheit sollten sich nun die Katholischen begeben, und keiner einzelnen Religionsparthey sollte es künftig erlaubt seyn, die Stimmen der andern durch ihre unwandelbare Mehrheit nach sich zu ziehen. Und in Wahrheit, wenn die evangelische Religion auf dem Reichstage repräsentirt werden sollte, so schien es sich von selbst zu verstehen, daß ihr durch die Verfassung des Reichstags selbst nicht

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/76>, abgerufen am 28.11.2024.