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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Vorschriften der goldnen Bulle Besiz von der Vormundschaft und der ganzen Verwaltung des Landes. Dem neunjährigen Churfürsten (Friedrich IV.) gab man Kalvinische Lehrer, denen aufgetragen war, den Lutherischen Kezerglauben, selbst, wenn es seyn müßte, mit Schlägen, aus der Seele ihres Zöglings heraus zu treiben. Wenn man so mit dem Herrn verfuhr, so läßt sich leicht auf die Behandlung des Unterthans schließen.

Unter diesem Friedrich IV. war es, wo sich der Pfälzische Hof ganz besonders geschäftig zeigte, die protestantischen Stände Deutschlands zu einträchtigen Maßregeln gegen das Haus Oesterreich zu vermögen, und wo möglich einen allgemeinen Zusammentritt derselben zu Stande zu bringen. Neben dem, daß dieser Hof durch Französische Rathschläge geleitet wurde, von denen immer der Haß gegen Oesterreich die Seele war, zwang ihn die Sorge für seine eigne Sicherheit, sich gegen einen nahen und überlegenen Feind des so zweifelhaften Schuzes der Evangelischen bey Zeiten zu versichern. Große Schwierigkeiten sezten sich dieser Vereinigung entgegen, weil die Abneigung der Evangelischen gegen die Reformirten kaum geringer war, als ihr gemeinschaftlicher Abscheu vor den Papisten. Man versuchte also zuerst, die Religionen zu vereinigen, um dadurch die politische Verbindung zu erleichtern; aber alle diese Versuche schlugen fehl, und endigten gewöhnlich damit, daß sich jeder Theil nur desto mehr in seiner Meinung befestigte. Nichts blieb also übrig, als die Furcht und das Mißtrauen der Evangelischen zu vermehren, und dadurch die Nothwendigkeit einer solchen Vereinigung herbey zu führen. Man vergrösserte die Macht der Katholischen; man übertrieb die Gefahr; zufällige Ereignisse wurden einem überdachten Plane zugeschrieben; unschuldige Vorfälle durch gehäßige Auslegungen entstellt, und dem ganzen Betragen der Katholischen eine

Vorschriften der goldnen Bulle Besiz von der Vormundschaft und der ganzen Verwaltung des Landes. Dem neunjährigen Churfürsten (Friedrich IV.) gab man Kalvinische Lehrer, denen aufgetragen war, den Lutherischen Kezerglauben, selbst, wenn es seyn müßte, mit Schlägen, aus der Seele ihres Zöglings heraus zu treiben. Wenn man so mit dem Herrn verfuhr, so läßt sich leicht auf die Behandlung des Unterthans schließen.

Unter diesem Friedrich IV. war es, wo sich der Pfälzische Hof ganz besonders geschäftig zeigte, die protestantischen Stände Deutschlands zu einträchtigen Maßregeln gegen das Haus Oesterreich zu vermögen, und wo möglich einen allgemeinen Zusammentritt derselben zu Stande zu bringen. Neben dem, daß dieser Hof durch Französische Rathschläge geleitet wurde, von denen immer der Haß gegen Oesterreich die Seele war, zwang ihn die Sorge für seine eigne Sicherheit, sich gegen einen nahen und überlegenen Feind des so zweifelhaften Schuzes der Evangelischen bey Zeiten zu versichern. Große Schwierigkeiten sezten sich dieser Vereinigung entgegen, weil die Abneigung der Evangelischen gegen die Reformirten kaum geringer war, als ihr gemeinschaftlicher Abscheu vor den Papisten. Man versuchte also zuerst, die Religionen zu vereinigen, um dadurch die politische Verbindung zu erleichtern; aber alle diese Versuche schlugen fehl, und endigten gewöhnlich damit, daß sich jeder Theil nur desto mehr in seiner Meinung befestigte. Nichts blieb also übrig, als die Furcht und das Mißtrauen der Evangelischen zu vermehren, und dadurch die Nothwendigkeit einer solchen Vereinigung herbey zu führen. Man vergrösserte die Macht der Katholischen; man übertrieb die Gefahr; zufällige Ereignisse wurden einem überdachten Plane zugeschrieben; unschuldige Vorfälle durch gehäßige Auslegungen entstellt, und dem ganzen Betragen der Katholischen eine

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[52/0060] Vorschriften der goldnen Bulle Besiz von der Vormundschaft und der ganzen Verwaltung des Landes. Dem neunjährigen Churfürsten (Friedrich IV.) gab man Kalvinische Lehrer, denen aufgetragen war, den Lutherischen Kezerglauben, selbst, wenn es seyn müßte, mit Schlägen, aus der Seele ihres Zöglings heraus zu treiben. Wenn man so mit dem Herrn verfuhr, so läßt sich leicht auf die Behandlung des Unterthans schließen. Unter diesem Friedrich IV. war es, wo sich der Pfälzische Hof ganz besonders geschäftig zeigte, die protestantischen Stände Deutschlands zu einträchtigen Maßregeln gegen das Haus Oesterreich zu vermögen, und wo möglich einen allgemeinen Zusammentritt derselben zu Stande zu bringen. Neben dem, daß dieser Hof durch Französische Rathschläge geleitet wurde, von denen immer der Haß gegen Oesterreich die Seele war, zwang ihn die Sorge für seine eigne Sicherheit, sich gegen einen nahen und überlegenen Feind des so zweifelhaften Schuzes der Evangelischen bey Zeiten zu versichern. Große Schwierigkeiten sezten sich dieser Vereinigung entgegen, weil die Abneigung der Evangelischen gegen die Reformirten kaum geringer war, als ihr gemeinschaftlicher Abscheu vor den Papisten. Man versuchte also zuerst, die Religionen zu vereinigen, um dadurch die politische Verbindung zu erleichtern; aber alle diese Versuche schlugen fehl, und endigten gewöhnlich damit, daß sich jeder Theil nur desto mehr in seiner Meinung befestigte. Nichts blieb also übrig, als die Furcht und das Mißtrauen der Evangelischen zu vermehren, und dadurch die Nothwendigkeit einer solchen Vereinigung herbey zu führen. Man vergrösserte die Macht der Katholischen; man übertrieb die Gefahr; zufällige Ereignisse wurden einem überdachten Plane zugeschrieben; unschuldige Vorfälle durch gehäßige Auslegungen entstellt, und dem ganzen Betragen der Katholischen eine

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/60>, abgerufen am 29.11.2024.