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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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seyn, dem katholischen Theile diese vierte Chur zu entreißen. Das Beyspiel selbst war schon in mehreren geistlichen Stiftern Niederdeutschlands gegeben, und glücklich durchgesezt worden. Mehrere Domkapitularen aus Cöln waren bereits Protestanten, und auf des Churfürsten Seite; in der Stadt selbst war ihm ein zahlreicher protestantischer Anhang gewiß. Alle diese Gründe, denen das Zureden seiner Freunde und Verwandten und die Versprechungen vieler Deutschen Höfe noch mehr Stärke gaben, brachten den Churfürsten zu dem Entschluß, auch bey veränderter Religion sein Erzstift beyzubehalten.

Aber bald genug zeigte sichs, daß er einen Kampf unternommen hatte, den er nicht endigen konnte. Schon die Freygebung des protestantischen Gottesdienstes in den Cöllnischen Landen hatte bey den katholischen Landständen und Domkapitularen den heftigsten Widerspruch gefunden. Die Dazwischenkunft des Kaisers und ein Bannstrahl aus Rom, der ihn als einen Apostaten verfluchte, und aller seiner sowohl geistlichen als weltlichen Würden entsezte, bewaffnete gegen ihn seine Landstände und sein Kapitel. Der Churfürst sammelte eine militärische Macht; die Kapitularen thaten ein gleiches. Um sich schnell eines mächtigen Arms zu versichern, eilten sie zu einer neuen Churfürstenwahl, welche für den Bischof von Lüttich einen Bayerischen Prinzen, entschieden wurde.

Ein bürgerlicher Krieg fing jetzt an, der, bey dem grossen Antheil, den beyde Religionspartheyen in Deutschland an diesem Vorfalle nothwendig nehmen mußten, leicht in eine allgemeine Auflösung des Reichsfriedens endigen konnte. Am meisten empörte die Protestanten, daß der Pabst sich hatte heraus nehmen dürfen, aus angemaßter apostolischer Gewalt einen Reichsfürsten seiner Reichswürden zu entkleiden. Noch in den goldnen Zeiten ihrer geistlichen Herrschaft war den Päbsten dieses Recht widersprochen

seyn, dem katholischen Theile diese vierte Chur zu entreißen. Das Beyspiel selbst war schon in mehreren geistlichen Stiftern Niederdeutschlands gegeben, und glücklich durchgesezt worden. Mehrere Domkapitularen aus Cöln waren bereits Protestanten, und auf des Churfürsten Seite; in der Stadt selbst war ihm ein zahlreicher protestantischer Anhang gewiß. Alle diese Gründe, denen das Zureden seiner Freunde und Verwandten und die Versprechungen vieler Deutschen Höfe noch mehr Stärke gaben, brachten den Churfürsten zu dem Entschluß, auch bey veränderter Religion sein Erzstift beyzubehalten.

Aber bald genug zeigte sichs, daß er einen Kampf unternommen hatte, den er nicht endigen konnte. Schon die Freygebung des protestantischen Gottesdienstes in den Cöllnischen Landen hatte bey den katholischen Landständen und Domkapitularen den heftigsten Widerspruch gefunden. Die Dazwischenkunft des Kaisers und ein Bannstrahl aus Rom, der ihn als einen Apostaten verfluchte, und aller seiner sowohl geistlichen als weltlichen Würden entsezte, bewaffnete gegen ihn seine Landstände und sein Kapitel. Der Churfürst sammelte eine militärische Macht; die Kapitularen thaten ein gleiches. Um sich schnell eines mächtigen Arms zu versichern, eilten sie zu einer neuen Churfürstenwahl, welche für den Bischof von Lüttich einen Bayerischen Prinzen, entschieden wurde.

Ein bürgerlicher Krieg fing jetzt an, der, bey dem grossen Antheil, den beyde Religionspartheyen in Deutschland an diesem Vorfalle nothwendig nehmen mußten, leicht in eine allgemeine Auflösung des Reichsfriedens endigen konnte. Am meisten empörte die Protestanten, daß der Pabst sich hatte heraus nehmen dürfen, aus angemaßter apostolischer Gewalt einen Reichsfürsten seiner Reichswürden zu entkleiden. Noch in den goldnen Zeiten ihrer geistlichen Herrschaft war den Päbsten dieses Recht widersprochen

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[46/0054] seyn, dem katholischen Theile diese vierte Chur zu entreißen. Das Beyspiel selbst war schon in mehreren geistlichen Stiftern Niederdeutschlands gegeben, und glücklich durchgesezt worden. Mehrere Domkapitularen aus Cöln waren bereits Protestanten, und auf des Churfürsten Seite; in der Stadt selbst war ihm ein zahlreicher protestantischer Anhang gewiß. Alle diese Gründe, denen das Zureden seiner Freunde und Verwandten und die Versprechungen vieler Deutschen Höfe noch mehr Stärke gaben, brachten den Churfürsten zu dem Entschluß, auch bey veränderter Religion sein Erzstift beyzubehalten. Aber bald genug zeigte sichs, daß er einen Kampf unternommen hatte, den er nicht endigen konnte. Schon die Freygebung des protestantischen Gottesdienstes in den Cöllnischen Landen hatte bey den katholischen Landständen und Domkapitularen den heftigsten Widerspruch gefunden. Die Dazwischenkunft des Kaisers und ein Bannstrahl aus Rom, der ihn als einen Apostaten verfluchte, und aller seiner sowohl geistlichen als weltlichen Würden entsezte, bewaffnete gegen ihn seine Landstände und sein Kapitel. Der Churfürst sammelte eine militärische Macht; die Kapitularen thaten ein gleiches. Um sich schnell eines mächtigen Arms zu versichern, eilten sie zu einer neuen Churfürstenwahl, welche für den Bischof von Lüttich einen Bayerischen Prinzen, entschieden wurde. Ein bürgerlicher Krieg fing jetzt an, der, bey dem grossen Antheil, den beyde Religionspartheyen in Deutschland an diesem Vorfalle nothwendig nehmen mußten, leicht in eine allgemeine Auflösung des Reichsfriedens endigen konnte. Am meisten empörte die Protestanten, daß der Pabst sich hatte heraus nehmen dürfen, aus angemaßter apostolischer Gewalt einen Reichsfürsten seiner Reichswürden zu entkleiden. Noch in den goldnen Zeiten ihrer geistlichen Herrschaft war den Päbsten dieses Recht widersprochen

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/54>, abgerufen am 30.11.2024.