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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Kayserlich-Bayrischen Völker, welche endlich bey Thierhaupten den Uebergang über den Lechstrom vollbrachten, vermehrte bloß das Elend des Landes, welches Freund und Feind ohne Unterschied plünderten.

Jetzt endlich - jetzt, in diesem ganzen Kriege zum erstenmal, wankte der standhafte Muth Maximilians, der acht und zwanzig Jahre lang bey den härtesten Proben unerschüttert geblieben. Ferdinand der Zweyte, sein Gespiele zu Ingolstadt und der Freund seiner Jugend, war nicht mehr; mit dem Tode dieses Freundes und Wohlthäters war eins der stärksten Bande zerrissen, die den Churfürsten an Oesterreichs Interesse gefesselt hatten. An den Vater hatte ihn Gewohnheit, Neigung und Dankbarkeit gekettet; der Sohn war seinem Herzen fremd, und nur das Staatsinteresse konnte ihn in der Treue gegen diesen Fürsten erhalten.

Und eben dieses Letztere war es, was die Französische Arglist jetzt wirken ließ, um ihn von der Oesterreichischen Allianz abzulocken und zu Niederlegung der Waffen zu bewegen. Nicht ohne eine große Absicht hatte Mazarin seiner Eifersucht gegen die wachsende Macht Schwedens Stillschweigen auferlegt, und den Französischen Völkern gestattet, die Schweden nach Bayern zu begleiten. Bayern sollte alle Schrecknisse des Krieges erleiden, damit endlich Noth und Verzweiflung die Standhaftigkeit Maximilians besiegten, und der Kaiser den ersten und letzten seiner Alliirten verlöre. Brandenburg hatte unter seinem großen Regenten die Neutralität erwählt, Sachsen aus Noth ergreifen müssen; den Spaniern untersagte der Französische Krieg jeden Antheil an dem Deutschen; Dänemark hatte der Friede mit Schweden von der Kriegsbühne abgerufen, Pohlen ein langer Stillstand entwaffnet. Gelang es, auch noch den Churfürsten von Bayern von dem Oesterreichischen Bündniß loszureissen, so hatte der Kaiser im ganzen Deutschland keinen Verfechter mehr, und schutzlos

Kayserlich-Bayrischen Völker, welche endlich bey Thierhaupten den Uebergang über den Lechstrom vollbrachten, vermehrte bloß das Elend des Landes, welches Freund und Feind ohne Unterschied plünderten.

Jetzt endlich – jetzt, in diesem ganzen Kriege zum erstenmal, wankte der standhafte Muth Maximilians, der acht und zwanzig Jahre lang bey den härtesten Proben unerschüttert geblieben. Ferdinand der Zweyte, sein Gespiele zu Ingolstadt und der Freund seiner Jugend, war nicht mehr; mit dem Tode dieses Freundes und Wohlthäters war eins der stärksten Bande zerrissen, die den Churfürsten an Oesterreichs Interesse gefesselt hatten. An den Vater hatte ihn Gewohnheit, Neigung und Dankbarkeit gekettet; der Sohn war seinem Herzen fremd, und nur das Staatsinteresse konnte ihn in der Treue gegen diesen Fürsten erhalten.

Und eben dieses Letztere war es, was die Französische Arglist jetzt wirken ließ, um ihn von der Oesterreichischen Allianz abzulocken und zu Niederlegung der Waffen zu bewegen. Nicht ohne eine große Absicht hatte Mazarin seiner Eifersucht gegen die wachsende Macht Schwedens Stillschweigen auferlegt, und den Französischen Völkern gestattet, die Schweden nach Bayern zu begleiten. Bayern sollte alle Schrecknisse des Krieges erleiden, damit endlich Noth und Verzweiflung die Standhaftigkeit Maximilians besiegten, und der Kaiser den ersten und letzten seiner Alliirten verlöre. Brandenburg hatte unter seinem großen Regenten die Neutralität erwählt, Sachsen aus Noth ergreifen müssen; den Spaniern untersagte der Französische Krieg jeden Antheil an dem Deutschen; Dänemark hatte der Friede mit Schweden von der Kriegsbühne abgerufen, Pohlen ein langer Stillstand entwaffnet. Gelang es, auch noch den Churfürsten von Bayern von dem Oesterreichischen Bündniß loszureissen, so hatte der Kaiser im ganzen Deutschland keinen Verfechter mehr, und schutzlos

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[477/0485] Kayserlich-Bayrischen Völker, welche endlich bey Thierhaupten den Uebergang über den Lechstrom vollbrachten, vermehrte bloß das Elend des Landes, welches Freund und Feind ohne Unterschied plünderten. Jetzt endlich – jetzt, in diesem ganzen Kriege zum erstenmal, wankte der standhafte Muth Maximilians, der acht und zwanzig Jahre lang bey den härtesten Proben unerschüttert geblieben. Ferdinand der Zweyte, sein Gespiele zu Ingolstadt und der Freund seiner Jugend, war nicht mehr; mit dem Tode dieses Freundes und Wohlthäters war eins der stärksten Bande zerrissen, die den Churfürsten an Oesterreichs Interesse gefesselt hatten. An den Vater hatte ihn Gewohnheit, Neigung und Dankbarkeit gekettet; der Sohn war seinem Herzen fremd, und nur das Staatsinteresse konnte ihn in der Treue gegen diesen Fürsten erhalten. Und eben dieses Letztere war es, was die Französische Arglist jetzt wirken ließ, um ihn von der Oesterreichischen Allianz abzulocken und zu Niederlegung der Waffen zu bewegen. Nicht ohne eine große Absicht hatte Mazarin seiner Eifersucht gegen die wachsende Macht Schwedens Stillschweigen auferlegt, und den Französischen Völkern gestattet, die Schweden nach Bayern zu begleiten. Bayern sollte alle Schrecknisse des Krieges erleiden, damit endlich Noth und Verzweiflung die Standhaftigkeit Maximilians besiegten, und der Kaiser den ersten und letzten seiner Alliirten verlöre. Brandenburg hatte unter seinem großen Regenten die Neutralität erwählt, Sachsen aus Noth ergreifen müssen; den Spaniern untersagte der Französische Krieg jeden Antheil an dem Deutschen; Dänemark hatte der Friede mit Schweden von der Kriegsbühne abgerufen, Pohlen ein langer Stillstand entwaffnet. Gelang es, auch noch den Churfürsten von Bayern von dem Oesterreichischen Bündniß loszureissen, so hatte der Kaiser im ganzen Deutschland keinen Verfechter mehr, und schutzlos

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/485>, abgerufen am 26.11.2024.