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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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seinem Bruder Wilhelm vermachte. Aber an eben dieser Armee, glaubten Schweden und Frankreich gegründete Rechte zu haben: jenes, weil sie im Namen dieser Krone geworben war, und ihr gehuldigt hatte; dieses, weil sie von seinem Geld unterhalten worden. Auch der Churprinz von der Pfalz trachtete nach dem Besitz derselben, um sich ihrer zu Wiedereroberung seiner Staaten zu bedienen, und versuchte Anfangs durch seine Agenten, und endlich in eigner Person, sie in sein Interesse zu ziehen. Selbst von kaiserlicher Seite geschah ein Versuch, diese Armee zu gewinnen; und dieß darf uns zu einer Zeit nicht wundern, wo nicht die Gerechtigkeit der Sache, nur der Preis der geleisteten Dienste in Betrachtung kam, und die Tapferkeit, wie jede andere Waare, dem Meistbietenden feil war. Aber Frankreich, vermögender und entschlossener, überbot alle Mitbewerber. Es erkaufte den General von Erlach, den Befehlshaber Breysachs, und die übrigen Oberhäupter, die ihm Breysach und die ganze Armee in die Hände spielten. Der junge Pfalzgraf Karl Ludwig, der schon in den vorhergehenden Jahren einen unglücklichen Feldzug gegen den Kaiser gethan hatte, sah auch hier seinen Anschlag scheitern. Im Begriff, Frankreich einen so schlimmen Dienst zu erzeigen, nahm er unbesonnener Weise seinen Weg durch dieses Reich, und hatte den unglücklichen Einfall, seinen Namen zu verschweigen. Dem Kardinal, der die gerechte Sache des Pfalzgrafen fürchtete, war jeder Vorwand willkommen, seinen Anschlag zu vereiteln. Er ließ ihn also zu Moulin gegen alles Völkerrecht anhalten, und gab ihm seine Freyheit nicht eher wieder, als bis der Ankauf der Weimarischen Truppen berichtigt war. So sahe sich Frankreich nun im Besitz einer beträchtlichen Kriegsmacht in Deutschland, und jetzt fing es eigentlich erst an, den Kaiser unter seinem eigenen Namen zu bekriegen.

seinem Bruder Wilhelm vermachte. Aber an eben dieser Armee, glaubten Schweden und Frankreich gegründete Rechte zu haben: jenes, weil sie im Namen dieser Krone geworben war, und ihr gehuldigt hatte; dieses, weil sie von seinem Geld unterhalten worden. Auch der Churprinz von der Pfalz trachtete nach dem Besitz derselben, um sich ihrer zu Wiedereroberung seiner Staaten zu bedienen, und versuchte Anfangs durch seine Agenten, und endlich in eigner Person, sie in sein Interesse zu ziehen. Selbst von kaiserlicher Seite geschah ein Versuch, diese Armee zu gewinnen; und dieß darf uns zu einer Zeit nicht wundern, wo nicht die Gerechtigkeit der Sache, nur der Preis der geleisteten Dienste in Betrachtung kam, und die Tapferkeit, wie jede andere Waare, dem Meistbietenden feil war. Aber Frankreich, vermögender und entschlossener, überbot alle Mitbewerber. Es erkaufte den General von Erlach, den Befehlshaber Breysachs, und die übrigen Oberhäupter, die ihm Breysach und die ganze Armee in die Hände spielten. Der junge Pfalzgraf Karl Ludwig, der schon in den vorhergehenden Jahren einen unglücklichen Feldzug gegen den Kaiser gethan hatte, sah auch hier seinen Anschlag scheitern. Im Begriff, Frankreich einen so schlimmen Dienst zu erzeigen, nahm er unbesonnener Weise seinen Weg durch dieses Reich, und hatte den unglücklichen Einfall, seinen Namen zu verschweigen. Dem Kardinal, der die gerechte Sache des Pfalzgrafen fürchtete, war jeder Vorwand willkommen, seinen Anschlag zu vereiteln. Er ließ ihn also zu Moulin gegen alles Völkerrecht anhalten, und gab ihm seine Freyheit nicht eher wieder, als bis der Ankauf der Weimarischen Truppen berichtigt war. So sahe sich Frankreich nun im Besitz einer beträchtlichen Kriegsmacht in Deutschland, und jetzt fing es eigentlich erst an, den Kaiser unter seinem eigenen Namen zu bekriegen.

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[446/0454] seinem Bruder Wilhelm vermachte. Aber an eben dieser Armee, glaubten Schweden und Frankreich gegründete Rechte zu haben: jenes, weil sie im Namen dieser Krone geworben war, und ihr gehuldigt hatte; dieses, weil sie von seinem Geld unterhalten worden. Auch der Churprinz von der Pfalz trachtete nach dem Besitz derselben, um sich ihrer zu Wiedereroberung seiner Staaten zu bedienen, und versuchte Anfangs durch seine Agenten, und endlich in eigner Person, sie in sein Interesse zu ziehen. Selbst von kaiserlicher Seite geschah ein Versuch, diese Armee zu gewinnen; und dieß darf uns zu einer Zeit nicht wundern, wo nicht die Gerechtigkeit der Sache, nur der Preis der geleisteten Dienste in Betrachtung kam, und die Tapferkeit, wie jede andere Waare, dem Meistbietenden feil war. Aber Frankreich, vermögender und entschlossener, überbot alle Mitbewerber. Es erkaufte den General von Erlach, den Befehlshaber Breysachs, und die übrigen Oberhäupter, die ihm Breysach und die ganze Armee in die Hände spielten. Der junge Pfalzgraf Karl Ludwig, der schon in den vorhergehenden Jahren einen unglücklichen Feldzug gegen den Kaiser gethan hatte, sah auch hier seinen Anschlag scheitern. Im Begriff, Frankreich einen so schlimmen Dienst zu erzeigen, nahm er unbesonnener Weise seinen Weg durch dieses Reich, und hatte den unglücklichen Einfall, seinen Namen zu verschweigen. Dem Kardinal, der die gerechte Sache des Pfalzgrafen fürchtete, war jeder Vorwand willkommen, seinen Anschlag zu vereiteln. Er ließ ihn also zu Moulin gegen alles Völkerrecht anhalten, und gab ihm seine Freyheit nicht eher wieder, als bis der Ankauf der Weimarischen Truppen berichtigt war. So sahe sich Frankreich nun im Besitz einer beträchtlichen Kriegsmacht in Deutschland, und jetzt fing es eigentlich erst an, den Kaiser unter seinem eigenen Namen zu bekriegen.

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/454>, abgerufen am 23.11.2024.