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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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seiner Mitstände, gegen Religion und Deutsche Freyheit, dachte er bloß darauf, seine eigenen Vortheile, wär's auch auf Unkosten des Ganzen, zu besorgen.

Und wirklich war das Elend in Deutschland zu einem so ausschweifenden Grade gestiegen, daß das Gebet um Frieden von tausendmal tausend Zungen ertönte, und auch der nachtheiligste noch immer für eine Wohlthat des Himmels galt. Wüsten lagen da, wo sonst tausend frohe und fleißige Menschen wimmelten, wo die Natur ihren herrlichsten Segen ergossen und Wohlleben und Ueberfluß geherrscht hatte; die Felder von der fleißigen Hand des Pflügers verlassen, lagen ungebaut und verwildert, und wo eine junge Saat aufschoß, oder eine lachende Aernte winkte, da zerstörte ein einziger Durchmarsch den Fleiß eines ganzen Jahres, die letzte Hoffnung des verschmachtenden Volkes. Verbrannte Schlösser, verwüstete Felder, eingeäscherte Dörfer lagen meilenweit herum in grauenvoller Zerstörung, während daß ihre verarmten Bewohner hingingen, die Zahl jener Mordbrennerheere zu vermehren, und, was sie selbst erlitten hatten, ihren verschonten Mitbürgern schrecklich zu erstatten. Kein Schutz gegen Unterdrückung, als selbst unterdrücken zu helfen. Die Städte seufzten unter der Geißel zügelloser und räuberischer Garnisonen, die das Eigenthum des Bürgers verschlangen, und die Freyheiten des Krieges, die Licenz ihres Standes, und die Vorrechte der Noth mit dem grausamsten Muthwillen geltend machten. Wenn schon unter dem kurzen Durchzug einer Armee ganze Landstrecken zur Einöde wurden, wenn andre durch Winterquartiere verarmten, oder durch Brandschatzungen ausgesogen wurden, so litten sie doch nur vorübergehende Plagen, und der Fleiß eines Jahres konnte die Drangsale einiger Monate vergessen machen. Aber keine Erholung wurde denjenigen zu Theil, die eine Besatzung

seiner Mitstände, gegen Religion und Deutsche Freyheit, dachte er bloß darauf, seine eigenen Vortheile, wär’s auch auf Unkosten des Ganzen, zu besorgen.

Und wirklich war das Elend in Deutschland zu einem so ausschweifenden Grade gestiegen, daß das Gebet um Frieden von tausendmal tausend Zungen ertönte, und auch der nachtheiligste noch immer für eine Wohlthat des Himmels galt. Wüsten lagen da, wo sonst tausend frohe und fleißige Menschen wimmelten, wo die Natur ihren herrlichsten Segen ergossen und Wohlleben und Ueberfluß geherrscht hatte; die Felder von der fleißigen Hand des Pflügers verlassen, lagen ungebaut und verwildert, und wo eine junge Saat aufschoß, oder eine lachende Aernte winkte, da zerstörte ein einziger Durchmarsch den Fleiß eines ganzen Jahres, die letzte Hoffnung des verschmachtenden Volkes. Verbrannte Schlösser, verwüstete Felder, eingeäscherte Dörfer lagen meilenweit herum in grauenvoller Zerstörung, während daß ihre verarmten Bewohner hingingen, die Zahl jener Mordbrennerheere zu vermehren, und, was sie selbst erlitten hatten, ihren verschonten Mitbürgern schrecklich zu erstatten. Kein Schutz gegen Unterdrückung, als selbst unterdrücken zu helfen. Die Städte seufzten unter der Geißel zügelloser und räuberischer Garnisonen, die das Eigenthum des Bürgers verschlangen, und die Freyheiten des Krieges, die Licenz ihres Standes, und die Vorrechte der Noth mit dem grausamsten Muthwillen geltend machten. Wenn schon unter dem kurzen Durchzug einer Armee ganze Landstrecken zur Einöde wurden, wenn andre durch Winterquartiere verarmten, oder durch Brandschatzungen ausgesogen wurden, so litten sie doch nur vorübergehende Plagen, und der Fleiß eines Jahres konnte die Drangsale einiger Monate vergessen machen. Aber keine Erholung wurde denjenigen zu Theil, die eine Besatzung

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[422/0430] seiner Mitstände, gegen Religion und Deutsche Freyheit, dachte er bloß darauf, seine eigenen Vortheile, wär’s auch auf Unkosten des Ganzen, zu besorgen. Und wirklich war das Elend in Deutschland zu einem so ausschweifenden Grade gestiegen, daß das Gebet um Frieden von tausendmal tausend Zungen ertönte, und auch der nachtheiligste noch immer für eine Wohlthat des Himmels galt. Wüsten lagen da, wo sonst tausend frohe und fleißige Menschen wimmelten, wo die Natur ihren herrlichsten Segen ergossen und Wohlleben und Ueberfluß geherrscht hatte; die Felder von der fleißigen Hand des Pflügers verlassen, lagen ungebaut und verwildert, und wo eine junge Saat aufschoß, oder eine lachende Aernte winkte, da zerstörte ein einziger Durchmarsch den Fleiß eines ganzen Jahres, die letzte Hoffnung des verschmachtenden Volkes. Verbrannte Schlösser, verwüstete Felder, eingeäscherte Dörfer lagen meilenweit herum in grauenvoller Zerstörung, während daß ihre verarmten Bewohner hingingen, die Zahl jener Mordbrennerheere zu vermehren, und, was sie selbst erlitten hatten, ihren verschonten Mitbürgern schrecklich zu erstatten. Kein Schutz gegen Unterdrückung, als selbst unterdrücken zu helfen. Die Städte seufzten unter der Geißel zügelloser und räuberischer Garnisonen, die das Eigenthum des Bürgers verschlangen, und die Freyheiten des Krieges, die Licenz ihres Standes, und die Vorrechte der Noth mit dem grausamsten Muthwillen geltend machten. Wenn schon unter dem kurzen Durchzug einer Armee ganze Landstrecken zur Einöde wurden, wenn andre durch Winterquartiere verarmten, oder durch Brandschatzungen ausgesogen wurden, so litten sie doch nur vorübergehende Plagen, und der Fleiß eines Jahres konnte die Drangsale einiger Monate vergessen machen. Aber keine Erholung wurde denjenigen zu Theil, die eine Besatzung

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/430>, abgerufen am 25.11.2024.