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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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die Mörder mit goldenen Gnadenketten, Kammerherrnschlüsseln, Dignitäten und Rittergütern zu belohnen.

So endigte Wallenstein, in einem Alter von funfzig Jahren, sein thatenreiches und außerordentliches Leben; durch Ehrgeitz emporgehoben, durch Ehrsucht gestürzt, bey allen seinen Mängeln noch groß und bewundernswerth, unübertrefflich, wenn er Maß gehalten hätte. Die Tugenden des Herrschers und Helden, Klugheit, Gerechtigkeit, Festigkeit und Muth, ragen in seinem Charakter kolossalisch hervor; aber ihm fehlten die sanftem Tugenden des Menschen, die den Helden zieren, und dem Herrscher Liebe erwerben. Furcht war der Talisman, durch den er wirkte, ausschweifend im Strafen wie im Belohnen wußte er den Eifer seiner Untergebenen in immerwährender Spannung zu erhalten, und befolgt zu seyn wie er, konnte kein Feldherr in mittlern und neuern Zeiten sich rühmen. Mehr als Tapferkeit galt ihm die Unterwürfigkeit gegen seine Befehle, weil durch jene nur der Soldat, durch diese der Feldherr handelt. Er übte die Folgsamkeit der Truppen durch eigensinnige Verordnungen, und belohnte die Willigkeit ihm zu gehorchen auch in Kleinigkeiten mit Verschwendung, weil er den Gehorsam höher als den Gegenstand schätzte. Einsmals ließ er bey Lebensstrafe verbieten, daß in der ganzen Armee keine andre als rothe Feldbinden getragen werden sollten. Ein Rittmeister hatte diesen Befehl kaum vernommen, als er seine mit Gold durchwirkte Feldbinde abnahm und mit Füßen trat. Wallenstein, dem man es hinterbrachte, machte ihn auf der Stelle zum Obersten. Stets war sein Blick auf das Ganze gerichtet, und bey allem Scheine der Willkühr, verlor er doch nie den Grundsatz der Zweckmäßigkeit aus den Augen. Die Räubereyen der Soldaten in Freundes Land, hatten geschärfte Verordnungen gegen die

die Mörder mit goldenen Gnadenketten, Kammerherrnschlüsseln, Dignitäten und Rittergütern zu belohnen.

So endigte Wallenstein, in einem Alter von funfzig Jahren, sein thatenreiches und außerordentliches Leben; durch Ehrgeitz emporgehoben, durch Ehrsucht gestürzt, bey allen seinen Mängeln noch groß und bewundernswerth, unübertrefflich, wenn er Maß gehalten hätte. Die Tugenden des Herrschers und Helden, Klugheit, Gerechtigkeit, Festigkeit und Muth, ragen in seinem Charakter kolossalisch hervor; aber ihm fehlten die sanftem Tugenden des Menschen, die den Helden zieren, und dem Herrscher Liebe erwerben. Furcht war der Talisman, durch den er wirkte, ausschweifend im Strafen wie im Belohnen wußte er den Eifer seiner Untergebenen in immerwährender Spannung zu erhalten, und befolgt zu seyn wie er, konnte kein Feldherr in mittlern und neuern Zeiten sich rühmen. Mehr als Tapferkeit galt ihm die Unterwürfigkeit gegen seine Befehle, weil durch jene nur der Soldat, durch diese der Feldherr handelt. Er übte die Folgsamkeit der Truppen durch eigensinnige Verordnungen, und belohnte die Willigkeit ihm zu gehorchen auch in Kleinigkeiten mit Verschwendung, weil er den Gehorsam höher als den Gegenstand schätzte. Einsmals ließ er bey Lebensstrafe verbieten, daß in der ganzen Armee keine andre als rothe Feldbinden getragen werden sollten. Ein Rittmeister hatte diesen Befehl kaum vernommen, als er seine mit Gold durchwirkte Feldbinde abnahm und mit Füßen trat. Wallenstein, dem man es hinterbrachte, machte ihn auf der Stelle zum Obersten. Stets war sein Blick auf das Ganze gerichtet, und bey allem Scheine der Willkühr, verlor er doch nie den Grundsatz der Zweckmäßigkeit aus den Augen. Die Räubereyen der Soldaten in Freundes Land, hatten geschärfte Verordnungen gegen die

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[411/0419] die Mörder mit goldenen Gnadenketten, Kammerherrnschlüsseln, Dignitäten und Rittergütern zu belohnen. So endigte Wallenstein, in einem Alter von funfzig Jahren, sein thatenreiches und außerordentliches Leben; durch Ehrgeitz emporgehoben, durch Ehrsucht gestürzt, bey allen seinen Mängeln noch groß und bewundernswerth, unübertrefflich, wenn er Maß gehalten hätte. Die Tugenden des Herrschers und Helden, Klugheit, Gerechtigkeit, Festigkeit und Muth, ragen in seinem Charakter kolossalisch hervor; aber ihm fehlten die sanftem Tugenden des Menschen, die den Helden zieren, und dem Herrscher Liebe erwerben. Furcht war der Talisman, durch den er wirkte, ausschweifend im Strafen wie im Belohnen wußte er den Eifer seiner Untergebenen in immerwährender Spannung zu erhalten, und befolgt zu seyn wie er, konnte kein Feldherr in mittlern und neuern Zeiten sich rühmen. Mehr als Tapferkeit galt ihm die Unterwürfigkeit gegen seine Befehle, weil durch jene nur der Soldat, durch diese der Feldherr handelt. Er übte die Folgsamkeit der Truppen durch eigensinnige Verordnungen, und belohnte die Willigkeit ihm zu gehorchen auch in Kleinigkeiten mit Verschwendung, weil er den Gehorsam höher als den Gegenstand schätzte. Einsmals ließ er bey Lebensstrafe verbieten, daß in der ganzen Armee keine andre als rothe Feldbinden getragen werden sollten. Ein Rittmeister hatte diesen Befehl kaum vernommen, als er seine mit Gold durchwirkte Feldbinde abnahm und mit Füßen trat. Wallenstein, dem man es hinterbrachte, machte ihn auf der Stelle zum Obersten. Stets war sein Blick auf das Ganze gerichtet, und bey allem Scheine der Willkühr, verlor er doch nie den Grundsatz der Zweckmäßigkeit aus den Augen. Die Räubereyen der Soldaten in Freundes Land, hatten geschärfte Verordnungen gegen die

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/419>, abgerufen am 22.11.2024.