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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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muß die Unthätigkeit eines Mannes, der bey weitem die höchsten Erwartungen rege machte, ein gerechtes Erstaunen erwecken. Unter allen Generalen, deren Thaten uns in diesem Feldzuge beschäftigt haben, war keiner, der sich an Erfahrung, Talent und Kriegsruhm mit Wallenstein messen durfte; und gerade dieser verliert sich seit dem Treffen bey Lützen aus unsern Augen. Der Fall seines großen Gegners läßt ihm allein jetzt den ganzen Schauplatz des Ruhmes frey, die ganze Aufmerksamkeit Europa's ist auf die Thaten gespannt, die das Andenken seiner Niederlage auslöschen, und seine Ueberlegenheit in der Kriegskunst der Welt verkündigen sollen. Und doch liegt er still in Böhmen, indeß die Verluste des Kaisers in Bayern, in Niedersachsen, am Rhein, seine Gegenwart dringend fodern; ein gleich undurchdringliches Geheimniß für Freund und Feind, der Schrecken, und doch zugleich die letzte Hoffnung des Kaisers. Mit unerklärbarer Eilfertigkeit hatte er sich nach dem verlorenen Treffen bey Lützen in das Königreich Böhmen gezogen, wo er über das Verhalten seiner Offiziere in dieser Schlacht die strengsten Untersuchungen anstellte. Die das Kriegsgericht für schuldig erkannte, wurden mit unerbittlicher Strenge zum Tode verurtheilt, die sich brav gehalten hatten, mit königlicher Großmuth belohnt, und das Andenken der Gebliebenen durch herrliche Monumente verewigt. Den Winter über drückte er die kaiserlichen Provinzen durch übermäßige Contributionen, und durch die Winterquartiere, die er absichtlich nicht in feindlichen Ländern nahm, um das Mark der Oesterreichischen Länder auszusaugen. Anstatt aber mit seiner wohl gepflegten und auserlesenen Armee beym Anbruch des Frühlings 1633 den Feldzug vor allen andern zu eröffnen, und sich in seiner ganzen Feldherrnkraft zu erheben, war er der letzte, der im Felde erschien, und auch jetzt war es ein kaiserliches Erbland, das er zum Schauplatz des Krieges machte.

muß die Unthätigkeit eines Mannes, der bey weitem die höchsten Erwartungen rege machte, ein gerechtes Erstaunen erwecken. Unter allen Generalen, deren Thaten uns in diesem Feldzuge beschäftigt haben, war keiner, der sich an Erfahrung, Talent und Kriegsruhm mit Wallenstein messen durfte; und gerade dieser verliert sich seit dem Treffen bey Lützen aus unsern Augen. Der Fall seines großen Gegners läßt ihm allein jetzt den ganzen Schauplatz des Ruhmes frey, die ganze Aufmerksamkeit Europa’s ist auf die Thaten gespannt, die das Andenken seiner Niederlage auslöschen, und seine Ueberlegenheit in der Kriegskunst der Welt verkündigen sollen. Und doch liegt er still in Böhmen, indeß die Verluste des Kaisers in Bayern, in Niedersachsen, am Rhein, seine Gegenwart dringend fodern; ein gleich undurchdringliches Geheimniß für Freund und Feind, der Schrecken, und doch zugleich die letzte Hoffnung des Kaisers. Mit unerklärbarer Eilfertigkeit hatte er sich nach dem verlorenen Treffen bey Lützen in das Königreich Böhmen gezogen, wo er über das Verhalten seiner Offiziere in dieser Schlacht die strengsten Untersuchungen anstellte. Die das Kriegsgericht für schuldig erkannte, wurden mit unerbittlicher Strenge zum Tode verurtheilt, die sich brav gehalten hatten, mit königlicher Großmuth belohnt, und das Andenken der Gebliebenen durch herrliche Monumente verewigt. Den Winter über drückte er die kaiserlichen Provinzen durch übermäßige Contributionen, und durch die Winterquartiere, die er absichtlich nicht in feindlichen Ländern nahm, um das Mark der Oesterreichischen Länder auszusaugen. Anstatt aber mit seiner wohl gepflegten und auserlesenen Armee beym Anbruch des Frühlings 1633 den Feldzug vor allen andern zu eröffnen, und sich in seiner ganzen Feldherrnkraft zu erheben, war er der letzte, der im Felde erschien, und auch jetzt war es ein kaiserliches Erbland, das er zum Schauplatz des Krieges machte.

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[378/0386] muß die Unthätigkeit eines Mannes, der bey weitem die höchsten Erwartungen rege machte, ein gerechtes Erstaunen erwecken. Unter allen Generalen, deren Thaten uns in diesem Feldzuge beschäftigt haben, war keiner, der sich an Erfahrung, Talent und Kriegsruhm mit Wallenstein messen durfte; und gerade dieser verliert sich seit dem Treffen bey Lützen aus unsern Augen. Der Fall seines großen Gegners läßt ihm allein jetzt den ganzen Schauplatz des Ruhmes frey, die ganze Aufmerksamkeit Europa’s ist auf die Thaten gespannt, die das Andenken seiner Niederlage auslöschen, und seine Ueberlegenheit in der Kriegskunst der Welt verkündigen sollen. Und doch liegt er still in Böhmen, indeß die Verluste des Kaisers in Bayern, in Niedersachsen, am Rhein, seine Gegenwart dringend fodern; ein gleich undurchdringliches Geheimniß für Freund und Feind, der Schrecken, und doch zugleich die letzte Hoffnung des Kaisers. Mit unerklärbarer Eilfertigkeit hatte er sich nach dem verlorenen Treffen bey Lützen in das Königreich Böhmen gezogen, wo er über das Verhalten seiner Offiziere in dieser Schlacht die strengsten Untersuchungen anstellte. Die das Kriegsgericht für schuldig erkannte, wurden mit unerbittlicher Strenge zum Tode verurtheilt, die sich brav gehalten hatten, mit königlicher Großmuth belohnt, und das Andenken der Gebliebenen durch herrliche Monumente verewigt. Den Winter über drückte er die kaiserlichen Provinzen durch übermäßige Contributionen, und durch die Winterquartiere, die er absichtlich nicht in feindlichen Ländern nahm, um das Mark der Oesterreichischen Länder auszusaugen. Anstatt aber mit seiner wohl gepflegten und auserlesenen Armee beym Anbruch des Frühlings 1633 den Feldzug vor allen andern zu eröffnen, und sich in seiner ganzen Feldherrnkraft zu erheben, war er der letzte, der im Felde erschien, und auch jetzt war es ein kaiserliches Erbland, das er zum Schauplatz des Krieges machte.

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/386>, abgerufen am 24.11.2024.