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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Fußvolk am gefährlichsten bedrängt war, und indem er seine Blicke umher sendet, irgend eine Blöße des feindlichen Heers auszuspähen, auf die er den Angriff richten könnte, führt ihn sein kurzes Gesicht zu nah an dasselbe. Ein kaiserlicher Gefreyter bemerkt, daß dem Vorübersprengenden alles ehrfurchtsvoll Platz macht, und schnell befiehlt er einem Musketier, auf ihn anzuschlagen. "Auf den dort schieße," ruft er, "das muß ein vornehmer Mann seyn." Der Soldat drückt ab, und dem König wird der linke Arm zerschmettert. In diesem Augenblick kommen seine Schwadronen dahergesprengt, und ein verwirrtes Geschrey: Der König blutet - Der König ist erschossen! breitet unter den Ankommenden Schrecken und Entsetzen aus. "Es ist nichts - folgt mir" ruft der König, seine ganze Stärke zusammenraffend; aber überwältigt von Schmerz und der Ohnmacht nahe, bittet er in Französischer Sprache den Herzog von Lauenburg, ihn ohne Aufsehen aus dem Gedränge zu schaffen. Indem der Letztere auf einem weiten Umweg, um der muthlosen Infanterie diesen niederschlagenden Anblick zu entziehen, nach dem rechten Flügel mit dem Könige umwendet, erhält dieser einen zweyten Schuß durch den Rücken, der ihm den letzten Rest seiner Kräfte raubt. "Ich habe genug, Bruder," ruft er mit sterbender Stimme. "Suche du nur dein Leben zu retten." Zugleich sank er vom Pferd, und von noch mehrern Schüssen durchbohrt, von allen seinen Begleitern verlassen, verhauchte er unter den räuberischen Händen der Kroaten sein Leben. Bald entdeckte sein ledig fliehendes, in Blute gebadetes Roß der Schwedischen Reiterey ihres Königs Fall, und wüthend dringt sie herbey, dem gierigen Feind diese heilige Beute zu entreißen. Um seinen Leichnam entbrennt ein mördrisches Gefecht, und der entstellte Körper wird unter einem Hügel von Todten begraben.

Die Schreckenspost durcheilt in kurzer Zeit das ganze Schwedische Heer; aber anstatt den Muth

Fußvolk am gefährlichsten bedrängt war, und indem er seine Blicke umher sendet, irgend eine Blöße des feindlichen Heers auszuspähen, auf die er den Angriff richten könnte, führt ihn sein kurzes Gesicht zu nah an dasselbe. Ein kaiserlicher Gefreyter bemerkt, daß dem Vorübersprengenden alles ehrfurchtsvoll Platz macht, und schnell befiehlt er einem Musketier, auf ihn anzuschlagen. „Auf den dort schieße,“ ruft er, „das muß ein vornehmer Mann seyn.“ Der Soldat drückt ab, und dem König wird der linke Arm zerschmettert. In diesem Augenblick kommen seine Schwadronen dahergesprengt, und ein verwirrtes Geschrey: Der König blutet – Der König ist erschossen! breitet unter den Ankommenden Schrecken und Entsetzen aus. „Es ist nichts – folgt mir“ ruft der König, seine ganze Stärke zusammenraffend; aber überwältigt von Schmerz und der Ohnmacht nahe, bittet er in Französischer Sprache den Herzog von Lauenburg, ihn ohne Aufsehen aus dem Gedränge zu schaffen. Indem der Letztere auf einem weiten Umweg, um der muthlosen Infanterie diesen niederschlagenden Anblick zu entziehen, nach dem rechten Flügel mit dem Könige umwendet, erhält dieser einen zweyten Schuß durch den Rücken, der ihm den letzten Rest seiner Kräfte raubt. „Ich habe genug, Bruder,“ ruft er mit sterbender Stimme. „Suche du nur dein Leben zu retten.“ Zugleich sank er vom Pferd, und von noch mehrern Schüssen durchbohrt, von allen seinen Begleitern verlassen, verhauchte er unter den räuberischen Händen der Kroaten sein Leben. Bald entdeckte sein ledig fliehendes, in Blute gebadetes Roß der Schwedischen Reiterey ihres Königs Fall, und wüthend dringt sie herbey, dem gierigen Feind diese heilige Beute zu entreißen. Um seinen Leichnam entbrennt ein mördrisches Gefecht, und der entstellte Körper wird unter einem Hügel von Todten begraben.

Die Schreckenspost durcheilt in kurzer Zeit das ganze Schwedische Heer; aber anstatt den Muth

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[338/0346] Fußvolk am gefährlichsten bedrängt war, und indem er seine Blicke umher sendet, irgend eine Blöße des feindlichen Heers auszuspähen, auf die er den Angriff richten könnte, führt ihn sein kurzes Gesicht zu nah an dasselbe. Ein kaiserlicher Gefreyter bemerkt, daß dem Vorübersprengenden alles ehrfurchtsvoll Platz macht, und schnell befiehlt er einem Musketier, auf ihn anzuschlagen. „Auf den dort schieße,“ ruft er, „das muß ein vornehmer Mann seyn.“ Der Soldat drückt ab, und dem König wird der linke Arm zerschmettert. In diesem Augenblick kommen seine Schwadronen dahergesprengt, und ein verwirrtes Geschrey: Der König blutet – Der König ist erschossen! breitet unter den Ankommenden Schrecken und Entsetzen aus. „Es ist nichts – folgt mir“ ruft der König, seine ganze Stärke zusammenraffend; aber überwältigt von Schmerz und der Ohnmacht nahe, bittet er in Französischer Sprache den Herzog von Lauenburg, ihn ohne Aufsehen aus dem Gedränge zu schaffen. Indem der Letztere auf einem weiten Umweg, um der muthlosen Infanterie diesen niederschlagenden Anblick zu entziehen, nach dem rechten Flügel mit dem Könige umwendet, erhält dieser einen zweyten Schuß durch den Rücken, der ihm den letzten Rest seiner Kräfte raubt. „Ich habe genug, Bruder,“ ruft er mit sterbender Stimme. „Suche du nur dein Leben zu retten.“ Zugleich sank er vom Pferd, und von noch mehrern Schüssen durchbohrt, von allen seinen Begleitern verlassen, verhauchte er unter den räuberischen Händen der Kroaten sein Leben. Bald entdeckte sein ledig fliehendes, in Blute gebadetes Roß der Schwedischen Reiterey ihres Königs Fall, und wüthend dringt sie herbey, dem gierigen Feind diese heilige Beute zu entreißen. Um seinen Leichnam entbrennt ein mördrisches Gefecht, und der entstellte Körper wird unter einem Hügel von Todten begraben. Die Schreckenspost durcheilt in kurzer Zeit das ganze Schwedische Heer; aber anstatt den Muth

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/346>, abgerufen am 22.11.2024.