Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.anzuvertrauen. Er entschuldigte sich mit der Schwäche seiner Armee, die auf ihrem Zug in das Reich durch eine so starke Verminderung leiden würde, und verscherzte aus übergroßer Vorsicht vielleicht die Gelegenheit, den Krieg auf das schnellste zu endigen. Zu spät versuchte er in der Folge, die zerrissenen Unterhandlungen zu erneuern; der günstige Moment war vorüber, und Wallensteins beleidigter Stolz vergab ihm diese Geringschätzung nie. Aber diese Weigerung des Königs beschleunigte wahrscheinlich nur den Bruch, den die Form dieser beyden Charaktere ganz unvermeidlich machte. Beyde geboren Gesetze zu geben, nicht sie zu empfangen, konnten nimmermehr in einer Unternehmung vereinigt bleiben, die mehr als jede andre Nachgiebigkeit und gegenseitige Opfer nochwendig macht. Wallenstein war Nichts, wo er nicht Alles war; er mußte entweder gar nicht, oder mit vollkommenster Freyheit handeln. Eben so herzlich haßte Gustav Adolph jede Abhängigkeit, und wenig fehlte, daß er selbst die so vortheilhafte Verbindung mit dem Französischen Hofe nicht zerrissen hätte, weil die Anmaßungen desselben seinem selbstthätigen Geiste Fesseln anlegten. Jener war für die Partey verloren, die er nicht lenken durfte; dieser noch weit weniger dazu gemacht, dem Gängelbande zu folgen. Waren die gebieterischen Anmaßungen dieses Bundsgenossen dem Herzog von Friedland bey ihren gemeinschaftlichen Operationen schon so lästig, so mußten sie ihm unerträglich seyn, wenn es dazu kam, sich in die Beute zu theilen. Der stolze Monarch konnte sich herablassen, den Beystand eines rebellischen Unterthans gegen den Kaiser anzunehmen, und diesen wichtigen Dienst mit königlicher Großmuth belohnen; aber nie konnte er seine eigene und aller Könige Majestät so sehr aus den Augen setzen, um den Preis zu bestätigen, den die ausschweifende Ehrsucht des Herzogs darauf zu setzen wagte; nie eine nützliche Verrätherey mit einer Krone bezahlen. Von ihm anzuvertrauen. Er entschuldigte sich mit der Schwäche seiner Armee, die auf ihrem Zug in das Reich durch eine so starke Verminderung leiden würde, und verscherzte aus übergroßer Vorsicht vielleicht die Gelegenheit, den Krieg auf das schnellste zu endigen. Zu spät versuchte er in der Folge, die zerrissenen Unterhandlungen zu erneuern; der günstige Moment war vorüber, und Wallensteins beleidigter Stolz vergab ihm diese Geringschätzung nie. Aber diese Weigerung des Königs beschleunigte wahrscheinlich nur den Bruch, den die Form dieser beyden Charaktere ganz unvermeidlich machte. Beyde geboren Gesetze zu geben, nicht sie zu empfangen, konnten nimmermehr in einer Unternehmung vereinigt bleiben, die mehr als jede andre Nachgiebigkeit und gegenseitige Opfer nochwendig macht. Wallenstein war Nichts, wo er nicht Alles war; er mußte entweder gar nicht, oder mit vollkommenster Freyheit handeln. Eben so herzlich haßte Gustav Adolph jede Abhängigkeit, und wenig fehlte, daß er selbst die so vortheilhafte Verbindung mit dem Französischen Hofe nicht zerrissen hätte, weil die Anmaßungen desselben seinem selbstthätigen Geiste Fesseln anlegten. Jener war für die Partey verloren, die er nicht lenken durfte; dieser noch weit weniger dazu gemacht, dem Gängelbande zu folgen. Waren die gebieterischen Anmaßungen dieses Bundsgenossen dem Herzog von Friedland bey ihren gemeinschaftlichen Operationen schon so lästig, so mußten sie ihm unerträglich seyn, wenn es dazu kam, sich in die Beute zu theilen. Der stolze Monarch konnte sich herablassen, den Beystand eines rebellischen Unterthans gegen den Kaiser anzunehmen, und diesen wichtigen Dienst mit königlicher Großmuth belohnen; aber nie konnte er seine eigene und aller Könige Majestät so sehr aus den Augen setzen, um den Preis zu bestätigen, den die ausschweifende Ehrsucht des Herzogs darauf zu setzen wagte; nie eine nützliche Verrätherey mit einer Krone bezahlen. Von ihm <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0301" n="293"/> anzuvertrauen. Er entschuldigte sich mit der Schwäche seiner Armee, die auf ihrem Zug in das Reich durch eine so starke Verminderung leiden würde, und verscherzte aus übergroßer Vorsicht vielleicht die Gelegenheit, den Krieg auf das schnellste zu endigen. 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Jener war für die Partey verloren, die er nicht lenken durfte; dieser noch weit weniger dazu gemacht, dem Gängelbande zu folgen. Waren die gebieterischen Anmaßungen dieses Bundsgenossen dem Herzog von Friedland bey ihren gemeinschaftlichen Operationen schon so lästig, so mußten sie ihm unerträglich seyn, wenn es dazu kam, sich in die Beute zu theilen. Der stolze Monarch konnte sich herablassen, den Beystand eines rebellischen Unterthans gegen den Kaiser anzunehmen, und diesen wichtigen Dienst mit königlicher Großmuth belohnen; aber nie konnte er seine eigene und aller Könige Majestät so sehr aus den Augen setzen, um den Preis zu bestätigen, den die ausschweifende Ehrsucht des Herzogs darauf zu setzen wagte; nie eine nützliche Verrätherey mit einer Krone bezahlen. Von ihm </p> </div> </body> </text> </TEI> [293/0301]
anzuvertrauen. Er entschuldigte sich mit der Schwäche seiner Armee, die auf ihrem Zug in das Reich durch eine so starke Verminderung leiden würde, und verscherzte aus übergroßer Vorsicht vielleicht die Gelegenheit, den Krieg auf das schnellste zu endigen. Zu spät versuchte er in der Folge, die zerrissenen Unterhandlungen zu erneuern; der günstige Moment war vorüber, und Wallensteins beleidigter Stolz vergab ihm diese Geringschätzung nie.
Aber diese Weigerung des Königs beschleunigte wahrscheinlich nur den Bruch, den die Form dieser beyden Charaktere ganz unvermeidlich machte. Beyde geboren Gesetze zu geben, nicht sie zu empfangen, konnten nimmermehr in einer Unternehmung vereinigt bleiben, die mehr als jede andre Nachgiebigkeit und gegenseitige Opfer nochwendig macht. Wallenstein war Nichts, wo er nicht Alles war; er mußte entweder gar nicht, oder mit vollkommenster Freyheit handeln. Eben so herzlich haßte Gustav Adolph jede Abhängigkeit, und wenig fehlte, daß er selbst die so vortheilhafte Verbindung mit dem Französischen Hofe nicht zerrissen hätte, weil die Anmaßungen desselben seinem selbstthätigen Geiste Fesseln anlegten. Jener war für die Partey verloren, die er nicht lenken durfte; dieser noch weit weniger dazu gemacht, dem Gängelbande zu folgen. Waren die gebieterischen Anmaßungen dieses Bundsgenossen dem Herzog von Friedland bey ihren gemeinschaftlichen Operationen schon so lästig, so mußten sie ihm unerträglich seyn, wenn es dazu kam, sich in die Beute zu theilen. Der stolze Monarch konnte sich herablassen, den Beystand eines rebellischen Unterthans gegen den Kaiser anzunehmen, und diesen wichtigen Dienst mit königlicher Großmuth belohnen; aber nie konnte er seine eigene und aller Könige Majestät so sehr aus den Augen setzen, um den Preis zu bestätigen, den die ausschweifende Ehrsucht des Herzogs darauf zu setzen wagte; nie eine nützliche Verrätherey mit einer Krone bezahlen. Von ihm
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/301>, abgerufen am 16.02.2025. |