Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

beyde bey Gründung des Friedens zu einander gestanden. Was durch Gewalt gewonnen wurde, mußte behauptet werden durch Gewalt; jenes Machtverhältniß mußte also auch fürs künftige fortdauern, oder der Friede verlor seine Kraft. Mit dem Schwert in der Hand wurden die Grenzen zwischen beyden Kirchen gezeichnet; mit dem Schwerte mußten sie bewacht werden - oder wehe der früher entwaffneten Parthey! Eine zweifelhafte schreckenvolle Aussicht für Deutschlands Ruhe, die aus dem Frieden selbst schon hervor drohte!

In dem Reich erfolgte jezt eine augenblickliche Stille, und ein flüchtiges Band der Eintracht schien die getrennten Glieder wieder in Einen Reichskörper zu verknüpfen, daß auch das Gefühl für die gemeinschaftliche Wohlfahrt auf eine Zeit lang zurückkam. Aber die Trennung hatte das innerste Wesen getroffen, und die erste Harmonie wieder herzustellen, war vorbey. So genau der Friede die Rechtsgrenzen beyder Theile bestimmt zu haben schien, so ungleichen Auslegungen blieb er nichts desto weniger unterworfen. Mitten in ihrem hizigsten Kampfe hatte er den streitenden Partheyen einen plötzlichen Stillstand auferlegt, er hatte den Feuerbrand zugedeckt, nicht gelöscht, und unbefriedigte Ansprüche blieben auf beyden Seiten zurück. Die Katholischen glaubten zu viel verloren, die Evangelischen zu wenig errungen zu haben; beyde halfen sich damit, den Frieden, den sie jezt noch nicht zu verlezen wagten, nach ihren Absichten zu erklären.

Dasselbe mächtige Motiv, welches so manche protestantische Fürsten so geneigt gemacht hatte, Luthers Lehre zu umfassen, die Besiznehmung von den geistlichen Stiftern, war nach geschlossenem Frieden nicht weniger wirksam als vorher, und was von mittelbaren Stiftern noch nicht in ihren Händen war, mußte bald in dieselben wandern. Ganz Niederdeutschland

beyde bey Gründung des Friedens zu einander gestanden. Was durch Gewalt gewonnen wurde, mußte behauptet werden durch Gewalt; jenes Machtverhältniß mußte also auch fürs künftige fortdauern, oder der Friede verlor seine Kraft. Mit dem Schwert in der Hand wurden die Grenzen zwischen beyden Kirchen gezeichnet; mit dem Schwerte mußten sie bewacht werden – oder wehe der früher entwaffneten Parthey! Eine zweifelhafte schreckenvolle Aussicht für Deutschlands Ruhe, die aus dem Frieden selbst schon hervor drohte!

In dem Reich erfolgte jezt eine augenblickliche Stille, und ein flüchtiges Band der Eintracht schien die getrennten Glieder wieder in Einen Reichskörper zu verknüpfen, daß auch das Gefühl für die gemeinschaftliche Wohlfahrt auf eine Zeit lang zurückkam. Aber die Trennung hatte das innerste Wesen getroffen, und die erste Harmonie wieder herzustellen, war vorbey. So genau der Friede die Rechtsgrenzen beyder Theile bestimmt zu haben schien, so ungleichen Auslegungen blieb er nichts desto weniger unterworfen. Mitten in ihrem hizigsten Kampfe hatte er den streitenden Partheyen einen plötzlichen Stillstand auferlegt, er hatte den Feuerbrand zugedeckt, nicht gelöscht, und unbefriedigte Ansprüche blieben auf beyden Seiten zurück. Die Katholischen glaubten zu viel verloren, die Evangelischen zu wenig errungen zu haben; beyde halfen sich damit, den Frieden, den sie jezt noch nicht zu verlezen wagten, nach ihren Absichten zu erklären.

Dasselbe mächtige Motiv, welches so manche protestantische Fürsten so geneigt gemacht hatte, Luthers Lehre zu umfassen, die Besiznehmung von den geistlichen Stiftern, war nach geschlossenem Frieden nicht weniger wirksam als vorher, und was von mittelbaren Stiftern noch nicht in ihren Händen war, mußte bald in dieselben wandern. Ganz Niederdeutschland

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0026" n="18"/>
beyde bey Gründung           des Friedens zu einander gestanden. Was durch Gewalt gewonnen wurde, mußte behauptet           werden durch Gewalt; jenes Machtverhältniß mußte also auch fürs künftige fortdauern, oder           der Friede verlor seine Kraft. Mit dem Schwert in der Hand wurden die Grenzen zwischen           beyden Kirchen gezeichnet; mit dem Schwerte mußten sie bewacht werden &#x2013; oder wehe der           früher entwaffneten Parthey! Eine zweifelhafte schreckenvolle Aussicht für Deutschlands           Ruhe, die aus dem Frieden selbst schon hervor drohte!</p>
        <p>In dem Reich erfolgte jezt eine augenblickliche Stille, und ein flüchtiges Band der           Eintracht schien die getrennten Glieder wieder in <hi rendition="#fr">Einen</hi> Reichskörper zu verknüpfen, daß auch das Gefühl für die gemeinschaftliche Wohlfahrt auf           eine Zeit lang zurückkam. Aber die Trennung hatte das innerste Wesen getroffen, und die           erste Harmonie wieder herzustellen, war vorbey. So genau der Friede die Rechtsgrenzen           beyder Theile bestimmt zu haben schien, so ungleichen Auslegungen blieb er nichts desto           weniger unterworfen. Mitten in ihrem hizigsten Kampfe hatte er den streitenden Partheyen           einen plötzlichen Stillstand auferlegt, er hatte den Feuerbrand zugedeckt, nicht gelöscht,           und unbefriedigte Ansprüche blieben auf beyden Seiten zurück. Die Katholischen glaubten zu           viel verloren, die Evangelischen zu wenig errungen zu haben; beyde halfen sich damit, den           Frieden, den sie jezt noch nicht zu verlezen wagten, nach ihren Absichten zu erklären.</p>
        <p>Dasselbe mächtige Motiv, welches so manche protestantische Fürsten so geneigt gemacht           hatte, Luthers Lehre zu umfassen, die Besiznehmung von den geistlichen Stiftern, war nach           geschlossenem Frieden nicht weniger wirksam als vorher, und was von mittelbaren Stiftern           noch nicht in ihren Händen war, mußte bald in dieselben wandern. Ganz Niederdeutschland
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0026] beyde bey Gründung des Friedens zu einander gestanden. Was durch Gewalt gewonnen wurde, mußte behauptet werden durch Gewalt; jenes Machtverhältniß mußte also auch fürs künftige fortdauern, oder der Friede verlor seine Kraft. Mit dem Schwert in der Hand wurden die Grenzen zwischen beyden Kirchen gezeichnet; mit dem Schwerte mußten sie bewacht werden – oder wehe der früher entwaffneten Parthey! Eine zweifelhafte schreckenvolle Aussicht für Deutschlands Ruhe, die aus dem Frieden selbst schon hervor drohte! In dem Reich erfolgte jezt eine augenblickliche Stille, und ein flüchtiges Band der Eintracht schien die getrennten Glieder wieder in Einen Reichskörper zu verknüpfen, daß auch das Gefühl für die gemeinschaftliche Wohlfahrt auf eine Zeit lang zurückkam. Aber die Trennung hatte das innerste Wesen getroffen, und die erste Harmonie wieder herzustellen, war vorbey. So genau der Friede die Rechtsgrenzen beyder Theile bestimmt zu haben schien, so ungleichen Auslegungen blieb er nichts desto weniger unterworfen. Mitten in ihrem hizigsten Kampfe hatte er den streitenden Partheyen einen plötzlichen Stillstand auferlegt, er hatte den Feuerbrand zugedeckt, nicht gelöscht, und unbefriedigte Ansprüche blieben auf beyden Seiten zurück. Die Katholischen glaubten zu viel verloren, die Evangelischen zu wenig errungen zu haben; beyde halfen sich damit, den Frieden, den sie jezt noch nicht zu verlezen wagten, nach ihren Absichten zu erklären. Dasselbe mächtige Motiv, welches so manche protestantische Fürsten so geneigt gemacht hatte, Luthers Lehre zu umfassen, die Besiznehmung von den geistlichen Stiftern, war nach geschlossenem Frieden nicht weniger wirksam als vorher, und was von mittelbaren Stiftern noch nicht in ihren Händen war, mußte bald in dieselben wandern. Ganz Niederdeutschland

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/26
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/26>, abgerufen am 24.11.2024.