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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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die standhaftesten Vertheidiger seines Stuhls verehrte, so hatte der Fürst des Kirchenstaats in eben diesen Prinzen seine schlimmsten Nachbarn, seine gefährlichsten Gegner zu fürchten. Wenn dem Erstern keine Angelegenheit näher ging, als die Protestanten vertilgt, und die Oesterreichischen Waffen siegreich zu sehen, so hatte der Letztere Ursache, die Waffen der Protestanten zu segnen, die seinen Nachbar außer Stand sezten, ihm gefährlich zu werden. Das Eine oder das Andre behielt die Oberhand, je nachdem die Päbste mehr um ihre weltliche Macht oder um ihre geistliche Herrschaft bekümmert waren; im Ganzen aber richtete sich die Römische Staatskunst nach der dringenderen Gefahr - und es ist bekannt, wie viel mächtiger die Furcht, ein gegenwärtiges Gut zu verlieren, das Gemüth zu bestimmen pflegt, als die Begierde, ein längst verlornes wieder zu gewinnen. So wird es begreiflich, wie sich der Statthalter Christi mit dem Oesterreichischen Hause zum Untergang der Kezer - und wie sich eben dieser Statthalter Christi mit eben diesen Kezern zum Untergang des Oesterreichischen Hauses verschwören konnte. Bewundernswürdig verflochten ist der Faden der Weltgeschichte! Was möchte wohl aus der Reformation - was aus der Freyheit der Deutschen Fürsten geworden seyn, wenn der Bischof zu Rom und der Fürst zu Rom beständig Ein Interesse gehabt hätten?

Frankreich hatte mit seinem vortrefflichen Heinrich seine ganze Größe und sein ganzes Gewicht auf der politischen Wage Europens verloren. Eine stürmische Minderjährigkeit zernichtete alle Wohlthaten der vorhergehenden kraftvollen Regierung. Unfähige Minister, Geschöpfe der Gunst und Intrigue, zerstreuten in wenigen Jahren die Schäze, welche Süllys Oekonomie und Heinrichs Sparsamkeit aufgehäuft hatten. Kaum vermögend, ihre erschlichene Gewalt gegen innere Faktionen zu behaupten, mußten sie es aufgeben, das große Steuer Europens zu lenken.

die standhaftesten Vertheidiger seines Stuhls verehrte, so hatte der Fürst des Kirchenstaats in eben diesen Prinzen seine schlimmsten Nachbarn, seine gefährlichsten Gegner zu fürchten. Wenn dem Erstern keine Angelegenheit näher ging, als die Protestanten vertilgt, und die Oesterreichischen Waffen siegreich zu sehen, so hatte der Letztere Ursache, die Waffen der Protestanten zu segnen, die seinen Nachbar außer Stand sezten, ihm gefährlich zu werden. Das Eine oder das Andre behielt die Oberhand, je nachdem die Päbste mehr um ihre weltliche Macht oder um ihre geistliche Herrschaft bekümmert waren; im Ganzen aber richtete sich die Römische Staatskunst nach der dringenderen Gefahr – und es ist bekannt, wie viel mächtiger die Furcht, ein gegenwärtiges Gut zu verlieren, das Gemüth zu bestimmen pflegt, als die Begierde, ein längst verlornes wieder zu gewinnen. So wird es begreiflich, wie sich der Statthalter Christi mit dem Oesterreichischen Hause zum Untergang der Kezer – und wie sich eben dieser Statthalter Christi mit eben diesen Kezern zum Untergang des Oesterreichischen Hauses verschwören konnte. Bewundernswürdig verflochten ist der Faden der Weltgeschichte! Was möchte wohl aus der Reformation – was aus der Freyheit der Deutschen Fürsten geworden seyn, wenn der Bischof zu Rom und der Fürst zu Rom beständig Ein Interesse gehabt hätten?

Frankreich hatte mit seinem vortrefflichen Heinrich seine ganze Größe und sein ganzes Gewicht auf der politischen Wage Europens verloren. Eine stürmische Minderjährigkeit zernichtete alle Wohlthaten der vorhergehenden kraftvollen Regierung. Unfähige Minister, Geschöpfe der Gunst und Intrigue, zerstreuten in wenigen Jahren die Schäze, welche Süllys Oekonomie und Heinrichs Sparsamkeit aufgehäuft hatten. Kaum vermögend, ihre erschlichene Gewalt gegen innere Faktionen zu behaupten, mußten sie es aufgeben, das große Steuer Europens zu lenken.

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[112/0120] die standhaftesten Vertheidiger seines Stuhls verehrte, so hatte der Fürst des Kirchenstaats in eben diesen Prinzen seine schlimmsten Nachbarn, seine gefährlichsten Gegner zu fürchten. Wenn dem Erstern keine Angelegenheit näher ging, als die Protestanten vertilgt, und die Oesterreichischen Waffen siegreich zu sehen, so hatte der Letztere Ursache, die Waffen der Protestanten zu segnen, die seinen Nachbar außer Stand sezten, ihm gefährlich zu werden. Das Eine oder das Andre behielt die Oberhand, je nachdem die Päbste mehr um ihre weltliche Macht oder um ihre geistliche Herrschaft bekümmert waren; im Ganzen aber richtete sich die Römische Staatskunst nach der dringenderen Gefahr – und es ist bekannt, wie viel mächtiger die Furcht, ein gegenwärtiges Gut zu verlieren, das Gemüth zu bestimmen pflegt, als die Begierde, ein längst verlornes wieder zu gewinnen. So wird es begreiflich, wie sich der Statthalter Christi mit dem Oesterreichischen Hause zum Untergang der Kezer – und wie sich eben dieser Statthalter Christi mit eben diesen Kezern zum Untergang des Oesterreichischen Hauses verschwören konnte. Bewundernswürdig verflochten ist der Faden der Weltgeschichte! Was möchte wohl aus der Reformation – was aus der Freyheit der Deutschen Fürsten geworden seyn, wenn der Bischof zu Rom und der Fürst zu Rom beständig Ein Interesse gehabt hätten? Frankreich hatte mit seinem vortrefflichen Heinrich seine ganze Größe und sein ganzes Gewicht auf der politischen Wage Europens verloren. Eine stürmische Minderjährigkeit zernichtete alle Wohlthaten der vorhergehenden kraftvollen Regierung. Unfähige Minister, Geschöpfe der Gunst und Intrigue, zerstreuten in wenigen Jahren die Schäze, welche Süllys Oekonomie und Heinrichs Sparsamkeit aufgehäuft hatten. Kaum vermögend, ihre erschlichene Gewalt gegen innere Faktionen zu behaupten, mußten sie es aufgeben, das große Steuer Europens zu lenken.

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/120>, abgerufen am 22.11.2024.