Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784. Wurm. Sie muß, wenn Sie mir freie Hand lassen wollen. Ich kenne das gute Herz auf und nieder. Sie hat nicht mehr als zwo tödliche Sei- ten, durch welche wir ihr Gewissen bestürmen kön- nen -- ihren Vater und den Major. Der leztere bleibt ganz und gar aus dem Spiel, desto freier können wir mit dem Musikanten umspringen. Präsident. Als zum Exempel? Wurm. Nach dem, was Ewr. Exzellenz mir von dem Auftritt in seinem Hause gesagt haben, wird nichts leichter seyn, als den Vater mit einen Halsprozeß zu bedrohen. Die Person des Günst- lings und Siegelbewahrers ist gewissermasen der Schatten der Majestät -- Beleidigungen gegen je- nen sind Verlezungen dieser -- Wenigstens will ich den armen Schächer mit diesem zusammengeflikten Kobold durch ein Nadelöhr jagen. Präsident. Doch -- ernsthaft dürfte der Han- del nicht werden. Wurm. Ganz und gar nicht -- Nur in so weit als es nötig ist, die Familie in die Klemme zu trei- ben -- Wir sezen also in aller Stille den Musikus fest -- Die Noth um so dringender zu machen, könn- te man auch die Mutter mitnehmen, -- sprechen von peinlicher Anklage, von Schaffot, von ewiger Ve- stung, und machen den Brief der Tochter zur ein- zigen Bedingniß seiner Befreiung. Präsident. Gut! Gut! Ich verstehe. Wurm. E 5
Wurm. Sie muß, wenn Sie mir freie Hand laſſen wollen. Ich kenne das gute Herz auf und nieder. Sie hat nicht mehr als zwo toͤdliche Sei- ten, durch welche wir ihr Gewiſſen beſtuͤrmen koͤn- nen — ihren Vater und den Major. Der leztere bleibt ganz und gar aus dem Spiel, deſto freier koͤnnen wir mit dem Muſikanten umſpringen. Praͤſident. Als zum Exempel? Wurm. Nach dem, was Ewr. Exzellenz mir von dem Auftritt in ſeinem Hauſe geſagt haben, wird nichts leichter ſeyn, als den Vater mit einen Halsprozeß zu bedrohen. Die Perſon des Guͤnſt- lings und Siegelbewahrers iſt gewiſſermaſen der Schatten der Majeſtaͤt — Beleidigungen gegen je- nen ſind Verlezungen dieſer — Wenigſtens will ich den armen Schaͤcher mit dieſem zuſammengeflikten Kobold durch ein Nadeloͤhr jagen. Praͤſident. Doch — ernſthaft duͤrfte der Han- del nicht werden. Wurm. Ganz und gar nicht — Nur in ſo weit als es noͤtig iſt, die Familie in die Klemme zu trei- ben — Wir ſezen alſo in aller Stille den Muſikus feſt — Die Noth um ſo dringender zu machen, koͤnn- te man auch die Mutter mitnehmen, — ſprechen von peinlicher Anklage, von Schaffot, von ewiger Ve- ſtung, und machen den Brief der Tochter zur ein- zigen Bedingniß ſeiner Befreiung. Praͤſident. Gut! Gut! Ich verſtehe. Wurm. E 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0077" n="73"/> <sp who="#WUR"> <speaker> <hi rendition="#fr">Wurm.</hi> </speaker> <p>Sie <hi rendition="#g">muß</hi>, wenn Sie mir freie Hand<lb/> laſſen wollen. Ich kenne das gute Herz auf und<lb/> nieder. Sie hat nicht mehr als zwo toͤdliche Sei-<lb/> ten, durch welche wir ihr Gewiſſen beſtuͤrmen koͤn-<lb/> nen — ihren Vater und den Major. Der leztere<lb/> bleibt ganz und gar aus dem Spiel, deſto freier<lb/> koͤnnen wir mit dem Muſikanten umſpringen.</p><lb/> </sp> <sp who="#PRA"> <speaker> <hi rendition="#fr">Praͤſident.</hi> </speaker> <p>Als zum Exempel?</p><lb/> </sp> <sp who="#WUR"> <speaker> <hi rendition="#fr">Wurm.</hi> </speaker> <p>Nach dem, was Ewr. Exzellenz mir<lb/> von dem Auftritt in ſeinem Hauſe geſagt haben,<lb/> wird nichts leichter ſeyn, als den Vater mit einen<lb/> Halsprozeß zu bedrohen. Die Perſon des Guͤnſt-<lb/> lings und Siegelbewahrers iſt gewiſſermaſen der<lb/> Schatten der Majeſtaͤt — Beleidigungen gegen je-<lb/> nen ſind Verlezungen dieſer — Wenigſtens will ich<lb/> den armen Schaͤcher mit dieſem zuſammengeflikten<lb/> Kobold durch ein Nadeloͤhr jagen.</p><lb/> </sp> <sp who="#PRA"> <speaker> <hi rendition="#fr">Praͤſident.</hi> </speaker> <p>Doch — ernſthaft duͤrfte der Han-<lb/> del nicht werden.</p><lb/> </sp> <sp who="#WUR"> <speaker> <hi rendition="#fr">Wurm.</hi> </speaker> <p>Ganz und gar nicht — Nur in ſo weit<lb/> als es noͤtig iſt, die Familie in die Klemme zu trei-<lb/> ben — Wir ſezen alſo in aller Stille den Muſikus<lb/> feſt — Die Noth um ſo dringender zu machen, koͤnn-<lb/> te man auch die Mutter mitnehmen, — ſprechen von<lb/> peinlicher Anklage, von Schaffot, von ewiger Ve-<lb/> ſtung, und machen den <hi rendition="#fr">Brief der Tochter</hi> zur ein-<lb/> zigen Bedingniß ſeiner Befreiung.</p><lb/> </sp> <sp who="#PRA"> <speaker> <hi rendition="#fr">Praͤſident.</hi> </speaker> <p>Gut! Gut! Ich verſtehe.</p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="sig">E 5</fw> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Wurm.</hi> </fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [73/0077]
Wurm. Sie muß, wenn Sie mir freie Hand
laſſen wollen. Ich kenne das gute Herz auf und
nieder. Sie hat nicht mehr als zwo toͤdliche Sei-
ten, durch welche wir ihr Gewiſſen beſtuͤrmen koͤn-
nen — ihren Vater und den Major. Der leztere
bleibt ganz und gar aus dem Spiel, deſto freier
koͤnnen wir mit dem Muſikanten umſpringen.
Praͤſident. Als zum Exempel?
Wurm. Nach dem, was Ewr. Exzellenz mir
von dem Auftritt in ſeinem Hauſe geſagt haben,
wird nichts leichter ſeyn, als den Vater mit einen
Halsprozeß zu bedrohen. Die Perſon des Guͤnſt-
lings und Siegelbewahrers iſt gewiſſermaſen der
Schatten der Majeſtaͤt — Beleidigungen gegen je-
nen ſind Verlezungen dieſer — Wenigſtens will ich
den armen Schaͤcher mit dieſem zuſammengeflikten
Kobold durch ein Nadeloͤhr jagen.
Praͤſident. Doch — ernſthaft duͤrfte der Han-
del nicht werden.
Wurm. Ganz und gar nicht — Nur in ſo weit
als es noͤtig iſt, die Familie in die Klemme zu trei-
ben — Wir ſezen alſo in aller Stille den Muſikus
feſt — Die Noth um ſo dringender zu machen, koͤnn-
te man auch die Mutter mitnehmen, — ſprechen von
peinlicher Anklage, von Schaffot, von ewiger Ve-
ſtung, und machen den Brief der Tochter zur ein-
zigen Bedingniß ſeiner Befreiung.
Praͤſident. Gut! Gut! Ich verſtehe.
Wurm.
E 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |