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Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

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ist schlauer als die Bosheit und kühner -- das hat
er nicht gewußt, der Mann mit dem traurigen
Stern -- O! sie sind pfiffig, so lang sie es nur mit
dem Kopf zu thun haben, aber sobald sie mit dem
Herzen anbinden, werden die Böswichter dumm --
-- Mit einem Eid gedachte er seinen Betrug zu ver-
siegeln? Eide, Vater, binden wol die Lebendigen,
im Tode schmilzt auch der Sakramente eisernes
Band. Ferdinand wird seine Louise kennen -- Will
er mir diß Billet besorgen, Vater? Will er so gut
seyn?

Miller. An Wen, meine Tochter?
Louise. Seltsame Frage! Die Unendlichkeit
und mein Herz haben miteinander nicht Raum ge-
nug für einen einzigen Gedanken an ihn -- Wenn
hätt ich denn wol an sonst jemand schreiben sollen?

Miller. (unruhig) Höre Louise! Ich erbreche
den Brief.

Louise. Wie Er will, Vater -- aber Er wird
nicht klug daraus werden. Die Buchstaben liegen
wie kalte Leichname da, und leben nur Augen der
Liebe.

Miller. (ließt) "Du bist verrathen, Ferdi-
nand -- ein Bubenstük ohne Beispiel zerriß den
Bund unsrer Herzen, aber ein schröklicher Schwur
hat meine Zunge gebunden, und dein Vater hat
überall seine Horcher gestellt. Doch wenn du Muth
hast, Geliebter -- ich weiß einen dritten Ort, wo
kein Eidschwur mehr bindet, und wohin ihm kein
Horcher
iſt ſchlauer als die Bosheit und kuͤhner — das hat
er nicht gewußt, der Mann mit dem traurigen
Stern — O! ſie ſind pfiffig, ſo lang ſie es nur mit
dem Kopf zu thun haben, aber ſobald ſie mit dem
Herzen anbinden, werden die Boͤswichter dumm —
— Mit einem Eid gedachte er ſeinen Betrug zu ver-
ſiegeln? Eide, Vater, binden wol die Lebendigen,
im Tode ſchmilzt auch der Sakramente eiſernes
Band. Ferdinand wird ſeine Louiſe kennen — Will
er mir diß Billet beſorgen, Vater? Will er ſo gut
ſeyn?

Miller. An Wen, meine Tochter?
Louiſe. Seltſame Frage! Die Unendlichkeit
und mein Herz haben miteinander nicht Raum ge-
nug fuͤr einen einzigen Gedanken an ihn — Wenn
haͤtt ich denn wol an ſonſt jemand ſchreiben ſollen?

Miller. (unruhig) Hoͤre Louiſe! Ich erbreche
den Brief.

Louiſe. Wie Er will, Vater — aber Er wird
nicht klug daraus werden. Die Buchſtaben liegen
wie kalte Leichname da, und leben nur Augen der
Liebe.

Miller. (ließt) „Du biſt verrathen, Ferdi-
nand — ein Bubenſtuͤk ohne Beiſpiel zerriß den
Bund unſrer Herzen, aber ein ſchroͤklicher Schwur
hat meine Zunge gebunden, und dein Vater hat
uͤberall ſeine Horcher geſtellt. Doch wenn du Muth
haſt, Geliebter — ich weiß einen dritten Ort, wo
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[130/0134] iſt ſchlauer als die Bosheit und kuͤhner — das hat er nicht gewußt, der Mann mit dem traurigen Stern — O! ſie ſind pfiffig, ſo lang ſie es nur mit dem Kopf zu thun haben, aber ſobald ſie mit dem Herzen anbinden, werden die Boͤswichter dumm — — Mit einem Eid gedachte er ſeinen Betrug zu ver- ſiegeln? Eide, Vater, binden wol die Lebendigen, im Tode ſchmilzt auch der Sakramente eiſernes Band. Ferdinand wird ſeine Louiſe kennen — Will er mir diß Billet beſorgen, Vater? Will er ſo gut ſeyn? Miller. An Wen, meine Tochter? Louiſe. Seltſame Frage! Die Unendlichkeit und mein Herz haben miteinander nicht Raum ge- nug fuͤr einen einzigen Gedanken an ihn — Wenn haͤtt ich denn wol an ſonſt jemand ſchreiben ſollen? Miller. (unruhig) Hoͤre Louiſe! Ich erbreche den Brief. Louiſe. Wie Er will, Vater — aber Er wird nicht klug daraus werden. Die Buchſtaben liegen wie kalte Leichname da, und leben nur Augen der Liebe. Miller. (ließt) „Du biſt verrathen, Ferdi- nand — ein Bubenſtuͤk ohne Beiſpiel zerriß den Bund unſrer Herzen, aber ein ſchroͤklicher Schwur hat meine Zunge gebunden, und dein Vater hat uͤberall ſeine Horcher geſtellt. Doch wenn du Muth haſt, Geliebter — ich weiß einen dritten Ort, wo kein Eidſchwur mehr bindet, und wohin ihm kein Horcher

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/134>, abgerufen am 22.11.2024.