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Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

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ein Geschöpf, das ihm nahe gieng, wie Sie, das
er zur Freude schuf, wie Sie, das ihm gepriesen hat,
wie Sie, und ihn nun nimmermehr preisen wird --
Lady! Ins Ohr des Allwissenden schreit auch der lez-
te Krampf des zertretenen Wurms -- es wird ihm
nicht gleichgültig seyn, wenn man Seelen in seinen
Händen mordet! Jezt ist er Ihnen! Jezt Milady
nehmen Sie ihn hin! Rennen Sie in seine Arme!
Reissen Sie ihn zum Altar -- Nur vergessen Sie
nicht, daß zwischen ihren Brautkuß das Gespenst
einer Selbstmörderin stürzen wird -- Gott wird
barmherzig seyn -- Ich kann mir nicht anders hel-
fen (sie stürzt hinaus)
Achte Szene.
Lady allein.
(steht erschüttert und außer sich, den starren Blik nach
der Thüre gerichtet, durch welche die Millerin weg-
geeilt, endlich erwacht sie aus ihrer Betäubung)

Wie war das? Wie geschah mir? Was sprach
die Unglükliche? -- Noch o Himmel! noch zerreis-
sen sie mein Ohr die fürchterlichen mich verdammen-
den Worte: Nehmen Sie ihn hin! -- Wen
Unglükselige? Das Geschenk deines Sterberöchelns
-- das schauervolle Vermächtniß deiner Verzweif-
lung! Gott! Gott! Bin ich so tief gesunken -- so
plözlich von allen Tronen meines Stolzes herabge-
stürzt, daß ich heißhungrig erwarte, was einer Bett-

lerin
H 5
ein Geſchoͤpf, das ihm nahe gieng, wie Sie, das
er zur Freude ſchuf, wie Sie, das ihm geprieſen hat,
wie Sie, und ihn nun nimmermehr preiſen wird —
Lady! Ins Ohr des Allwiſſenden ſchreit auch der lez-
te Krampf des zertretenen Wurms — es wird ihm
nicht gleichguͤltig ſeyn, wenn man Seelen in ſeinen
Haͤnden mordet! Jezt iſt er Ihnen! Jezt Milady
nehmen Sie ihn hin! Rennen Sie in ſeine Arme!
Reiſſen Sie ihn zum Altar — Nur vergeſſen Sie
nicht, daß zwiſchen ihren Brautkuß das Geſpenſt
einer Selbſtmoͤrderin ſtuͤrzen wird — Gott wird
barmherzig ſeyn — Ich kann mir nicht anders hel-
fen (ſie ſtuͤrzt hinaus)
Achte Szene.
Lady allein.
(ſteht erſchuͤttert und außer ſich, den ſtarren Blik nach
der Thuͤre gerichtet, durch welche die Millerin weg-
geeilt, endlich erwacht ſie aus ihrer Betaͤubung)

Wie war das? Wie geſchah mir? Was ſprach
die Ungluͤkliche? — Noch o Himmel! noch zerreiſ-
ſen ſie mein Ohr die fuͤrchterlichen mich verdammen-
den Worte: Nehmen Sie ihn hin!Wen
Ungluͤkſelige? Das Geſchenk deines Sterberoͤchelns
— das ſchauervolle Vermaͤchtniß deiner Verzweif-
lung! Gott! Gott! Bin ich ſo tief geſunken — ſo
ploͤzlich von allen Tronen meines Stolzes herabge-
ſtuͤrzt, daß ich heißhungrig erwarte, was einer Bett-

lerin
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[121/0125] ein Geſchoͤpf, das ihm nahe gieng, wie Sie, das er zur Freude ſchuf, wie Sie, das ihm geprieſen hat, wie Sie, und ihn nun nimmermehr preiſen wird — Lady! Ins Ohr des Allwiſſenden ſchreit auch der lez- te Krampf des zertretenen Wurms — es wird ihm nicht gleichguͤltig ſeyn, wenn man Seelen in ſeinen Haͤnden mordet! Jezt iſt er Ihnen! Jezt Milady nehmen Sie ihn hin! Rennen Sie in ſeine Arme! Reiſſen Sie ihn zum Altar — Nur vergeſſen Sie nicht, daß zwiſchen ihren Brautkuß das Geſpenſt einer Selbſtmoͤrderin ſtuͤrzen wird — Gott wird barmherzig ſeyn — Ich kann mir nicht anders hel- fen (ſie ſtuͤrzt hinaus) Achte Szene. Lady allein. (ſteht erſchuͤttert und außer ſich, den ſtarren Blik nach der Thuͤre gerichtet, durch welche die Millerin weg- geeilt, endlich erwacht ſie aus ihrer Betaͤubung) Wie war das? Wie geſchah mir? Was ſprach die Ungluͤkliche? — Noch o Himmel! noch zerreiſ- ſen ſie mein Ohr die fuͤrchterlichen mich verdammen- den Worte: Nehmen Sie ihn hin! — Wen Ungluͤkſelige? Das Geſchenk deines Sterberoͤchelns — das ſchauervolle Vermaͤchtniß deiner Verzweif- lung! Gott! Gott! Bin ich ſo tief geſunken — ſo ploͤzlich von allen Tronen meines Stolzes herabge- ſtuͤrzt, daß ich heißhungrig erwarte, was einer Bett- lerin H 5

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/125>, abgerufen am 20.11.2024.