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Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

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Interesse, das dir meine Dienste besonders abscheu-
lich mahlt -- das dein Gespräch so erhizte -- das
ich (drohend) entdeken muß.

Louise. (gelassen und edel) Und wenn Sie es
nun entdekten? und wenn ihr verächtlicher Fersen-
stoß den beleidigten Wurm aufwekte, dem sein
Schöpfer gegen Mishandlung noch einen Stachel gab?
-- Ich fürchte Ihre Rache nicht, Lady -- Die ar-
me Sünderin auf dem berüchtigten Henkerstuhl lacht
zu Weltuntergang. -- Mein Elend ist so hoch gestie-
gen, daß selbst Aufrichtigkeit es nicht mehr vergrös-
sern kann. (nach einer Pause, sehr ernsthaft) Sie wol-
len mich aus dem Staub meiner Herkunft reissen.
Ich will sie nicht zergliedern diese verdächtige Gnade.
Ich will nur fragen, was Milady bewegen konnte,
mich für die Thörin zu halten, die über ihre Her-
kunft erröthet? Was sie berechtigen konnte, sich
zur Schöpferin meines Glüks aufzuwerfen, ehe sie
noch wußte, ob ich mein Glük auch von ihren Hän-
den empfangen wolle? -- Ich hatte meinen ewigen An-
spruch auf die Freuden der Welt zerrissen. Ich hat-
te dem Glük seine Uebereilung vergeben -- Warum
mahnen Sie mich aufs neu an dieselbe? -- Wenn
selbst die Gottheit dem Blik der Erschaffenen ihre
Stralen verbirgt, daß nicht ihr oberster Seraph vor
seiner Verfinsterung zurükschaure -- warum wollen
Menschen so grausambarmherzig seyn? -- Wie
kommt es Milady, daß Ihr gepriesenes Glük das
Elend so gern um Neid und Bewunderung anbet-
telt?
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Intereſſe, das dir meine Dienſte beſonders abſcheu-
lich mahlt — das dein Geſpraͤch ſo erhizte — das
ich (drohend) entdeken muß.

Louiſe. (gelaſſen und edel) Und wenn Sie es
nun entdekten? und wenn ihr veraͤchtlicher Ferſen-
ſtoß den beleidigten Wurm aufwekte, dem ſein
Schoͤpfer gegen Mishandlung noch einen Stachel gab?
— Ich fuͤrchte Ihre Rache nicht, Lady — Die ar-
me Suͤnderin auf dem beruͤchtigten Henkerſtuhl lacht
zu Weltuntergang. — Mein Elend iſt ſo hoch geſtie-
gen, daß ſelbſt Aufrichtigkeit es nicht mehr vergroͤſ-
ſern kann. (nach einer Pauſe, ſehr ernſthaft) Sie wol-
len mich aus dem Staub meiner Herkunft reiſſen.
Ich will ſie nicht zergliedern dieſe verdaͤchtige Gnade.
Ich will nur fragen, was Milady bewegen konnte,
mich fuͤr die Thoͤrin zu halten, die uͤber ihre Her-
kunft erroͤthet? Was ſie berechtigen konnte, ſich
zur Schoͤpferin meines Gluͤks aufzuwerfen, ehe ſie
noch wußte, ob ich mein Gluͤk auch von ihren Haͤn-
den empfangen wolle? — Ich hatte meinen ewigen An-
ſpruch auf die Freuden der Welt zerriſſen. Ich hat-
te dem Gluͤk ſeine Uebereilung vergeben — Warum
mahnen Sie mich aufs neu an dieſelbe? — Wenn
ſelbſt die Gottheit dem Blik der Erſchaffenen ihre
Stralen verbirgt, daß nicht ihr oberſter Seraph vor
ſeiner Verfinſterung zuruͤkſchaure — warum wollen
Menſchen ſo grauſambarmherzig ſeyn? — Wie
kommt es Milady, daß Ihr geprieſenes Gluͤk das
Elend ſo gern um Neid und Bewunderung anbet-
telt?
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[117/0121] Intereſſe, das dir meine Dienſte beſonders abſcheu- lich mahlt — das dein Geſpraͤch ſo erhizte — das ich (drohend) entdeken muß. Louiſe. (gelaſſen und edel) Und wenn Sie es nun entdekten? und wenn ihr veraͤchtlicher Ferſen- ſtoß den beleidigten Wurm aufwekte, dem ſein Schoͤpfer gegen Mishandlung noch einen Stachel gab? — Ich fuͤrchte Ihre Rache nicht, Lady — Die ar- me Suͤnderin auf dem beruͤchtigten Henkerſtuhl lacht zu Weltuntergang. — Mein Elend iſt ſo hoch geſtie- gen, daß ſelbſt Aufrichtigkeit es nicht mehr vergroͤſ- ſern kann. (nach einer Pauſe, ſehr ernſthaft) Sie wol- len mich aus dem Staub meiner Herkunft reiſſen. Ich will ſie nicht zergliedern dieſe verdaͤchtige Gnade. Ich will nur fragen, was Milady bewegen konnte, mich fuͤr die Thoͤrin zu halten, die uͤber ihre Her- kunft erroͤthet? Was ſie berechtigen konnte, ſich zur Schoͤpferin meines Gluͤks aufzuwerfen, ehe ſie noch wußte, ob ich mein Gluͤk auch von ihren Haͤn- den empfangen wolle? — Ich hatte meinen ewigen An- ſpruch auf die Freuden der Welt zerriſſen. Ich hat- te dem Gluͤk ſeine Uebereilung vergeben — Warum mahnen Sie mich aufs neu an dieſelbe? — Wenn ſelbſt die Gottheit dem Blik der Erſchaffenen ihre Stralen verbirgt, daß nicht ihr oberſter Seraph vor ſeiner Verfinſterung zuruͤkſchaure — warum wollen Menſchen ſo grauſambarmherzig ſeyn? — Wie kommt es Milady, daß Ihr geprieſenes Gluͤk das Elend ſo gern um Neid und Bewunderung anbet- telt? H 3

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/121>, abgerufen am 25.11.2024.