Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite
Wurm: Sezen Sie sich. Schreiben Sie!
Hier ist Feder, Papier und Dinte.

Louise. (sezt sich in höchster Beunruhigung)
Was soll ich schreiben? An wen soll ich schreiben?

Wurm. An den Henker Ihres Vaters.
Louise. Ha! du verstehst dich darauf, Seelen
auf die Folter zu schrauben (ergreift eine Feder)
Wurm. (diktiert) "Gnädiger Herr"
--

Louise. (schreibt mit zitternder Hand)
Wurm. "Schon drei unerträgliche Tage sind
vorüber -- -- sind vorüber -- und wir sahen uns
nicht"

Louise. (stuzt, legt die Feder weg) An wen ist
der Brief?

Wurm. An den Henker Ihres Vaters.
Louise. O mein Gott!
Wurm. "Halten Sie sich deßwegen an den
Major -- an den Major -- der mich den ganzen
Tag wie ein Argus hütet"

Louise. (springt auf) Büberei, wie noch keine
erhört worden! An wen ist der Brief?

Wurm. An den Henker Ihres Vaters.
Louise. (die Hände ringend auf und nieder) Nein!
Nein! Nein! Das ist thyrannisch o Himmel!
Strafe Menschen menschlich, wenn sie dich reizen,
aber warum mich zwischen zwei Schröknisse pressen?
Warum
Wurm: Sezen Sie ſich. Schreiben Sie!
Hier iſt Feder, Papier und Dinte.

Louiſe. (ſezt ſich in hoͤchſter Beunruhigung)
Was ſoll ich ſchreiben? An wen ſoll ich ſchreiben?

Wurm. An den Henker Ihres Vaters.
Louiſe. Ha! du verſtehſt dich darauf, Seelen
auf die Folter zu ſchrauben (ergreift eine Feder)
Wurm. (diktiert) „Gnaͤdiger Herr„

Louiſe. (ſchreibt mit zitternder Hand)
Wurm. „Schon drei unertraͤgliche Tage ſind
voruͤber — — ſind voruͤber — und wir ſahen uns
nicht„

Louiſe. (ſtuzt, legt die Feder weg) An wen iſt
der Brief?

Wurm. An den Henker Ihres Vaters.
Louiſe. O mein Gott!
Wurm. „Halten Sie ſich deßwegen an den
Major — an den Major — der mich den ganzen
Tag wie ein Argus huͤtet„

Louiſe. (ſpringt auf) Buͤberei, wie noch keine
erhoͤrt worden! An wen iſt der Brief?

Wurm. An den Henker Ihres Vaters.
Louiſe. (die Haͤnde ringend auf und nieder) Nein!
Nein! Nein! Das iſt thyranniſch o Himmel!
Strafe Menſchen menſchlich, wenn ſie dich reizen,
aber warum mich zwiſchen zwei Schroͤkniſſe preſſen?
Warum
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0100" n="96"/>
          <sp who="#WUR">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Wurm:</hi> </speaker>
            <p>Sezen Sie &#x017F;ich. Schreiben Sie!<lb/>
Hier i&#x017F;t Feder, Papier und Dinte.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LOU">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Loui&#x017F;e.</hi> </speaker>
            <p><stage>(&#x017F;ezt &#x017F;ich in ho&#x0364;ch&#x017F;ter Beunruhigung)</stage><lb/>
Was &#x017F;oll ich &#x017F;chreiben? An wen &#x017F;oll ich &#x017F;chreiben?</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#WUR">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Wurm.</hi> </speaker>
            <p>An den Henker Ihres Vaters.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LOU">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Loui&#x017F;e.</hi> </speaker>
            <p>Ha! du ver&#x017F;teh&#x017F;t dich darauf, Seelen<lb/>
auf die Folter zu &#x017F;chrauben <stage>(ergreift eine Feder)</stage></p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#WUR">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Wurm.</hi> </speaker>
            <p><stage>(diktiert)</stage> &#x201E;Gna&#x0364;diger Herr&#x201E;<lb/>
&#x2014;</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LOU">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Loui&#x017F;e.</hi> </speaker>
            <p>
              <stage>(&#x017F;chreibt mit zitternder Hand)</stage>
            </p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#WUR">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Wurm.</hi> </speaker>
            <p>&#x201E;Schon drei unertra&#x0364;gliche Tage &#x017F;ind<lb/>
voru&#x0364;ber &#x2014; &#x2014; &#x017F;ind voru&#x0364;ber &#x2014; und wir &#x017F;ahen uns<lb/>
nicht&#x201E;</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LOU">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Loui&#x017F;e.</hi> </speaker>
            <p><stage>(&#x017F;tuzt, legt die Feder weg)</stage> An wen i&#x017F;t<lb/>
der Brief?</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#WUR">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Wurm.</hi> </speaker>
            <p>An den Henker Ihres Vaters.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LOU">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Loui&#x017F;e.</hi> </speaker>
            <p>O mein Gott!</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#WUR">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Wurm.</hi> </speaker>
            <p>&#x201E;Halten Sie &#x017F;ich deßwegen an den<lb/>
Major &#x2014; an den Major &#x2014; der mich den ganzen<lb/>
Tag wie ein Argus hu&#x0364;tet&#x201E;</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LOU">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Loui&#x017F;e.</hi> </speaker>
            <p><stage>(&#x017F;pringt auf)</stage> Bu&#x0364;berei, wie noch keine<lb/>
erho&#x0364;rt worden! An wen i&#x017F;t der Brief?</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#WUR">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Wurm.</hi> </speaker>
            <p>An den Henker Ihres Vaters.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LOU">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Loui&#x017F;e.</hi> </speaker>
            <p><stage>(die Ha&#x0364;nde ringend auf und nieder)</stage> Nein!<lb/>
Nein! Nein! Das i&#x017F;t thyranni&#x017F;ch o Himmel!<lb/>
Strafe Men&#x017F;chen men&#x017F;chlich, wenn &#x017F;ie dich reizen,<lb/>
aber warum mich zwi&#x017F;chen zwei Schro&#x0364;kni&#x017F;&#x017F;e pre&#x017F;&#x017F;en?<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Warum</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0100] Wurm: Sezen Sie ſich. Schreiben Sie! Hier iſt Feder, Papier und Dinte. Louiſe. (ſezt ſich in hoͤchſter Beunruhigung) Was ſoll ich ſchreiben? An wen ſoll ich ſchreiben? Wurm. An den Henker Ihres Vaters. Louiſe. Ha! du verſtehſt dich darauf, Seelen auf die Folter zu ſchrauben (ergreift eine Feder) Wurm. (diktiert) „Gnaͤdiger Herr„ — Louiſe. (ſchreibt mit zitternder Hand) Wurm. „Schon drei unertraͤgliche Tage ſind voruͤber — — ſind voruͤber — und wir ſahen uns nicht„ Louiſe. (ſtuzt, legt die Feder weg) An wen iſt der Brief? Wurm. An den Henker Ihres Vaters. Louiſe. O mein Gott! Wurm. „Halten Sie ſich deßwegen an den Major — an den Major — der mich den ganzen Tag wie ein Argus huͤtet„ Louiſe. (ſpringt auf) Buͤberei, wie noch keine erhoͤrt worden! An wen iſt der Brief? Wurm. An den Henker Ihres Vaters. Louiſe. (die Haͤnde ringend auf und nieder) Nein! Nein! Nein! Das iſt thyranniſch o Himmel! Strafe Menſchen menſchlich, wenn ſie dich reizen, aber warum mich zwiſchen zwei Schroͤkniſſe preſſen? Warum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/100
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/100>, abgerufen am 25.11.2024.