te stand, mit bluttriefendem Kleid und entstellt von gräßlichen Wunden." -- --
"Aber um das weitere frage man mich nicht mehr," sagte der Sicilianer, alle Zeichen des Ent¬ setzens in seinem Angesicht. "Meine Sinne hatten mich von dem Augenblicke an verlassen, als ich die Augen auf die Gestalt warf, so wie jeden, der zu¬ gegen war. Da wir wieder zu uns selber kamen, rang Lorenzo mit dem Tode, Mönch und Erschei¬ nung waren verschwunden. Den Ritter brachte man unter schrecklichen Zuckungen zu Bette; nie¬ mand als der Geistliche war um den Sterbenden, und der jammervolle Greis, der ihm, wenige Wo¬ chen nachher, im Tode folgte. Seine Geständnisse liegen in der Brust des Paters versenkt, der seine lezte Beichte hörte, und kein lebendiger Mensch hat sie erfahren. Nicht lange nach dieser Begebenheit geschah es, daß man einen Brunnen auszuräumen hatte, der im Hinterhofe des Landhauses unter wil¬ dem Gesträuche versteckt, und viele Jahre lang ver¬ schüttet war; da man den Schutt durch einander störte, entdeckte man ein Todtengerippe. Das Haus, wo sich dieses zutrug, steht nicht mehr; die Familie del M**nte ist erloschen, und in einem Kloster, ohnweit Salerno, zeigt man Ihnen An¬ toniens Grab."
"Sie sehen nun," fuhr der Sicilianer fort, als er sah, daß wir noch alle stumm und betreten standen, und niemand das Wort nehmen wollte, "Sie sehen nun, worauf sich meine Bekanntschaft
mit
te ſtand, mit bluttriefendem Kleid und entſtellt von gräßlichen Wunden.“ — —
„Aber um das weitere frage man mich nicht mehr,“ ſagte der Sicilianer, alle Zeichen des Ent¬ ſetzens in ſeinem Angeſicht. „Meine Sinne hatten mich von dem Augenblicke an verlaſſen, als ich die Augen auf die Geſtalt warf, ſo wie jeden, der zu¬ gegen war. Da wir wieder zu uns ſelber kamen, rang Lorenzo mit dem Tode, Mönch und Erſchei¬ nung waren verſchwunden. Den Ritter brachte man unter ſchrecklichen Zuckungen zu Bette; nie¬ mand als der Geiſtliche war um den Sterbenden, und der jammervolle Greis, der ihm, wenige Wo¬ chen nachher, im Tode folgte. Seine Geſtändniſſe liegen in der Bruſt des Paters verſenkt, der ſeine lezte Beichte hörte, und kein lebendiger Menſch hat ſie erfahren. Nicht lange nach dieſer Begebenheit geſchah es, daß man einen Brunnen auszuräumen hatte, der im Hinterhofe des Landhauſes unter wil¬ dem Geſträuche verſteckt, und viele Jahre lang ver¬ ſchüttet war; da man den Schutt durch einander ſtörte, entdeckte man ein Todtengerippe. Das Haus, wo ſich dieſes zutrug, ſteht nicht mehr; die Familie del M**nte iſt erloſchen, und in einem Kloſter, ohnweit Salerno, zeigt man Ihnen An¬ toniens Grab.“
„Sie ſehen nun,“ fuhr der Sicilianer fort, als er ſah, daß wir noch alle ſtumm und betreten ſtanden, und niemand das Wort nehmen wollte, „Sie ſehen nun, worauf ſich meine Bekanntſchaft
mit
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te ſtand, mit bluttriefendem Kleid und entſtellt von
gräßlichen Wunden.“ — —
„Aber um das weitere frage man mich nicht
mehr,“ ſagte der Sicilianer, alle Zeichen des Ent¬
ſetzens in ſeinem Angeſicht. „Meine Sinne hatten
mich von dem Augenblicke an verlaſſen, als ich die
Augen auf die Geſtalt warf, ſo wie jeden, der zu¬
gegen war. Da wir wieder zu uns ſelber kamen,
rang Lorenzo mit dem Tode, Mönch und Erſchei¬
nung waren verſchwunden. Den Ritter brachte
man unter ſchrecklichen Zuckungen zu Bette; nie¬
mand als der Geiſtliche war um den Sterbenden,
und der jammervolle Greis, der ihm, wenige Wo¬
chen nachher, im Tode folgte. Seine Geſtändniſſe
liegen in der Bruſt des Paters verſenkt, der ſeine
lezte Beichte hörte, und kein lebendiger Menſch hat
ſie erfahren. Nicht lange nach dieſer Begebenheit
geſchah es, daß man einen Brunnen auszuräumen
hatte, der im Hinterhofe des Landhauſes unter wil¬
dem Geſträuche verſteckt, und viele Jahre lang ver¬
ſchüttet war; da man den Schutt durch einander
ſtörte, entdeckte man ein Todtengerippe. Das
Haus, wo ſich dieſes zutrug, ſteht nicht mehr;
die Familie del M**nte iſt erloſchen, und in einem
Kloſter, ohnweit Salerno, zeigt man Ihnen An¬
toniens Grab.“
„Sie ſehen nun,“ fuhr der Sicilianer fort,
als er ſah, daß wir noch alle ſtumm und betreten
ſtanden, und niemand das Wort nehmen wollte,
„Sie ſehen nun, worauf ſich meine Bekanntſchaft
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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/82>, abgerufen am 19.07.2024.
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