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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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von sie nur durch die nachdrücklichsten Gegenvorstel¬
lungen ihres Beichtvaters, in welchen sie ein un¬
umschränktes Vertrauen sezte, abzubringen war.
Endlich gelang es den vereinigten Bemühungen die¬
ses Mannes und der Familie, ihr das Jawort ab¬
zuängstigen. Der lezte Tag der Trauer sollte der
glückliche Tag seyn, den der alte Marchese durch
Abtretung aller seiner Güter an den rechtmäßigen
Erben noch festlicher zu machen gesonnen war."

"Es erschien dieser Tag, und Lorenzo empfing
seine bebende Braut am Altare. Der Tag ging
unter, ein prächtiges Mahl erwartete die frohen
Gäste im hellerleuchteten Hochzeitsaal, und eine lär¬
mende Musik begleitete die ausgelassene Freude.
Der glückliche Greis hatte gewollt, daß alle Welt
seine Fröhlichkeit theilte; alle Zugänge zum Palla¬
ste waren geöffnet, und willkommen war jeder, der
ihn glücklich pries. Unter diesem Gedränge
nun --"

Der Sicilianer hielt hier inne, und ein Schau¬
der der Erwartung hemmte unsern Odem -- --

"Unter diesem Gedränge also," fuhr er fort.
"ließ mich derjenige, welcher zunächst an mir saß,
einen Franziskanermönch bemerken, der un¬
beweglich wie eine Säule stand, langer hagrer
Statur und aschbleichen Angesichts, einen ernsten
und traurigen Blick auf das Brautpaar geheftet.
Die Freude, welche rings herum auf allen Gesich¬
tern lachte, schien an diesem einzigen vorüber zu
gehen, seine Miene blieb unwandelbar dieselbe, wie
eine Büste unter lebenden Figuren. Das Außer¬

ordent¬

von ſie nur durch die nachdrücklichſten Gegenvorſtel¬
lungen ihres Beichtvaters, in welchen ſie ein un¬
umſchränktes Vertrauen ſezte, abzubringen war.
Endlich gelang es den vereinigten Bemühungen die¬
ſes Mannes und der Familie, ihr das Jawort ab¬
zuängſtigen. Der lezte Tag der Trauer ſollte der
glückliche Tag ſeyn, den der alte Marcheſe durch
Abtretung aller ſeiner Güter an den rechtmäßigen
Erben noch feſtlicher zu machen geſonnen war.“

„Es erſchien dieſer Tag, und Lorenzo empfing
ſeine bebende Braut am Altare. Der Tag ging
unter, ein prächtiges Mahl erwartete die frohen
Gäſte im hellerleuchteten Hochzeitſaal, und eine lär¬
mende Muſik begleitete die ausgelaſſene Freude.
Der glückliche Greis hatte gewollt, daß alle Welt
ſeine Fröhlichkeit theilte; alle Zugänge zum Palla¬
ſte waren geöffnet, und willkommen war jeder, der
ihn glücklich pries. Unter dieſem Gedränge
nun —“

Der Sicilianer hielt hier inne, und ein Schau¬
der der Erwartung hemmte unſern Odem — —

„Unter dieſem Gedränge alſo,“ fuhr er fort.
„ließ mich derjenige, welcher zunächſt an mir ſaß,
einen Franziskanermönch bemerken, der un¬
beweglich wie eine Säule ſtand, langer hagrer
Statur und aſchbleichen Angeſichts, einen ernſten
und traurigen Blick auf das Brautpaar geheftet.
Die Freude, welche rings herum auf allen Geſich¬
tern lachte, ſchien an dieſem einzigen vorüber zu
gehen, ſeine Miene blieb unwandelbar dieſelbe, wie
eine Büſte unter lebenden Figuren. Das Außer¬

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[70/0078] von ſie nur durch die nachdrücklichſten Gegenvorſtel¬ lungen ihres Beichtvaters, in welchen ſie ein un¬ umſchränktes Vertrauen ſezte, abzubringen war. Endlich gelang es den vereinigten Bemühungen die¬ ſes Mannes und der Familie, ihr das Jawort ab¬ zuängſtigen. Der lezte Tag der Trauer ſollte der glückliche Tag ſeyn, den der alte Marcheſe durch Abtretung aller ſeiner Güter an den rechtmäßigen Erben noch feſtlicher zu machen geſonnen war.“ „Es erſchien dieſer Tag, und Lorenzo empfing ſeine bebende Braut am Altare. Der Tag ging unter, ein prächtiges Mahl erwartete die frohen Gäſte im hellerleuchteten Hochzeitſaal, und eine lär¬ mende Muſik begleitete die ausgelaſſene Freude. Der glückliche Greis hatte gewollt, daß alle Welt ſeine Fröhlichkeit theilte; alle Zugänge zum Palla¬ ſte waren geöffnet, und willkommen war jeder, der ihn glücklich pries. Unter dieſem Gedränge nun —“ Der Sicilianer hielt hier inne, und ein Schau¬ der der Erwartung hemmte unſern Odem — — „Unter dieſem Gedränge alſo,“ fuhr er fort. „ließ mich derjenige, welcher zunächſt an mir ſaß, einen Franziskanermönch bemerken, der un¬ beweglich wie eine Säule ſtand, langer hagrer Statur und aſchbleichen Angeſichts, einen ernſten und traurigen Blick auf das Brautpaar geheftet. Die Freude, welche rings herum auf allen Geſich¬ tern lachte, ſchien an dieſem einzigen vorüber zu gehen, ſeine Miene blieb unwandelbar dieſelbe, wie eine Büſte unter lebenden Figuren. Das Außer¬ ordent¬

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/78>, abgerufen am 28.11.2024.