"Ich -- -- -- Es war nicht der rechte, gnädigster Prinz -- -- Ich hatte ihn -- -- Es war nur ein nachgemachter. --"
"Ein nachgemachter!" wiederholte der Prinz. "Zum Nachmachen brauchten Sie ja den rechten, und wie kamen Sie zu diesem, da ihn der Verstor¬ bene gewiß nie vom Finger brachte?"
"Das ist wohl wahr," sagte der Sicilianer, nicht ohne Zeichen der Verwirrung -- "aber aus einer Beschreibung, die man mir von dem wirkli¬ chen Trauring gemacht hatte --"
"Die Ihnen wer gemacht hatte?"
"Schon vor langer Zeit," sagte der Sicilia¬ ner -- -- "Es war ein ganz einfacher goldner Ring, mit dem Namen der jungen Gräfinn, glaub' ich, -- -- aber Sie haben mich ganz aus der Ordnung gebracht --"
Wie erging es weiter?" sagte der Prinz mit sehr unbefriedigter und zweydeutiger Miene.
"Jezt hielt man sich für überzeugt, daß Je¬ ronymo nicht mehr am Leben sey. Die Familie machte von diesem Tag an seinen Tod öffentlich be¬ kannt, und legte förmlich die Trauer um ihn an. Der Umstand mit dem Ringe erlaubte auch Anto¬ nien keinen Zweifel mehr, und gab den Bewerbun¬ gen des Chevaliers einen größern Nachdruck. Aber der heftige Eindruck, den diese Erscheinung auf sie gemacht, stürzte sie in eine gefährliche Krankheit, welche die Hoffnungen ihres Liebhabers bald auf ewig vereitelt hätte. Als sie wieder genesen war, bestand sie darauf, den Schleyer zu nehmen, wo¬
von
E 3
„Ich — — — Es war nicht der rechte, gnädigſter Prinz — — Ich hatte ihn — — Es war nur ein nachgemachter. —“
„Ein nachgemachter!“ wiederholte der Prinz. „Zum Nachmachen brauchten Sie ja den rechten, und wie kamen Sie zu dieſem, da ihn der Verſtor¬ bene gewiß nie vom Finger brachte?“
„Das iſt wohl wahr,“ ſagte der Sicilianer, nicht ohne Zeichen der Verwirrung — „aber aus einer Beſchreibung, die man mir von dem wirkli¬ chen Trauring gemacht hatte —“
„Die Ihnen wer gemacht hatte?“
„Schon vor langer Zeit,“ ſagte der Sicilia¬ ner — — „Es war ein ganz einfacher goldner Ring, mit dem Namen der jungen Gräfinn, glaub' ich, — — aber Sie haben mich ganz aus der Ordnung gebracht —“
Wie erging es weiter?“ ſagte der Prinz mit ſehr unbefriedigter und zweydeutiger Miene.
„Jezt hielt man ſich für überzeugt, daß Je¬ ronymo nicht mehr am Leben ſey. Die Familie machte von dieſem Tag an ſeinen Tod öffentlich be¬ kannt, und legte förmlich die Trauer um ihn an. Der Umſtand mit dem Ringe erlaubte auch Anto¬ nien keinen Zweifel mehr, und gab den Bewerbun¬ gen des Chevaliers einen größern Nachdruck. Aber der heftige Eindruck, den dieſe Erſcheinung auf ſie gemacht, ſtürzte ſie in eine gefährliche Krankheit, welche die Hoffnungen ihres Liebhabers bald auf ewig vereitelt hätte. Als ſie wieder geneſen war, beſtand ſie darauf, den Schleyer zu nehmen, wo¬
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E 3
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„Ich — — — Es war nicht der rechte,
gnädigſter Prinz — — Ich hatte ihn — — Es
war nur ein nachgemachter. —“
„Ein nachgemachter!“ wiederholte der Prinz.
„Zum Nachmachen brauchten Sie ja den rechten,
und wie kamen Sie zu dieſem, da ihn der Verſtor¬
bene gewiß nie vom Finger brachte?“
„Das iſt wohl wahr,“ ſagte der Sicilianer,
nicht ohne Zeichen der Verwirrung — „aber aus
einer Beſchreibung, die man mir von dem wirkli¬
chen Trauring gemacht hatte —“
„Die Ihnen wer gemacht hatte?“
„Schon vor langer Zeit,“ ſagte der Sicilia¬
ner — — „Es war ein ganz einfacher goldner
Ring, mit dem Namen der jungen Gräfinn, glaub'
ich, — — aber Sie haben mich ganz aus der
Ordnung gebracht —“
Wie erging es weiter?“ ſagte der Prinz mit
ſehr unbefriedigter und zweydeutiger Miene.
„Jezt hielt man ſich für überzeugt, daß Je¬
ronymo nicht mehr am Leben ſey. Die Familie
machte von dieſem Tag an ſeinen Tod öffentlich be¬
kannt, und legte förmlich die Trauer um ihn an.
Der Umſtand mit dem Ringe erlaubte auch Anto¬
nien keinen Zweifel mehr, und gab den Bewerbun¬
gen des Chevaliers einen größern Nachdruck. Aber
der heftige Eindruck, den dieſe Erſcheinung auf ſie
gemacht, ſtürzte ſie in eine gefährliche Krankheit,
welche die Hoffnungen ihres Liebhabers bald auf
ewig vereitelt hätte. Als ſie wieder geneſen war,
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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/77>, abgerufen am 16.02.2025.
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