die wahrscheinlichere stören; die Leichtigkeit, die erhaltene Entdeckung zu begreifen, würde hier nur das Mittel, durch welches man dazu gelangt war, herabgewürdigt haben; die Leichtigkeit, sie zu erfinden, dieses wohl gar verdächtig gemacht ha¬ ben; denn wozu einen Geist bemühen, wenn man nichts weiteres von ihm erfahren soll, als was auch ohne ihn, mit Hülfe der bloß gewöhnlichen Vernunft herauszubringen war? Aber die über¬ raschende Neuheit und Schwierigkeit der Entdeckung ist hier gleichsam eine Gewährleistung des Wunders, wodurch sie erhalten wird -- denn wer wird nun das Uebernatürliche einer Operation in Zwei¬ fel ziehen, wenn das, was sie leistete, durch na¬ türliche Kräfte nicht geleistet werden kann? -- Ich habe Sie unterbrochen," sezte der Prinz hinzu. "Vollenden Sie Ihre Erzählung."
"Ich ließ," fuhr dieser fort, "die Frage an den Geist ergehen, ob er nichts mehr sein nenne auf dieser Welt, und nichts darauf hinterlassen ha¬ be, was ihm theuer wäre? Der Geist schüttelte dreymal das Haupt, und streckte eine seiner Hän¬ de gen Himmel. Ehe er wegging, streifte er noch einen Ring vom Finger, den man nach seiner Ver¬ schwindung auf dem Fußboden liegend fand. Als die Gräfinn ihn genauer in's Gesicht faßte, war es ihr Trauring."
"Ihr Trauring!" rief der Prinz mit Befrem¬ dung. "Ihr Trauring! Aber wie gelangten Sie zu diesem?"
"Ich
die wahrſcheinlichere ſtören; die Leichtigkeit, die erhaltene Entdeckung zu begreifen, würde hier nur das Mittel, durch welches man dazu gelangt war, herabgewürdigt haben; die Leichtigkeit, ſie zu erfinden, dieſes wohl gar verdächtig gemacht ha¬ ben; denn wozu einen Geiſt bemühen, wenn man nichts weiteres von ihm erfahren ſoll, als was auch ohne ihn, mit Hülfe der bloß gewöhnlichen Vernunft herauszubringen war? Aber die über¬ raſchende Neuheit und Schwierigkeit der Entdeckung iſt hier gleichſam eine Gewährleiſtung des Wunders, wodurch ſie erhalten wird — denn wer wird nun das Uebernatürliche einer Operation in Zwei¬ fel ziehen, wenn das, was ſie leiſtete, durch na¬ türliche Kräfte nicht geleiſtet werden kann? — Ich habe Sie unterbrochen,“ ſezte der Prinz hinzu. „Vollenden Sie Ihre Erzählung.“
„Ich ließ,“ fuhr dieſer fort, „die Frage an den Geiſt ergehen, ob er nichts mehr ſein nenne auf dieſer Welt, und nichts darauf hinterlaſſen ha¬ be, was ihm theuer wäre? Der Geiſt ſchüttelte dreymal das Haupt, und ſtreckte eine ſeiner Hän¬ de gen Himmel. Ehe er wegging, ſtreifte er noch einen Ring vom Finger, den man nach ſeiner Ver¬ ſchwindung auf dem Fußboden liegend fand. Als die Gräfinn ihn genauer in's Geſicht faßte, war es ihr Trauring.“
„Ihr Trauring!“ rief der Prinz mit Befrem¬ dung. „Ihr Trauring! Aber wie gelangten Sie zu dieſem?“
„Ich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0076"n="68"/>
die <hirendition="#g">wahrſcheinlichere</hi>ſtören; die Leichtigkeit,<lb/>
die erhaltene Entdeckung zu begreifen, würde hier<lb/>
nur das Mittel, durch welches man dazu gelangt<lb/>
war, herabgewürdigt haben; die Leichtigkeit, ſie<lb/>
zu erfinden, dieſes wohl gar verdächtig gemacht <choice><sic>ha¬<lb/>
hen</sic><corr>ha¬<lb/>
ben</corr></choice>; denn wozu einen Geiſt bemühen, wenn man<lb/>
nichts weiteres von ihm erfahren ſoll, als was<lb/>
auch ohne ihn, mit Hülfe der bloß gewöhnlichen<lb/>
Vernunft herauszubringen war? Aber die über¬<lb/>
raſchende Neuheit und Schwierigkeit der Entdeckung<lb/>
iſt hier gleichſam eine Gewährleiſtung des Wunders,<lb/>
wodurch ſie erhalten wird — denn wer wird nun<lb/>
das Uebernatürliche einer Operation in Zwei¬<lb/>
fel ziehen, wenn das, was ſie leiſtete, durch na¬<lb/>
türliche Kräfte nicht geleiſtet werden kann? — Ich<lb/>
habe Sie unterbrochen,“ſezte der Prinz hinzu.<lb/>„Vollenden Sie Ihre Erzählung.“</p><lb/><p>„Ich ließ,“ fuhr dieſer fort, „die Frage an<lb/>
den Geiſt ergehen, ob er nichts mehr <hirendition="#g">ſein</hi> nenne<lb/>
auf dieſer Welt, und nichts darauf hinterlaſſen ha¬<lb/>
be, was ihm theuer wäre? Der Geiſt ſchüttelte<lb/>
dreymal das Haupt, und ſtreckte eine ſeiner Hän¬<lb/>
de gen Himmel. Ehe er wegging, ſtreifte er noch<lb/>
einen Ring vom Finger, den man nach ſeiner Ver¬<lb/>ſchwindung auf dem Fußboden liegend fand. Als<lb/>
die Gräfinn ihn genauer in's Geſicht faßte, war es<lb/>
ihr Trauring.“</p><lb/><p>„Ihr Trauring!“ rief der Prinz mit Befrem¬<lb/>
dung. „Ihr Trauring! Aber wie gelangten Sie<lb/>
zu dieſem?“</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">„Ich<lb/></fw></div></div></body></text></TEI>
[68/0076]
die wahrſcheinlichere ſtören; die Leichtigkeit,
die erhaltene Entdeckung zu begreifen, würde hier
nur das Mittel, durch welches man dazu gelangt
war, herabgewürdigt haben; die Leichtigkeit, ſie
zu erfinden, dieſes wohl gar verdächtig gemacht ha¬
ben; denn wozu einen Geiſt bemühen, wenn man
nichts weiteres von ihm erfahren ſoll, als was
auch ohne ihn, mit Hülfe der bloß gewöhnlichen
Vernunft herauszubringen war? Aber die über¬
raſchende Neuheit und Schwierigkeit der Entdeckung
iſt hier gleichſam eine Gewährleiſtung des Wunders,
wodurch ſie erhalten wird — denn wer wird nun
das Uebernatürliche einer Operation in Zwei¬
fel ziehen, wenn das, was ſie leiſtete, durch na¬
türliche Kräfte nicht geleiſtet werden kann? — Ich
habe Sie unterbrochen,“ ſezte der Prinz hinzu.
„Vollenden Sie Ihre Erzählung.“
„Ich ließ,“ fuhr dieſer fort, „die Frage an
den Geiſt ergehen, ob er nichts mehr ſein nenne
auf dieſer Welt, und nichts darauf hinterlaſſen ha¬
be, was ihm theuer wäre? Der Geiſt ſchüttelte
dreymal das Haupt, und ſtreckte eine ſeiner Hän¬
de gen Himmel. Ehe er wegging, ſtreifte er noch
einen Ring vom Finger, den man nach ſeiner Ver¬
ſchwindung auf dem Fußboden liegend fand. Als
die Gräfinn ihn genauer in's Geſicht faßte, war es
ihr Trauring.“
„Ihr Trauring!“ rief der Prinz mit Befrem¬
dung. „Ihr Trauring! Aber wie gelangten Sie
zu dieſem?“
„Ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/76>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.