Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte man bey der jungen Gräfinn, deren Gegen¬
wart doch so wesentlich war, aber hier kam uns
der schwärmerische Flug ihrer Leidenschaft zu Hülfe,
und vielleicht mehr noch ein schwacher Schimmer
von Hoffnung, daß der Todtgeglaubte noch lebe,
und auf den Ruf nicht erscheinen werde. Mi߬
trauen in die Sache selbst, Zweifel in meine Kunst
war das einzige Hinderniß, welches ich nicht zu be¬
kämpfen hatte."

"Sobald die Einwilligung der Familie da war,
wurde der dritte Tag zu dem Werk angesezt. Ge¬
bete, die bis in die Mitternacht verlängert werden
mußten, Fasten, Wachen, Einsamkeit und mysti¬
scher Unterricht waren, verbunden mit dem Ge¬
brauch eines gewissen noch unbekannten musikali¬
schen Instruments, das ich in ähnlichen Fällen
sehr wirksam fand, die Vorbereitungen zu diesem
feyerlichen Akt, welche auch so sehr nach Wunsche
einschlugen, daß die fanatische Begeisterung meiner
Zuhörer meine eigene Phantasie erhitzte, und die
Illusion nicht wenig vermehrte, zu der ich mich
bey dieser Gelegenheit anstrengen mußte. Endlich
kam die erwartete Stunde --"

"Ich errathe," rief der Prinz, "wen Sie uns
jezt aufführen werden -- Aber fahren Sie nur
fort -- fahren Sie fort --"

"Nein, gnädigster Herr. Die Beschwörung
ging nach Wunsche vorüber."

"Aber wie? Wo bleibt denn der Armenier?"

"Fürch¬

hatte man bey der jungen Gräfinn, deren Gegen¬
wart doch ſo weſentlich war, aber hier kam uns
der ſchwärmeriſche Flug ihrer Leidenſchaft zu Hülfe,
und vielleicht mehr noch ein ſchwacher Schimmer
von Hoffnung, daß der Todtgeglaubte noch lebe,
und auf den Ruf nicht erſcheinen werde. Mi߬
trauen in die Sache ſelbſt, Zweifel in meine Kunſt
war das einzige Hinderniß, welches ich nicht zu be¬
kämpfen hatte.“

„Sobald die Einwilligung der Familie da war,
wurde der dritte Tag zu dem Werk angeſezt. Ge¬
bete, die bis in die Mitternacht verlängert werden
mußten, Faſten, Wachen, Einſamkeit und myſti¬
ſcher Unterricht waren, verbunden mit dem Ge¬
brauch eines gewiſſen noch unbekannten muſikali¬
ſchen Inſtruments, das ich in ähnlichen Fällen
ſehr wirkſam fand, die Vorbereitungen zu dieſem
feyerlichen Akt, welche auch ſo ſehr nach Wunſche
einſchlugen, daß die fanatiſche Begeiſterung meiner
Zuhörer meine eigene Phantaſie erhitzte, und die
Illuſion nicht wenig vermehrte, zu der ich mich
bey dieſer Gelegenheit anſtrengen mußte. Endlich
kam die erwartete Stunde —“

„Ich errathe,“ rief der Prinz, „wen Sie uns
jezt aufführen werden — Aber fahren Sie nur
fort — fahren Sie fort —“

„Nein, gnädigſter Herr. Die Beſchwörung
ging nach Wunſche vorüber.“

„Aber wie? Wo bleibt denn der Armenier?“

„Fürch¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0074" n="66"/>
hatte man bey der jungen Gräfinn, deren Gegen¬<lb/>
wart doch &#x017F;o we&#x017F;entlich war, aber hier kam uns<lb/>
der &#x017F;chwärmeri&#x017F;che Flug ihrer Leiden&#x017F;chaft zu Hülfe,<lb/>
und vielleicht mehr noch ein &#x017F;chwacher Schimmer<lb/>
von Hoffnung, daß der Todtgeglaubte noch lebe,<lb/>
und auf den Ruf nicht er&#x017F;cheinen werde. Mi߬<lb/>
trauen in die Sache &#x017F;elb&#x017F;t, Zweifel in meine Kun&#x017F;t<lb/>
war das einzige Hinderniß, welches ich nicht zu be¬<lb/>
kämpfen hatte.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sobald die Einwilligung der Familie da war,<lb/>
wurde der dritte Tag zu dem Werk ange&#x017F;ezt. Ge¬<lb/>
bete, die bis in die Mitternacht verlängert werden<lb/>
mußten, Fa&#x017F;ten, Wachen, Ein&#x017F;amkeit und my&#x017F;ti¬<lb/>
&#x017F;cher Unterricht waren, verbunden mit dem Ge¬<lb/>
brauch eines gewi&#x017F;&#x017F;en noch unbekannten mu&#x017F;ikali¬<lb/>
&#x017F;chen In&#x017F;truments, das ich in ähnlichen Fällen<lb/>
&#x017F;ehr wirk&#x017F;am fand, die Vorbereitungen zu die&#x017F;em<lb/>
feyerlichen Akt, welche auch &#x017F;o &#x017F;ehr nach Wun&#x017F;che<lb/>
ein&#x017F;chlugen, daß die fanati&#x017F;che Begei&#x017F;terung meiner<lb/>
Zuhörer meine eigene Phanta&#x017F;ie erhitzte, und die<lb/>
Illu&#x017F;ion nicht wenig vermehrte, zu der ich mich<lb/>
bey die&#x017F;er Gelegenheit an&#x017F;trengen mußte. Endlich<lb/>
kam die erwartete Stunde &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich errathe,&#x201C; rief der Prinz, &#x201E;<hi rendition="#g">wen</hi> Sie uns<lb/>
jezt aufführen werden &#x2014; Aber fahren Sie nur<lb/>
fort &#x2014; fahren Sie fort &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nein, gnädig&#x017F;ter Herr. Die Be&#x017F;chwörung<lb/>
ging nach Wun&#x017F;che vorüber.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Aber wie? Wo bleibt denn der Armenier?&#x201C;</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Fürch¬<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0074] hatte man bey der jungen Gräfinn, deren Gegen¬ wart doch ſo weſentlich war, aber hier kam uns der ſchwärmeriſche Flug ihrer Leidenſchaft zu Hülfe, und vielleicht mehr noch ein ſchwacher Schimmer von Hoffnung, daß der Todtgeglaubte noch lebe, und auf den Ruf nicht erſcheinen werde. Mi߬ trauen in die Sache ſelbſt, Zweifel in meine Kunſt war das einzige Hinderniß, welches ich nicht zu be¬ kämpfen hatte.“ „Sobald die Einwilligung der Familie da war, wurde der dritte Tag zu dem Werk angeſezt. Ge¬ bete, die bis in die Mitternacht verlängert werden mußten, Faſten, Wachen, Einſamkeit und myſti¬ ſcher Unterricht waren, verbunden mit dem Ge¬ brauch eines gewiſſen noch unbekannten muſikali¬ ſchen Inſtruments, das ich in ähnlichen Fällen ſehr wirkſam fand, die Vorbereitungen zu dieſem feyerlichen Akt, welche auch ſo ſehr nach Wunſche einſchlugen, daß die fanatiſche Begeiſterung meiner Zuhörer meine eigene Phantaſie erhitzte, und die Illuſion nicht wenig vermehrte, zu der ich mich bey dieſer Gelegenheit anſtrengen mußte. Endlich kam die erwartete Stunde —“ „Ich errathe,“ rief der Prinz, „wen Sie uns jezt aufführen werden — Aber fahren Sie nur fort — fahren Sie fort —“ „Nein, gnädigſter Herr. Die Beſchwörung ging nach Wunſche vorüber.“ „Aber wie? Wo bleibt denn der Armenier?“ „Fürch¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/74
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/74>, abgerufen am 24.11.2024.