Winke mit schauderndem Wohlbehagen auf; ja so¬ gar die Bedienten des Hauses suchten sich im Zim¬ mer zu thun zu machen, wenn ich redete, um hie und da eins meiner Worte aufzuhaschen, welche Bruchstücke sie alsdann nach ihrer Art an einander reihten."
"Ungefähr zwey Monate mochte ich so auf die¬ sem Rittersitze zugebracht haben, als eines Mor¬ gens der Chevalier auf mein Zimmer trat. Tiefer Gram mahlte sich auf seinem Gesichte, alle seine Züge waren zerstört, er warf sich in einen Stuhl mit allen Geberden der Verzweiflung."
"Kapitain, sagte er, mit mir ist es vorbey. Ich muß fort. Ich kann es nicht länger hier aus¬ halten."
"Was ist Ihnen, Chevalier? Was haben Sie?"
"O diese fürchterliche Leidenschaft! (Hier fuhr er mit Heftigkeit von dem Stuhle auf, und warf sich in meine Arme) -- Ich habe sie bekämpft wie ein Mann -- Jezt kann ich nicht mehr."
"Aber an wem liegt es denn, liebster Freund, als an Ihnen? Steht nicht alles in Ihrer Gewalt? Vater, Familie --"
"Vater! Familie! Was ist mir das? -- Will ich eine erzwungene Hand, oder eine freywillige Neigung? -- Hab' ich nicht einen Nebenbuhler? -- Ach! Und welchen? Einen Nebenbuhler vielleicht unter den Todten! O lassen Sie mich! Lassen Sie mich! Ging es auch bis an's Ende der Welt. Ich muß meinen Bruder finden."
"Wie?
Winke mit ſchauderndem Wohlbehagen auf; ja ſo¬ gar die Bedienten des Hauſes ſuchten ſich im Zim¬ mer zu thun zu machen, wenn ich redete, um hie und da eins meiner Worte aufzuhaſchen, welche Bruchſtücke ſie alsdann nach ihrer Art an einander reihten.“
„Ungefähr zwey Monate mochte ich ſo auf die¬ ſem Ritterſitze zugebracht haben, als eines Mor¬ gens der Chevalier auf mein Zimmer trat. Tiefer Gram mahlte ſich auf ſeinem Geſichte, alle ſeine Züge waren zerſtört, er warf ſich in einen Stuhl mit allen Geberden der Verzweiflung.“
„Kapitain, ſagte er, mit mir iſt es vorbey. Ich muß fort. Ich kann es nicht länger hier aus¬ halten.“
„Was iſt Ihnen, Chevalier? Was haben Sie?“
„O dieſe fürchterliche Leidenſchaft! (Hier fuhr er mit Heftigkeit von dem Stuhle auf, und warf ſich in meine Arme) — Ich habe ſie bekämpft wie ein Mann — Jezt kann ich nicht mehr.“
„Aber an wem liegt es denn, liebſter Freund, als an Ihnen? Steht nicht alles in Ihrer Gewalt? Vater, Familie —“
„Vater! Familie! Was iſt mir das? — Will ich eine erzwungene Hand, oder eine freywillige Neigung? — Hab' ich nicht einen Nebenbuhler? — Ach! Und welchen? Einen Nebenbuhler vielleicht unter den Todten! O laſſen Sie mich! Laſſen Sie mich! Ging es auch bis an's Ende der Welt. Ich muß meinen Bruder finden.“
„Wie?
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Winke mit ſchauderndem Wohlbehagen auf; ja ſo¬
gar die Bedienten des Hauſes ſuchten ſich im Zim¬
mer zu thun zu machen, wenn ich redete, um hie
und da eins meiner Worte aufzuhaſchen, welche
Bruchſtücke ſie alsdann nach ihrer Art an einander
reihten.“
„Ungefähr zwey Monate mochte ich ſo auf die¬
ſem Ritterſitze zugebracht haben, als eines Mor¬
gens der Chevalier auf mein Zimmer trat. Tiefer
Gram mahlte ſich auf ſeinem Geſichte, alle ſeine
Züge waren zerſtört, er warf ſich in einen Stuhl
mit allen Geberden der Verzweiflung.“
„Kapitain, ſagte er, mit mir iſt es vorbey.
Ich muß fort. Ich kann es nicht länger hier aus¬
halten.“
„Was iſt Ihnen, Chevalier? Was haben
Sie?“
„O dieſe fürchterliche Leidenſchaft! (Hier fuhr
er mit Heftigkeit von dem Stuhle auf, und warf
ſich in meine Arme) — Ich habe ſie bekämpft wie
ein Mann — Jezt kann ich nicht mehr.“
„Aber an wem liegt es denn, liebſter Freund,
als an Ihnen? Steht nicht alles in Ihrer Gewalt?
Vater, Familie —“
„Vater! Familie! Was iſt mir das? — Will
ich eine erzwungene Hand, oder eine freywillige
Neigung? — Hab' ich nicht einen Nebenbuhler?
— Ach! Und welchen? Einen Nebenbuhler vielleicht
unter den Todten! O laſſen Sie mich! Laſſen Sie
mich! Ging es auch bis an's Ende der Welt. Ich
muß meinen Bruder finden.“
„Wie?
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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/71>, abgerufen am 16.02.2025.
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