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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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heit, die jezt erzählt wird, in sein Vaterland zu¬
rück, um eine Heirath mit der einzigen Tochter ei¬
nes benachbarten gräflichen Hauses von C***tti
zu vollziehen, worüber beyde Familien schon seit
der Geburt dieser Kinder übereingekommen
waren, um ihre ansehnlichen Güter dadurch zu ver¬
einigen. Ungeachtet diese Verbindung bloß das
Werk der älterlichen Konvenienz war, und die Her¬
zen beyder Verlobten bey der Wahl nicht um Rath
gefragt wurden, so hatten sie sie doch stillschweigend
schon beschworen. Jeronymo del M**nte und
Antonie C**tti waren mit einander auferzogen
worden, und der wenige Zwang, den man dem
Umgang zweyer Kinder auflegte, die man schon da¬
mals gewohnt war, als ein Paar zu betrachten,
hatte frühzeitig ein zärtliches Verständniß zwischen
beyden entstehen lassen, das durch die Harmonie
ihrer Charaktere noch mehr befestigt ward, und sich
in reifern Jahren leicht zur Liebe erhöhte. Eine
vierjährige Entfernung hatte es vielmehr angefeuert
als erkältet, und Jeronymo kehrte eben so treu
und eben so feurig in die Arme seiner Braut zurück,
als wenn er sich niemals daraus gerissen hätte."

"Die Entzückungen des Wiedersehens waren
noch nicht vorüber, und die Anstalten zur Vermäh¬
lung wurden auf das lebhafteste betrieben, als der
Bräutigam -- verschwand. Er pflegte öfters
ganze Abende auf einem Landhause zuzubringen,
das die Aussicht auf's Meer hatte, und sich da zu¬
weilen mit einer Wasserfahrt zu vergnügen. Nach

einem

heit, die jezt erzählt wird, in ſein Vaterland zu¬
rück, um eine Heirath mit der einzigen Tochter ei¬
nes benachbarten gräflichen Hauſes von C***tti
zu vollziehen, worüber beyde Familien ſchon ſeit
der Geburt dieſer Kinder übereingekommen
waren, um ihre anſehnlichen Güter dadurch zu ver¬
einigen. Ungeachtet dieſe Verbindung bloß das
Werk der älterlichen Konvenienz war, und die Her¬
zen beyder Verlobten bey der Wahl nicht um Rath
gefragt wurden, ſo hatten ſie ſie doch ſtillſchweigend
ſchon beſchworen. Jeronymo del M**nte und
Antonie C**tti waren mit einander auferzogen
worden, und der wenige Zwang, den man dem
Umgang zweyer Kinder auflegte, die man ſchon da¬
mals gewohnt war, als ein Paar zu betrachten,
hatte frühzeitig ein zärtliches Verſtändniß zwiſchen
beyden entſtehen laſſen, das durch die Harmonie
ihrer Charaktere noch mehr befeſtigt ward, und ſich
in reifern Jahren leicht zur Liebe erhöhte. Eine
vierjährige Entfernung hatte es vielmehr angefeuert
als erkältet, und Jeronymo kehrte eben ſo treu
und eben ſo feurig in die Arme ſeiner Braut zurück,
als wenn er ſich niemals daraus geriſſen hätte.“

„Die Entzückungen des Wiederſehens waren
noch nicht vorüber, und die Anſtalten zur Vermäh¬
lung wurden auf das lebhafteſte betrieben, als der
Bräutigam — verſchwand. Er pflegte öfters
ganze Abende auf einem Landhauſe zuzubringen,
das die Ausſicht auf's Meer hatte, und ſich da zu¬
weilen mit einer Waſſerfahrt zu vergnügen. Nach

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[56/0064] heit, die jezt erzählt wird, in ſein Vaterland zu¬ rück, um eine Heirath mit der einzigen Tochter ei¬ nes benachbarten gräflichen Hauſes von C***tti zu vollziehen, worüber beyde Familien ſchon ſeit der Geburt dieſer Kinder übereingekommen waren, um ihre anſehnlichen Güter dadurch zu ver¬ einigen. Ungeachtet dieſe Verbindung bloß das Werk der älterlichen Konvenienz war, und die Her¬ zen beyder Verlobten bey der Wahl nicht um Rath gefragt wurden, ſo hatten ſie ſie doch ſtillſchweigend ſchon beſchworen. Jeronymo del M**nte und Antonie C**tti waren mit einander auferzogen worden, und der wenige Zwang, den man dem Umgang zweyer Kinder auflegte, die man ſchon da¬ mals gewohnt war, als ein Paar zu betrachten, hatte frühzeitig ein zärtliches Verſtändniß zwiſchen beyden entſtehen laſſen, das durch die Harmonie ihrer Charaktere noch mehr befeſtigt ward, und ſich in reifern Jahren leicht zur Liebe erhöhte. Eine vierjährige Entfernung hatte es vielmehr angefeuert als erkältet, und Jeronymo kehrte eben ſo treu und eben ſo feurig in die Arme ſeiner Braut zurück, als wenn er ſich niemals daraus geriſſen hätte.“ „Die Entzückungen des Wiederſehens waren noch nicht vorüber, und die Anſtalten zur Vermäh¬ lung wurden auf das lebhafteſte betrieben, als der Bräutigam — verſchwand. Er pflegte öfters ganze Abende auf einem Landhauſe zuzubringen, das die Ausſicht auf's Meer hatte, und ſich da zu¬ weilen mit einer Waſſerfahrt zu vergnügen. Nach einem

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/64>, abgerufen am 25.11.2024.