Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.Er sprach dieß mit einem Tone, der uns betreten Unser Gefolge war unterdessen gewachsen. Ein Wir kamen vor eine Bude zu stehen, wo Lotte¬ "Was ist das?" sagte der Prinz zu mir, als Ein d. Geisterseher. B
Er ſprach dieß mit einem Tone, der uns betreten Unſer Gefolge war unterdeſſen gewachſen. Ein Wir kamen vor eine Bude zu ſtehen, wo Lotte¬ „Was iſt das?“ ſagte der Prinz zu mir, als Ein d. Geiſterſeher. B
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0025" n="17"/> Er ſprach dieß mit einem Tone, der uns betreten<lb/> machte. Das Gedränge riß ihn weg.</p><lb/> <p>Unſer Gefolge war unterdeſſen gewachſen. Ein<lb/> engliſcher Lord, den der Prinz ſchon in Nizza geſe¬<lb/> hen hatte, einige Kaufleute aus Livorno, ein deut¬<lb/> ſcher Domherr, ein franzöſiſcher Abbe' mit einigen<lb/> Damen, und ein ruſſiſcher Offizier geſellten ſich zu<lb/> uns. Die Phyſiognomie des leztern hatte etwas<lb/> ganz ungewöhnliches, das unſere Aufmerkſamkeit<lb/> an ſich zog. Nie in meinem Leben ſah ich ſo viele<lb/><hi rendition="#g">Züge</hi>, und ſo wenig <hi rendition="#g">Charakter</hi>, ſo viel anlo¬<lb/> ckendes Wohlwollen mit ſo viel zurückſtoßendem<lb/> Froſt in Einem Menſchengeſichte beyſammen woh¬<lb/> nen. Alle Leidenſchaften ſchienen darin gewühlt<lb/> und es wieder verlaſſen zu haben. Nichts war<lb/> übrig, als der ſtille, durchdringende Blick eines<lb/> vollendeten Menſchenkenners, der jedes Auge ver¬<lb/> ſcheuchte, worauf er traf. Dieſer ſeltſame Menſch<lb/> folgte uns von weitem, ſchien aber an allem was<lb/> vorging, nur einen nachläſſigen Antheil zu<lb/> nehmen.</p><lb/> <p>Wir kamen vor eine Bude zu ſtehen, wo Lotte¬<lb/> rie gezogen wurde. Die Damen ſezten ein, wir<lb/> andern folgten ihrem Beyſpiel; auch der Prinz fo¬<lb/> derte ein Loos. Es gewann eine Tabatiere. Als<lb/> er ſie aufmachte, ſah ich ihn blaß zurückfahren. —<lb/> Der Schlüſſel lag darin.</p><lb/> <p>„Was iſt das?“ ſagte der Prinz zu mir, als<lb/> wir einen Augenblick allein waren. „Eine höhere<lb/> Gewalt jagt mich. Allwiſſenheit ſchwebt um mich.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ein<lb/></fw> <fw place="bottom" type="sig">d. Geiſterſeher. B<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [17/0025]
Er ſprach dieß mit einem Tone, der uns betreten
machte. Das Gedränge riß ihn weg.
Unſer Gefolge war unterdeſſen gewachſen. Ein
engliſcher Lord, den der Prinz ſchon in Nizza geſe¬
hen hatte, einige Kaufleute aus Livorno, ein deut¬
ſcher Domherr, ein franzöſiſcher Abbe' mit einigen
Damen, und ein ruſſiſcher Offizier geſellten ſich zu
uns. Die Phyſiognomie des leztern hatte etwas
ganz ungewöhnliches, das unſere Aufmerkſamkeit
an ſich zog. Nie in meinem Leben ſah ich ſo viele
Züge, und ſo wenig Charakter, ſo viel anlo¬
ckendes Wohlwollen mit ſo viel zurückſtoßendem
Froſt in Einem Menſchengeſichte beyſammen woh¬
nen. Alle Leidenſchaften ſchienen darin gewühlt
und es wieder verlaſſen zu haben. Nichts war
übrig, als der ſtille, durchdringende Blick eines
vollendeten Menſchenkenners, der jedes Auge ver¬
ſcheuchte, worauf er traf. Dieſer ſeltſame Menſch
folgte uns von weitem, ſchien aber an allem was
vorging, nur einen nachläſſigen Antheil zu
nehmen.
Wir kamen vor eine Bude zu ſtehen, wo Lotte¬
rie gezogen wurde. Die Damen ſezten ein, wir
andern folgten ihrem Beyſpiel; auch der Prinz fo¬
derte ein Loos. Es gewann eine Tabatiere. Als
er ſie aufmachte, ſah ich ihn blaß zurückfahren. —
Der Schlüſſel lag darin.
„Was iſt das?“ ſagte der Prinz zu mir, als
wir einen Augenblick allein waren. „Eine höhere
Gewalt jagt mich. Allwiſſenheit ſchwebt um mich.
Ein
d. Geiſterſeher. B
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